Darauf muss man bei der Ernährung im Alter achten
Abendsprechstunde
Was ist eigentlich eine Kalorie? Wodurch entsteht Proteinhunger und warum werden Okinawa-Japaner 100 Jahre alt? All diese Fragen wurden bei der Abendsprechstunde am Mittwoch beantwortet.

Oberärztin Sigrid Vera Nierhoff und Dr. Marco Michels gestalteten die Abendsprechstunde zum Thema „Ernährung im Alter“. © Ina Fischer
„Ernährung im Alter“ war das Thema überschrieben – aus gutem Grund: Mit einem gesunden Lebensstil lassen sich viele Erkrankungen vorbeugen. Das gilt besonders für betagtere Menschen. Das Wichtigste im Überblick:
Wie verändert sich der Körper im Alter?
Das Sehen, Riechen und Schmecken lässt nach, das Durstempfinden nimmt ab und wenn ein Medikamenten-Mix das Geschmacksempfinden noch zusätzlich beeinträchtigt oder Kau- und Schluckbeschwerden bestehen, kann es zu Gewichtsverlust, Austrocknung sowie Mangelernährung und in der Folge zu Erkrankungen kommen. Ein Vitamin B-Mangel kann etwa Depressionen oder Demenz fördern. Zu wenig Vitamin C und Zink ebnen Infektionen den Weg. Und bei Vitamin-D-Mangel werden die Knochen, deren Dichte im Alter ohnehin abnimmt, weich. Und umgekehrt kommt es bei zu viel Zucker und Polyneuropathie häufig zu Gangstörungen. Doch so, wie sich clever essen lässt gegen Rheuma, funktioniert das auch bei Alterserkrankungen.
Wie hoch ist der Energiebedarf im Alter noch?
Zwar lässt der Bewegungsdrang auch wegen abnehmender Mobilität im Alter oft nach, sodass der Energiebedarf sinkt, aber um Mangelernährung vorzubeugen, muss die Lebensmittelzufuhr nährstoffreich sein. Allgemein gilt: Bei mittlerer Aktivität sollte man 30 Kalorien pro Kilogramm Körpergewicht zu sich nehmen. Aber Achtung: Ein dementer Patient etwa, der den ganzen Tag im Kreis läuft, verrichtet Schwerstarbeit. Er benötigt wesentlich mehr Kalorien. Genau wie Lungenpatienten, die vermehrte Atemarbeit stemmen. Wer krank ist, braucht mehr Kalorien. Aber bitte nicht einseitig.
Was rät die Deutsche Gesellschaft für Ernährung bei der Speisenzusammensetzung?
Die Hälfte der Energiezufuhr sollte aus komplexen Kohlenhydraten bestehen, also etwa aus Kartoffeln und Vollkornprodukten, die es immer saisonal und preisgünstig gibt. 15 bis 20 Prozent der Gesamtenergie sollte Eiweiß ausmachen. Dabei muss es nicht immer der fetthaltige Wildlachs sein. Auch Haferflocken, Kürbiskern-Toppings oder Nüsse eignen sich. Fette wiederum sollten etwa 30 Prozent der Energiezufuhr ausmachen, allerdings sollte es sich dabei um „gute“ Fette handeln.
Was sind gute, was schlechte Fette?
Ungesättigte Fettsäuren sind grundsätzlich die gesunden. Sie befinden sich in pflanzlichen Stoffen wie Olivenöl, Avocado, Haselnüssen, Geflügelfleisch und Fisch. Wer Fisch absolut nicht mag, kann auch Chia-Samen, die schon die Inkas nutzten, essen, allerdings mit genügend Flüssigkeitszufuhr, da die Körner quellen. Und auch Fischkapseln sind als Nahrungsergänzungsmittel ausnahmsweise nicht verpönt. Ungesättigte Fettsäuren sind günstig bei Entzündungen und Infektionen. Sie helfen zudem, die Cholesterinverhältnisse im Körper günstig zu verschieben. Transfette dagegen, also gesättigte Fettsäuren, erhöhen das Risiko von Herzkreislauferkrankungen. Sie sind vorwiegend in industriell verarbeiteten Lebensmitteln wie Tiefkühlpizza, Chips, Donuts oder Krapfen enthalten.
Und die Quintessenz daraus? Empfehlenswert ist eine gesunde Mischkost. Fast Food sollte man unbedingt meiden und bei sogenanntem Superfood, also Goji-Beeren, Ouinoa- oder Chia-Samen und Matscha-Tee, vorsichtig sein. Chinesischer Tee etwa kann schadstoffbelastet sein, Samen quellen leicht auf und führen bei zu wenig Flüssigkeit zur Verstopfung. Heimisches Superfood wie eisenhaltiger Wirsing oder vitaminreiche und magenschonende Heidelbeeren sind ein guter Ersatz. Und wer sich vegetarisch oder vegan ernähren möchte, muss sich der Risiken einer drohenden Mangelernährung bewusst sein.
Was kann ich tun, wenn ältere Angehörige Mangelerscheinungen aufweisen? Es kann helfen, ein Ernährungstagebuch zu führen und die Essgewohnheiten zu beobachten. Wenn der Teller ständig halb voll stehen bleibt und der Verdacht der Mangelernährung besteht, kann im St.-Elisabeth-Krankenhaus eine Mikroanalyse mit Bluttests gemacht werden. Auch eine Situationsanalyse zu Hause kann Aufschluss bringen: Ist der Tisch zu hoch? Hindert eine Gangunsicherheit daran, zum Kühlschrank zu gehen? Ist dieser generell gut erreichbar? Sind die Zähne in Ordnung? Oft kann man sich durch einen Einkaufsservice in der Nachbarschaft oder mit Essen auf Rädern behelfen. Es gilt kreativ zu werden.
Wie wird man also 100 Jahre alt? Laut Studien sind Bevölkerungsgruppen wie die Okinawa Japaner häufig Pescetarier. Das heißt, sie ernähren sich vegetarisch mit einigen wenigen Fischmahlzeiten (60 bis 80 Gramm pro Tag). Viele von ihnen werden 100 Jahre alt.