
© Jörn Hartwich
Pfefferspray-Attacke: Angeklagte überrascht Richter
Landgericht Essen
Mit einer Überraschung ist am Mittwoch in Essen der Prozess um eine Pfefferspray-Attacke bei einem Familienstreit in Dorsten zu Ende gegangen.
Nach einer Attacke mit Tierabwehrspray muss sich eine 61-jährige Dorstenerin nun wohl doch mit einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe abfinden. Am Landgericht Essen ist ihre Berufung gegen ein früheres Urteil des Dorstener Amtsgerichts am Mittwoch kurzerhand verworfen worden. Das letzte Wort ist aber möglicherweise immer noch nicht gesprochen.
Als der Prozess um 8 Uhr morgens fortgesetzt werden sollte, blieb der Platz der Angeklagten überraschend leer. Wie sich herausstellte, war sie am Vorabend gegen 20.30 Uhr noch bei einem Dorstener Arzt gewesen, der ihr für die gesamte restliche Woche eine Reiseunfähigkeit attestierte. Damit wollte sich das Gericht aber nicht so einfach abfinden.
Attest „nichtssagend“
Richterin Dr. Annette Rabe setzte alles in Bewegung, um mehr zu erfahren. Schon um 7.50 Uhr griff die Vorsitzende der 8. Strafkammer zum Telefon, um den Arzt zu erreichen. Eine Viertelstunde nach Prozessauftakt versuchte sie es noch einmal. Beides vergeblich. Die Praxis hatte noch nicht geöffnet.
Das Attest selbst wollten die Richter nicht akzeptieren. „Das ist keine ausreichende Entschuldigung für ihr Fernbleiben“, so Richterin Rabe. Das Attest sei absolut „nichtssagend“. Daraus gehe nicht hervor, warum die Angeklagte beim Arzt gewesen ist und warum sie reiseunfähig sein sollte.
Riss durch die Familie
Der Staatsanwalt hatte daraufhin beantragt, die Berufung der 61-Jährigen gegen das Urteil des Amtsgerichts Dorsten aus Juli 2020 zu verwerfen. Genau so lautete anschließend auch das Urteil.
Der 61-Jährigen war vorgeworfen worden, ihrer Schwester bei einem Streit im August 2019 eine ganze Flasche Tierabwehrspray ins Gesicht gesprüht zu haben. Auslöser war ein Familienstreit, der schon viele Jahre zuvor seinen Anfang genommen hatte. Wie es scheint, geht ein tiefer Riss durch die Familie. Auf der einen Seite die Angeklagte, auf der anderen Bruder und Schwester. Dabei spielt offenbar auch ein wohl inzwischen abgeschlossener Erbschaftsstreit eine Rolle.
Notwehr-Lage
Die 61-Jährige selbst hatte zum Prozessauftakt von Notwehr gesprochen. Sie sei von ihrer Schwester geschubst und bedrängt worden, da habe sie sich nicht anders zu helfen gewusst, als zum Pfefferspray zu greifen. Sie habe dabei aber keinesfalls ins Gesicht gezielt und auch nicht die gesamte Flasche entleert, sondern nur mal „kurz draufgedrückt“.
Die einzige Möglichkeit, die der Angeklagten nun noch bleibt, ist glaubhaft zu belegen, dass sie aus gesundheitlichen Gründen tatsächlich nicht zum Gerichtstermin in Essen erscheinen konnte. Dann könnte das Verfahren noch einmal aufgenommen werden. Gelingt ihr das nicht, wird das Urteil rechtskräftig.