
"Was der Junge darstellt, ist absolut selten"
Thomas Bremer über Azubi Saraj Qulizada
Herr Bremer, Sie haben Saraj Qulizada beschäftigt. Warum eigentlich?
Er hat seine Ausbildung bei uns im Betrieb zum Bodenleger begonnen, stimmt. Was der Junge darstellt, ist absolut selten.
Inwiefern?
Er ist sehr bemüht, motiviert, zuvorkommend. Er ist höflich, engagiert. Wir sind total von ihm begeistert. Und es gäbe noch unzählige weitere Dinge, die man über ihn sagen könnte.
Ist das handwerkliche Talent auch darunter?
Er bringt eine gewisse Fertigkeit mit, ja. Saraj arbeitet viel mit den Augen, das heißt, er erarbeitet sich Dinge, indem er sich etwas von unseren Gesellen abschaut. Wenn ein Besen in der Ecke steht, dann lässt er ihn nicht stehen, sondern nimmt ihn in die Hand. Wir sind Raumausstatter, er lernt den Bodenleger. Das erste, was ich tun muss, bevor ich irgendetwas verlege: Ich muss sauber machen. Viele seiner deutschen Kollegen argumentieren dann meinen Erfahrungen nach so: "Fegen muss mir keiner zeigen - das kann ich." Ich weiß nicht, wie viele Jahre es her ist, dass ich so einen Auszubildenden wie Saraj erlebt habe.
Bekommen Sie mit, was Saraj Qulizada neben der Arbeit erlebt?
Ich hoffe, dass er und es so bleibt wie bisher. Sein Umfeld muss sich da vielleicht etwas ändern. Er ist zwar super betreut, aber man muss aufpassen, dass nicht andere aus seiner Altersgruppe so auf ihn zugreifen, dass er abgleitet. Die jungen Leute haben wenig Geld - da ist die Versuchung, sich zum Beispiel mit dem Drogenverkauf oder ähnlichem einen schnellen Euro dazuzuverdienen, groß. Deswegen schaffen es nicht alle jungen Flüchtlinge.
Aber er ist privat sehr gut aufgehoben. Beim THW ist er engagiert. Vielleicht kann er dort bald einen Führerschein erwerben. Wir würden unseren finanziellen Anteil dazugeben - was wir als Unternehmen sonst eigentlich nicht tun. Wenn er den Führerschein hätte, wäre er noch besser einsetzbar für uns.
Können Sie denn für die ganze Ausbildung mit ihm planen?
Grundsätzlich kann bei einer erfolgreichen Ausbildung eine Abschiebung nicht greifen. Nur, wenn der Auszubildende seine Prüfungen nicht besteht. Das Problem haben wir gerade mit einem jungen Mann aus Ghana: Wenn er nicht besteht, muss er mit einer baldigen Abschiebung rechnen. Obwohl er mit seiner Frau und vier Kindern hier ist.
Viele Handwerksfirmen schrecken vor dem Bürokratie-Aufwand und dieser Ungewissheit zurück. Warum machen Sie das mit den Geflüchteten?
Die jungen Flüchtlinge sehen Sachen, die keiner mehr sehen will. Die sehen die Situation um sich und mit sich anders als die jungen Leute in Deutschland. Man kann nicht alle über einen Kamm scheren, aber in der Tendenz ist es so, dass man mit Deutschen aus Ausbilder mehr Probleme hat. Viele haben keinen Bock, sagen, sie bekämen zu wenig Geld, sie sind oft missmutig. Auch Ausbildungen abzubrechen ist für uns äußert schwierig. Wir bekommen die Auszubildenden kaum raus aus den Verträgen. Die sind in Deutschland extrem geschützt.
Und die bürokratischen Hürden bei Flüchtlingen? Hindern die Sie gar nicht?
Klar, Sie müssen zum Beispiel die notwendigen Behördengänge mit einbeziehen und und und. Saraj hat viel Hilfe in Castrop-Rauxel und bekommt dann von uns die Zeit, wenn er sie für Behördliches braucht. Das bringt Saraj aber auch doppelt und dreifach wieder zurück. Es lohnt sich bei diesem jungen Mann wirklich.
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.
