Die Liste der Gebietsänderungen, die 1975 im Rahmen der kommunalen Neugliederung von Nordrhein-Westfalen erfolgten, ist lang. Zwei der prominentesten Beispiele sind die Zusammenschlüsse von Bochum und Wattenscheid oder Herne und Wanne-Eickel. Vor 50 Jahren, am 1. Januar 1975, wurde die Gemeinde Henrichenburg in die Stadt Castrop-Rauxel eingegliedert, die sich wiederum dem Kreis Recklinghausen anschloss.
Henrichenburg war vormals eine Gemeinde im Amt Waltrop. Und so war es keine „Liebesheirat“, die Henrichenburg zu Castrop-Rauxel brachte. „Wir wollten nicht über die Emscher“, erinnert sich Josef Berkel. „Was hatten wir denn in Castrop-Rauxel zu suchen?“ Zu Waltrop wären schließlich alle Verbindungen vorhanden gewesen. Doch das am 8. Mai 1974 im Landtag beschlossene Ruhrgebiet-Gesetz hatte andere Pläne für Henrichenburg. Die kommunale Gebietsreform in NRW schaffte die Ämter als Institution vollständig ab. Ziel war es, überkommene Gemeindestrukturen zu modernisieren.

„Henrichenburg und Castrop-Rauxel, das war wie Feuer und Wasser“, sagt Berkel. „Teilweise ist das heute noch so.“ Der nun nördlichste Stadtteil sei schon immer ein wenig anders gewesen als das übrige Stadtgebiet. Und eine gewisse Eigenwilligkeit habe Henrichenburg auch häufiger zum Vorteil gereicht. „Wir hatten hier zum Glück Investoren, die hier vernünftige Sachen reingebracht haben und sich dabei auch gegen andere Meinungen durchgesetzt haben“, so Berkel. Ein Beispiel sei der Supermarkt mit Seniorenwohnungen darüber neben der Kirche St. Lambertus. Übrigens: Auf dem Gelände, früher mal die Pastoratswiese, schlängelte sich einst der natürliche Verlauf der Emscher, bevor der Fluss ab 1904 begradigt wurde.
Enge Bindung nach Waltrop
„Henrichenburg ist ein Ort, an dem man gut Leben kann“, erklärt Berkel. „Mit seinen bärenstarken Vereinen kann man hier viel auf die Beine stellen.“ Schützenfest, Gemeindefußballfest und Weihnachtsbasar seien dann nur ein paar Beispiele. Solche Netzwerke brauche es, damit sich ein Stadtteil entwickeln kann. „Marc Frese (Vorsitzender des Vereins Mein Ickern; Anm.d.Red.) hat so etwas für Ickern geschaffen“, so Berkel. „Aber nicht jeder Stadtteil hat so etwas.“
Die einstige Verbindung zwischen Henrichenburg und Waltrop ist immer noch zu spüren. Vor allem beim Schützenfest, wenn sich alle zwei Jahre der komplette Ortsteil in grün-weiß hüllt. Der Allgemeine Bürgerschützenverein (ABSV) Henrichenburg von 1747 wurde 1969 wiedergegründet. Seit jeher orientiert man sich dort Richtung Waltrop, was Schützenfest und Ausmärsche angeht. Das liegt einerseits an der ehemaligen Zugehörigkeit zum Amt Waltrop. Horneburg, einst ebenfalls Waltrop zugeordnet, ging 1975 an die Stadt Datteln.

Zum anderen waren und sind die Henrichenburger stets im regen Austausch mit den Vereinen aus und rund um Waltrop. „Da misst sich Stärke mit Stärke“, erklärt der ABSV-Ehrenvorsitzende Werner Wiesmann. Mit 413 Mitgliedern ist der ABSV der mit Abstand größte Schützenverein in Castrop-Rauxel. Vereine mit ähnlich hohen Mitgliederzahlen finden sich ausschließlich jenseits der Stadtgrenze.
Neue Heimat in Henrichenburg
Aber auch beruflich sind die Verknüpfungen gewachsen. „Karl-Heinz Winkelmann (Gründungsvorsitzender des ABSV; Anm.d.Red) hat beim Bauunternehmen Heitfeld in Waltrop gearbeitet“, so Wiesmann. Auch die ländlich-bäuerliche Prägung verbinde Henrichenburg mit Waltrop. Doch auch zur Schützengilde Habinghorst pflegt der ABSV regen Kontakt.

Über Generationen hinweg war die Emscher die Grenze zwischen Henrichenburg und Castrop-Rauxel. Sebastian Mokruss ist 38 Jahre alt. Er kennt es also gar nicht anders: Henrichenburg zählt zur Europastadt. Als der Castrop-Rauxeler 2012 mit seiner Freundin die erste gemeinsame Wohnung suchte, wollte er unbedingt nach Henrichenburg. Beim TuS Henrichenburg hatte er zuvor seine fußballerische Heimat gefunden.
Eine Anekdote ist ihm besonders im Gedächtnis geblieben. Als im selben Jahr das CAS-Kennzeichen zurückkam, war Mokruss sofort begeistert. „Gemeinsam mit einem Bekannten wollte ich direkt nach zum Straßenverkehrsamt nach Marl und ein CAS-Kennzeichen besorgen“, schildert er schmunzelnd. „Aber augenzwinkernd wurde uns in Henrichenburg gesagt, dass das nicht ginge, weil wir dann ja schließlich gleich als Zugezogene zu erkennen wären.“ Er schätzt an Henrichenburg, dass man einander kennt im nördlichsten Ortsteil von Castrop-Rauxel.