Der Bau des Jahres in Castrop-Rauxel Architektonisches Meisterwerk wird gefeiert und kritisiert

Der Bau des Jahres: Ein architektonisches Meisterwerk wird gefeiert
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Man wollte theoretisch schon ein Jahr früher fertig sein. Doch wie das bei Bauprojekten, zumal besonderen Bauten, in Deutschland oft so ist: Es wurde der 30. September 2024, als diese Brücke in den Betrieb genommen wurde. Und es ist mehr als eine Brücke: Der „Sprung über die Emscher“, eine Zügelgurtbrücke für den Rad- und Fußgänger-Verkehr in einer Art Doppel-S-Form, ist die schönste und imposanteste Brücke entlang des Rhein-Herne-Kanals und der Emscher.

Als Landrat, Bürgermeister und Chefs der Emschergenossenschaft an jenem verregneten Eröffnungstag mit E-Kettcars über die Brücke fuhren und salbungsvollen Worten von Klara Geywitz, Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen lauschten, war die Freude immens. Ein neues Wahrzeichen für Castrop-Rauxel war geschaffen. Ein neuer Teil der Skyline geboren. Er reiht sich nun neben Rathaus-Komplex, Erin-Turm und -Fördergerüst und Reiterbrunnen ein.

Der Sprung über die Emscher aus der Luft, aufgenommen von Andreas Beier am 5. Oktober.
Der Sprung über die Emscher aus der Luft, aufgenommen von Andreas Beier am 5. Oktober. © Andreas Beier

Der „Sprung über die Emscher“ ist nicht nur eine Brücke, sondern ein Zeichen des ökologischen und strukturellen Wandels. Der im April 2021 gestartete Bau dieser Mega-Konstruktion überspannt Kanal und Fluss, Düker und Abwasserkanal und symbolisiert den Wandel von einer Industrie- zu einer ökologisch nachhaltigen Region.

Entworfen von Schüßler-Plan, DKFS aus London und Smeets Landschaftsarchitekten, verbindet die Brücke als Fußgänger- und Radweg den „Platz der Schichten“ mit dem „Brückenvorplatz West“ und schließ eine Lücke im Emscher-Radweg. In einer imposanten Stahlkonstruktion mit einem elf Meter hohen Pylon und vier stützenden Stahlpfeilern erstreckt sie sich über 412 Meter. Das längste frei hängende Stück über dem Kanal misst 108 Meter.

Sprung über die Emscher national relevant

Sie steht als beeindruckendes Beispiel für moderne Ingenieurkunst und Städtebau und ist ein Teil der Bemühungen, die Region durch strategische Bauprojekte aufzuwerten. Unterstützt durch Förderungen aus dem Bundesprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“, soll das Projekt auch auf nationaler Ebene Anklang finden. Nicht umsonst kamen in den vergangenen zwei Jahren Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz ins Emscherland.

Das Herner Ehepaar Schade übt Rücksicht auf dem Sprung über die Emscher. Aber tun das auch andere?
Das Herner Ehepaar Schade übt Rücksicht auf dem Sprung über die Emscher. Aber tun das auch andere? © Dieter Düwel

In den ersten Tagen hörte man aber auch kritische Worte: Die Breite von 2,50 Meter war sogar Teil eines Fernsehbeitrags im ZDF, der bei „Hallo Deutschland“ lief und in dem einige der ersten Brückenbenutzer zu Wort kamen. Zu eng, zu schmal, sagten viele. Als Rennpiste für E-Bikes sei die Brücke nie ausgelegt gewesen, entgegnete die Emschergenossenschaft. Man erwarte Rücksichtnahme. Dass das schwierig sei, fand auch Martin Kühl-Lukas vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub: Bei Anstieg, Abfahrt und Kurvenführung sei im Mischverkehr diese Breite unzureichend.

Einige Nutzer befürchteten Stress-Situationen und wilde Unfälle. Toi toi toi: Nach drei Monaten ist uns noch kein schwerer Vorfall bekannt. Im Gegenteil: Die Menschen feierten das Bauwerk und posteten Fotos ohne Ende auf Social Media. Über die Gesamtkosten von 12,8 Millionen Euro sprach kaum einer.