
© Guido Bludau (A)
Zinswette? AfD fordert kurzfristige Sondersitzung in Dorsten
Kommunalpolitik
Wegen einer vermeintlichen „Zinswette“ der Stadt Dorsten hat die AfD kurzfristig eine Sondersitzung des Dorstener Stadtrates gefordert. Ihr Wunsch wird aber nur zum Teil erfüllt.
Die Sitzung am 12. Mai im Gemeinschaftshaus Wulfen hat nur einen Tagesordnungspunkt. Es geht um einen Vertrag zwischen der Stadt Dorsten und der damaligen WestLB, abgeschlossen im Februar 2009. Dieses sogenannte „Swap-Geschäft“ haben vereinzelte Kritiker in der Vergangenheit als „Zinswette“ bezeichnet, als „rechtswidriges Spekulationsgeschäft“.
AfD hat Akteneinsicht genommen
Die AfD fordert nun Aufklärung, nachdem Fraktionsvorsitzender Heribert Leineweber im April Akteneinsicht genommen hat. Doch nicht der Stadtrat, sondern der Haupt- und Finanzausschuss (HFA) wird sich nächste Woche mit dem Thema befassen.
Denn wegen der Corona-Pandemie sind die Aufgaben des Rates vorübergehend an den HFA delegiert worden. Und dabei soll es zunächst auch bleiben, hat sich die Mehrheit der Ratsmitglieder nach einer schriftlichen Umfrage festgelegt, teilte Bürgermeister Tobias Stockhoff auf Anfrage mit.
Stadt wollte sich günstigen Zins sichern
Das umstrittene Derivatgeschäft mit dem Namen „Forward Zahlerswap“ hatte die Stadt vor zwölf Jahren abgeschlossen. Es geht um ein Volumen von 25 Millionen Euro und eine Laufzeit von 20 Jahren - ab 2033. Die Stadt wollte sich damals einen vergleichsweise günstigen Zins sichern, inzwischen liegt er aber wesentlich niedriger.
Bislang hat die Stadt noch kein Geld verloren, weil der Vertrag noch nicht in Kraft getreten ist, sondern sie weist lediglich einen „bilanziellen Verlust“ aus, also ein Minus „auf dem Papier“. Ende des letzten Jahres lag es im zweistelligen Millionenbereich, derzeit knapp im einstelligen. „Daran erkennt man, wie schnell sich die Situation ändern kann“, sagte der Bürgermeister kürzlich.
Die komplizierte Materie ist für ehrenamtliche Politiker und Nicht-Finanzfachleute womöglich nur schwer zu durchschauen. Berthold John aus Rhade, bis 2008 Prüfer beim Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsführung, teilt aber grundsätzlich die Bedenken der AfD. „Selbst ich habe erhebliche Schwierigkeiten, diverse Zusammenhänge in der Darstellung der Rathaus-Finanztransaktionen zu erkennen, nachzuvollziehen und zu verstehen“, schrieb er kürzlich. „Ich frage mich auch, ohne irgendwelche Überheblichkeit, wie unsere Ratsmitglieder mit der aufgezeigten Thematik umgegangen sind bzw. aktuell noch umgehen.“
Verantwortlich waren damals andere
Tobias Stockhoff war 2009 noch nicht Bürgermeister (sondern Lambert Lütkenhorst), Hubert Große-Ruiken noch nicht Kämmerer (sondern Wolfgang Quallo). Bernd Schwane (CDU) und Friedhelm Fragemann (SPD) waren aber auch damals schon Vorsitzende ihrer Ratsfraktionen. Sie betonten in der März-Sitzung des HFA: „Es stand immer ein Kredit hinter diesem Vertrag.“
Dann wäre wohl tatsächlich alles rechtens gewesen und eben keine „Zinswette“. Bislang hat noch keine Finanzaufsicht das damalige Vorgehen infrage gestellt.
Veränderungen gab es immer, doch nie waren sie so gravierend. Und nie so spannend. Die Digitalisierung ist für mich auch eine Chance. Meine journalistischen Grundsätze gelten weiterhin, mein Bauchgefühl bleibt wichtig, aber ich weiß nun, ob es mich nicht trügt. Das sagen mir Datenanalysten. Ich berichte also über das, was Menschen wirklich bewegt.
