Rund 400 Menschen waren am Donnerstagabend in die Matthäus-Kirche in Wulfen gekommen. Dort wollten Stadt und Bezirksregierung die Anwohner zu den Plänen für eine neue Zentrale Unterbringungseinrichtung für Flüchtlinge informieren.
Dabei kochten während der dreieinhalbstündigen Veranstaltung die Emotionen bei vielen Besuchern hoch. „Ich bin stinksauer auf Sie“, rief etwa ein Wulfener in Richtung Tobias Stockhoff. Immer wieder äußerte der Bürgermeister Verständnis: „Niemand möchte so eine Einrichtung vor seiner Haustür haben.“ Angesichts ständiger Zwischenrufe und -schreie wies Stockhoff zwischenzeitlich aber auch darauf hin, dass er das Hausrecht ausüben könne. Er habe die Anwohner als erste informieren wollen und man nehme alle Sorgen und Ängste auf. „Ich lasse mich hier nicht verbal vermöbeln, weil mir das Freude macht.“

Regierungsvizepräsident Ansgar Scheipers sowie Dezernentin Kristin lütke Zutelgte stellten die Pläne vor. Geplant ist auf der Fläche westlich des Gewerbegebiets Dimker Heide eine ZUE in Container-Bauweise für 350 Menschen plus einem Puffer („Stand-by“) von 50 Menschen. Diese soll, wenn die Politik zustimmt, ab etwa der zweiten Jahreshälfte 2025 für 10 Jahre in Betrieb gehen. Und danach wieder abgebaut werden. Auch wenn einige Kommentatoren das aufgrund vieler Krisenherde auf der Welt bezweifelten.
In der Unterkunft werden die Geflüchteten auf die Bearbeitung ihres Asylantrags warten. Laut lütke Zutelgte sei man verpflichtet, „ein ausgewogenes Verhältnis zu schaffen“. Demnach sollten in dieser Einrichtung nie mehr als 60 Prozent der Menschen alleinreisende Männer sein - ansonsten Frauen mit Kindern oder Familien.
Sicherheitsdienst
Ein Sicherheitsdienst soll 24 Stunden am Tag in der Einrichtung sein. Zudem sollen soziale Betreuungsdienste Tagesangebote wie Deutschkurse, Informationsangebote zum Leben in Deutschland oder auch Kinderbetreuung und „schulnahe“ Angebote machen. Rund 30 bis 40 Personen könnten am Ende in der Einrichtung arbeiten, so lütke Zutelgte.
Die Flüchtlinge werden dabei, obwohl das Land die Einrichtung finanziert, Dorsten angerechnet. Das bedeutet laut Stockhoff, dass die Stadt für diese keine Kita- oder Schulplätze bereithalten muss, keine Häuser bauen oder Wohnungen anmieten muss.
Befürchtungen der Anwohner
Die Sicherheitsfrage wurde von besorgten Anwohnern am häufigsten angesprochen. Insbesondere auf die 60 Prozent alleinreisenden Männer hoben viele Kommentare ab. Wenn diese zwei Jahre auf engstem Raum lebten, „werden sie sich auf Entdeckungsreise begeben“, so ein Wulfener: „Ich fühle mich unsicher.“ Frauen und Kinder könnten nicht mehr gefahrlos alleine durch die Wälder Wulfens spazieren oder joggen, so eine weitere Befürchtung.
Ein weiterer Besucher sagte in Richtung Stockhoff: „Ich kann persönlich für Sie nur hoffen, dass sie nicht irgendwann einer Familie herzliches Beileid sagen müssen.“ Bei Facebook wurde gefragt, ob der Bürgermeister einer ZUE in Wulfen auch zustimmen würde, wenn er noch in Wulfen leben würde. Stockhoff kündigte während der Anwohnerinformation an, dass er mit seiner Familie nach Wulfen zurückziehen werden und seine Frau ein Kind erwarte.
Deutlich unterschied Stockhoff zwischen der Notunterkunft im Marienviertel, wo es zu mehr Problemen gekommen sei, und der ZUE an der Marler Straße, wo es direkt angrenzend zwei Kindergärten gebe. Auf den Hinweis einiger Kommentatoren, dass Schule und Kindergärten nur wenige hundert Meter in Wulfen von der geplanten Unterkunft entfernt lägen, sagte Frank Fiege, Chef der Polizeiwache Dorsten, dass es auch jetzt schon Kriminalität in Wulfen gebe. Angesichts der Erfahrungen mit der ZUE an der Marler Straße „haben keine Bauchschmerzen damit, unabhängig vom Standort, eine weitere ZUE im Stadtgebiet Dorsten zu haben“.
Standort
Immer wieder wurde von Kommentatoren auch die Standortfrage gestellt: Wäre die ZUE anderswo nicht besser aufgehoben. Stockhoff sagte, dass man seit Monaten Standorte überprüfe und dieser die höchste Realisierungswahrscheinlichkeit habe. Eine Fläche neben Levi’s neuem Distributionszentrum sei nicht verfügbar, eine Unterbringung der Flüchtlinge im Munitionsdepot rechtlich nicht möglich. Immer wieder fragte Stockhoff, ob die Fragesteller alternative Flächen nennen könnten - man werde diese gern prüfen.
Stockhoff zählte auch die Stadtteile auf, die bereits Flüchtlinge aufgenommen haben. Angesichts der Integrationsleistung, die Barkenberg in den vergangenen Jahrzehnten bewiesen habe, sei die Verwaltung zum Schluss gekommen, dass man dort keine zusätzliche ZUE errichten wolle.
Wertverfall und Lärm
Allein mit der Ankündigung der ZUE sei „unfassbares Kapital vernichtet worden“, spielte ein Wulfener auf den Wertverfall von Immobilien angesichts einer benachbarten ZUE an. Befürchtet wurde von einer Anwohnerin zudem eine Lärmbelästigung, da die Menschen dort einen anderen Lebensrhythmus hätten. Stockhoff verwies auf die Erfahrungen an der Bismarckstraße, wo nach Beschwerden von Anwohnern etwa quietschende Türen abgestellt worden seien oder auch vom Sicherheitsdienst dafür gesorgt worden sei, dass die Bewohner ab 22 Uhr leise seien. Ansonsten können man diesen beispielsweise das Taschengeld kürzen.
Dass bislang Wege an der geplanten ZUE nicht beleuchtet seien, könne man abstellen. Bislang dienten diese zur Anbindung des Gewerbegebiets - wodurch andere Standards gelten würden. Mit einer ZUE würden sich die Voraussetzungen ändern.
Zur ZUE sollen nun die Politiker in den Ausschüssen beraten. Am 19. Juni könnte der Rat dazu eine Entscheidung treffen. Immer wieder betonte Stockhoff, dass man gesetzlich verpflichtet sei, Flüchtlinge aufzunehmen. „Glauben Sie uns: Wir machen uns das nicht leicht.“