Zwei Tage später ins Krankenhaus, und Sophia (4) wäre tot gewesen

© Zobiegala

Zwei Tage später ins Krankenhaus, und Sophia (4) wäre tot gewesen

rnBlutkrebs

Sophia ist heute 15 Jahre alt. Beinahe wäre sie nicht einmal 5 Jahre alt geworden. Wären ihre Eltern zwei Tage später ins Krankenhaus gefahren, hätte sie ihre Krankheit nicht überlebt.

Castrop-Rauxel

, 24.12.2019, 04:55 Uhr / Lesedauer: 4 min

Eigentlich sollte es ein ruhiger Weihnachtsurlaub bei den Eltern und der Schwester von Alexandra Zobiegala in Bayern werden. Am 2. Januar 2009 aber änderte sich alles im Leben Familie Zobiegala aus Castrop-Rauxel.

„Unsere Tochter Sophia war schon länger blass und kränkelnd. Aber das ist ja bei einer Vierjährigen, die im Kindergarten ist, nicht so ungewöhnlich“, erinnert sich Mutter Alexandra heute, elf Jahre danach.

Auch der Kinderarzt zu Hause in Castrop-Rauxel, der HNO und die Ärzte im Krankenhaus in Datteln, bei denen die Zobiegalas waren, hatten keinen Alarm geschlagen. Was Alexandra Zobiegala sogar versteht: „Wer nimmt bei einem kleinen Kind schon direkt ein Blutbild?“ Das tat an diesem Schicksalstag ein Kinderarzt in Bayern - mit erschreckendem Ergebnis.

Mit dem Krankenwagen sofort in die Uniklinik

„Da unten ist das Atomkraftwerk Isar ganz in der Nähe. Der Arzt untersucht die Kinder darum genau. Er hat sofort ein Blutbild bei Sophia machen lassen“, so die dreifache Mutter. Der Arzt schickte sie nach Landshut ins Krankenhaus. „Und dann saßen wir auch schon direkt im Krankenwagen nach München zur Uniklinik.“

Die sollte für die nächsten sechs Wochen die Heimat auf Zeit für Sophia und ihre Mutter werden. Denn die Diagnose, die die Ärzte stellten, war so erschreckend wie eindeutig: akute Leukämie. Wären die Zobiegalas zwei Tage später in die Klinik gekommen, hätte Sophia wohl nicht überlebt - so lautete die Diagnose vor Ort.

All das ist jetzt elf Jahre her. Aber Alexandra Zobiegala erzählt die Geschichte, als wäre sie gestern passiert. Die Einzelheiten scheinen sich unwiderruflich in ihr Gedächtnis, in ihr Herz eingebrannt zu haben. Nur zu verständlich. Denn wer könnte die Nachricht, dass das eigene Kind ein Todeskandidat ist, ohne tiefste Beeinträchtigung verkraften?

Sophia sagte: „Mein Herz tut mir weh“

„Wir hatten damit ja gar nicht gerechnet. Es hatte sich nichts abgezeichnet“, sagt die Mutter heute. Richtig aufmerksam wurde sie am Silvestertag 2008. „Da kam Sophia zu mir und beklagte sich, dass ihr Herz weh tue. Und das mit vier Jahren.“ Da schrillten die Alarmglocken. Am 1. Januar schlief Sophia fast den gesamten Tag. Am 2. Januar ging es zum Arzt.

„Kein Wunder, dass sie so viel geschlafen hat“, weiß Alexandra Zobiegala heute, „denn da hatte Sophia quasi keine roten Blutkörperchen mehr. Der Hämoglobinwert lag am 2. Januar bei gerade einmal 3,6.“ Zur Einordnung: Bei gesunden Erwachsenen liegt der Wert je nach Geschlecht zwischen 12 und 18.

Die nächsten Wochen, Monate, zwei Jahre waren hart für die Familie, zu der noch Vater Christoph und die beiden älteren Brüder Thomas und Max gehören. Christoph Zobiegala ist in Castrop-Rauxel als Schachspieler beim SK Sodingen Castrop 24/23 bekannt.

Viele Behandlungen, viele Untersuchungen. In der Zeit ging es Sophia nicht gut. Sie hatte Lungenentzündungen, war oft schlapp. Aber sie überlebte die Diagnose, die für viele Menschen ein Todesurteil ist. Bis heute.

Heute hat die ASG-Schülerin ein Leben wie andere Teenies

Inzwischen ist Sophia 15 Jahre alt, besucht das Adalbert-Stifter-Gymnasium, lebt ein Leben wie viele Teenager. Im Moment ist sie im Austauschjahr. Weit weg. Um genau zu sein gut 10.000 Kilometer. Eigentlich wollte Sophia gern in den französischsprachigen Teil von Kanada zum Austausch. Aber das wäre für die Eltern unbezahlbar gewesen: Es hätte fast 17.000 Euro gekostet.

Zur Wahl standen noch Costa Rica und Ecuador, denn es sollte dann ein spanischsprachiges Land werden. „Costa Rica schien uns zu gefährlich, also Ecuador“, erzählt die Mutter, die einst für die polnische Hockey-Nationalmannschaft auflief.

Die große Reise startete für Sophia am 21. August. Zu Hause ist sie derzeit in Cuenca. Die Stadt mit rund 330.000 Einwohnern liegt südlich der Hauptstadt Quito in einem Hochlandbecken der Anden in gut 2500 Metern Höhe.

