Der Angeklagte neben seinem Verteidiger Felix Menke im Essener Landgericht

Der Angeklagte neben seinem Verteidiger Felix Menke im Essener Landgericht © Jörn Hartwich

86-Jährige gefesselt und eingesperrt – Täter wurde dabei gefilmt

rnLandgericht Essen

Eine 86-jährige Frau aus Dorsten wird in ihrem Haus überfallen. Jetzt steht einer der drei Täter vor Gericht und spricht von einer Verzweiflungstat.

von Von Carlin Schneider und Jörn Hartwich

Dorsten, Essen

, 02.09.2022, 11:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Diese Tat muss ein echter Albtraum gewesen sein. Vor knapp sechs Monaten ist eine 86-jährige Seniorin aus Dorsten in ihrem eigenen Haus überfallen, an einen Stuhl gefesselt und im Badezimmer eingesperrt worden. Seit Donnerstag steht einer der Männer in Essen vor Gericht.

Es war der 20. März, als der Angeklagte mit zwei Mittätern bei der alten Dame aufgetaucht ist. Anfangs tat er noch ganz scheinheilig und gab sich als Polizist aus. Gleich nebenan habe es einen Einbruch gegeben, so seine Version. Deshalb wolle man Schmuck und Bargeld der Seniorin zur Sicherheit fotografieren.

Schon im Gefängnis gesessen

Doch die Senior-Chefin eines Dorstener Unternehmens schöpfte Verdacht. „Sie hat gemerkt, dass nicht alles mit rechten Dingen zugeht“, sagte der Angeklagte den Richtern am Essener Landgericht.

Um zu verhindern, dass die 86-Jährige die Polizei ruft, wurde sie mit einem Schal an einen Stuhl gefesselt. Die Beute: Goldschmuck im Wert von rund 2.000 Euro. Die Täter hatten offenbar mit dem Zehnfachen gerechnet.

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Zum Prozessauftakt zeigte sich der Angeklagte von seiner besten Seite - einsichtig, charmant, humorvoll. Sein Vorstrafenregister spricht allerdings eine andere Sprache. Mit gerade mal 21 beging er seine erste Straftat, ein Jahr später saß er das erste Mal in Haft. Später folgten weitere Gefängnisaufenthalte - auch wegen räuberischer Erpressung.

„Habe keinen Ausweg mehr gesehen“

Dass er die Tat im Stadtteil Feldmark begangen hat, streitet er nicht ab. Leugnen wäre in seinem Fall allerdings auch sinnlos, da überall Kameras waren. Die Filme zeigen sowohl den bulligen Angeklagten als auch sein Auto samt Nummernschild.

Die Täter sind damals aus Mönchengladbach angereist. Den Tipp für die Adresse in Dorsten wollen sie von einem Call-Center erhalten haben, das sich offenbar auf den Betrug älterer Menschen spezialisiert hatte.

„Ich habe keinen Ausweg mehr gesehen“, sagte der Angeklagte vor Gericht. „Ich hatte mir 30.000 Euro geliehen, die ich nicht zurückzahlen konnte.“ Hintergrund sollen Spielschulden gewesen sein. „Meine Tochter und meine Geschwister wurden schon massiv bedroht.“

Seniorin kann nicht befragt werden

Ein skrupelloser Schwerverbrecher will der 48-Jährige allerdings nicht sein. Nach seiner Schilderung will er sich fast liebevoll und fürsorglich um die alte Dame gekümmert haben, während einer seiner Komplizen die Wohnung durchsucht hat. „Sie brauchen keine Angst zu haben. Ich muss das hier machen“, soll der 48-Jährige damals gesagt haben.

Die 86-Jährige hatte damals aus dem Badezimmerfenster um Hilfe gerufen. Ein Nachbar hatte daraufhin die Polizei alarmiert. Der Prozess wird fortgesetzt.

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