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Und hier fühlt sich Sophia nicht nur pudelwohl, sondern hat in Isabell in ihrer neuen Schule auch sofort eine gute Freundin gefunden. „Wir haben aus auf Anhieb verstanden, zu Anfang ohne viele Worte, da mein Spanisch nicht besonders gut war“, schreibt Sophia in einer Mail an unsere Redaktion.

Neue Freundin Isabell engagiert sich für krebskranke Kinder

Und mit dieser Isabell hat sie dann auch eine Erfahrung gemacht, die sie sehr beeindruckt hat: Isabell engagiert sich im Krankenhaus von Cuenca auf der Station für krebskranke Kinder. Über Isabell ist auch Sophia auf die Station gekommen.

Beim ersten Besuch habe sie ein „beklemmendes Gefühl beschlichen“, schreibt sie. Bei ihrer Vergangenheit mit der tückischen Krankheit kein Wunder. Sie schreibt dazu:

„Da ich selbst betroffen war und weiß, wie hart und trostlos die Zeit während der Therapie war, möchte ich den Kindern so gut ich kann helfen, zu vergessen, wie schlimm ihre Erkrankung ist. Sie freuen sich über jedes noch so kleine Geschenk, über die mit ihnen verbrachte Zeit mit Spiel und Spaß. Ganz besonders spaßig finden sie mein holpriges Spanisch.

Es freut mich, sie lachen zu sehen, denn oft ist mir zum Heulen zumute, wenn man feststellt, dass ein Bett, das gestern noch besetzt war, plötzlich leer ist. Da wird einem besonders bewusst, wie privilegiert man in Deutschland ist, eine so gute medizinische Versorgung zu haben.“

Sophia Zobiegala (r.) mit ihrer ecuadorianischen Freundin Isabell auf der Kinderkrebsstation des Krankenhauses in Cuenca.

Sophia Zobiegala (r.) mit ihrer ecuadorianischen Freundin Isabell auf der Kinderkrebsstation des Krankenhauses in Cuenca. © Zobiegala

Deshalb möchte sie den Kindern auf der Krebsstation nicht nur ihre Zeit schenken, sondern auch kleine Geschenke machen. Dazu sammelt Sophia gerade Geld. Und das tut auch ihre Mutter Alexandra.

Spendenaktion in Castrop-Rauxel

In einigen Läden in Castrop-Rauxel, darunter in der Geschäftsstelle der Ruhr Nachrichten, hat sie Spendendosen aufgestellt. Das Geld will sie auf Sophias Konto überweisen, damit die in Ecuador Kleinigkeiten für die kranken Kinder kaufen kann.

Auch auf Sophias Konto kann man auch direkt eine Spende überweisen. „Wir werden belegen, was Sophia damit macht, das ist versprochen“, erklärt ihre Mutter.

Spenden

  • Wer helfen möchte, um Sophias Engagement in Ecuador zu unterstützen, kann Geld spenden auf das Konto
  • Sophia Zobiegala, IBAN DE04 3002 0900 3298 2142 76, Targo Bank, BIC CMCIDEDDXX

Als Sophia damals, im Januar 2009, in der Uniklinik München lag, war ihr ältester Bruder Max auch gerade im Austauschjahr. In Amerika. „Max hätte für einen Besuch bei seiner kleinen Schwester zurück kommen können, die Austauschorganisation hätte damals sogar den Flug bezahlt“, erinnert sich Alexandra Zobiegala. „Aber wir haben uns dagegen entschieden, weil das für beide Kinder unter Umständen noch viel schwerer geworden wäre, dann wieder Abschied nehmen zu müssen.“

Der Tag, an dem Max wiederkommen würde, wurde für Sophia dann aber zum Fixpunkt. „Sie hat sich so auf diesen 27. Juni gefreut, das war so wichtig für sie“, so ihre Mutter.

Max ist heute 27 Jahre alt und studiert in München Medizin. „Ich weiß nicht, ob das auch an Sophias Geschichte liegt“, sagt Alexandra Zobiegala dazu.

Ist die Krankheit endgültig besiegt?

Macht man sich als Mutter bei einem Kind mit dieser Geschichte noch mehr Sorgen, wenn es in die Welt hinaus fliegt? Die Gedanken seien schon viel bei Sophia, gesteht ihre Mutter. Denn Sophia war zuletzt in Ecuador auch etwas kränklich. „Wir haben sie dann zum Arzt geschickt, der ein Blutbild gemacht hat. Das war top, sogar besser als die Werte, die sie zuletzt zu Hause hatte.“

Das war eine Beruhigung. Wahrscheinlich liege Sophias Zustand an der Umgewöhnung an das andere Klima, an die ungewohnte Höhe in dem Andenstaat, so die Annahme.

Aber kann man hinter die Leukämie bei Sophia jetzt einen Haken machen? Oder ist die Krankheit noch nicht besiegt? „Man sagt, dass nach zehn Jahren die kritische Phase vorbei sei“, sagt Alexandra Zobiegala. Sophia müsse noch jedes Jahr zu einer Routineuntersuchung. Mman wisse auch nicht, ob die Krankheit Langzeitschäden hinterlassen habe.

Aber die Hoffnung und der Glaube, dass Sophia die Leukämie besiegt hat, ist groß. Und Sophia hat viele Träume...

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