
Der Angeklagte beim Prozessauftakt neben seinem Verteidiger. Der Ex-Niermann-Angestellte hat den Brautpaar-Betrug bereits zugegeben. © Martin von Braunschweig
Hochzeits-Betrug auf Hof Niermann: So erinnert sich ein Bräutigam
Prozess gegen Ex-Serviceleiter
Dutzende Brautpaare wurden vor einem Jahr von dem Ex-Serviceleiter auf dem Waltroper Hof Niermann um Anzahlungen geprellt. Jetzt sprach ein Bräutigam vor Gericht über Wut, Frust und Lokalpatriotismus.
Mit der Zeugenvernehmung eines ersten betroffenen Bräutigams aus Waltrop ist am Bochumer Landgericht der Prozess gegen den mutmaßlichen Hochzeits-Betrüger (35) vom Waltroper Hof Niermann an der Stadtgrenze zu Castrop-Rauxel fortgesetzt worden. Der Zeuge, ein 36-jähriger Beamter aus Waltrop, skizzierte merklich betroffen eine der wohl größten Enttäuschungen seines Lebens – der Angeklagte aus Selm blieb derweil stumm. Worte oder Gesten der Entschuldigung: Fehlanzeige.
„Er hat uns astrein an der Nase herumgeführt. Ich habe es nicht gemerkt“, erinnerte sich der Waltroper vor der 6. Wirtschaftsstrafkammer. Als seine Frau und er im Frühjahr 2020 auf die Suche nach einem geeigneten Hochzeits-Lokal gegangen seien, sei die Wahl im Grunde ganz schnell auf den Hof Niermann gefallen. Kurz danach habe man „das Ding in trockene Tücher gebracht“.
Im Juli 2020 sei der Vertrag unterschrieben worden. Bis zum März 2021 flossen in fünf Teilzahlungen insgesamt 8500 Euro an den Angeklagten. Anlass für die mehrfache Aufstockung der ursprünglichen Anzahlungssumme (2000 Euro) seien vorherige Anrufe des Ex-Serviceleiters gewesen, der dabei über eine (vor allem pandemiebedingt) existenzbedrohliche Misere bei dem Hof geklagt und für die Erhöhung der Anzahlungen am Ende großzügigen Rabatt zusagte. „Wir wollten den Hof unterstützen, denn gerade der ‚Local-Support‘-Gedanke ist bei uns immens groß“, so der Waltroper. Dass er dabei ausgetrickst worden ist, daran habe er selbst nie gedacht.
Auch, dass der Angeklagte die Anzahlungsbeträge mehrmals selbst von ihnen zu Hause in bar abgeholt habe, hatte den Bräutigam nicht stutzig gemacht. „Für uns war auch das plausibel, der Hof war ja wegen Corona geschlossen.“ Mitte Juli 2021 habe er dann von dem Betrugskomplex erfahren, den Angeklagten auch sofort telefonisch damit konfrontiert. Der habe die Verantwortung aber sofort auf die Hof-Inhaber abgewälzt.
Auf eine Hochzeitsfeier hat das Waltroper Paar (standesamtlich ist es bereits verheiratet) bis heute verzichtet. Ein außergerichtliches Klärungsgespräch auf dem Hof Niermann sei „alles andere als angenehm“ abgelaufen, so der Zeuge.
„Das stimmt ja nicht“
Zudem ärgere ihn „als Waltroper Landei“, dass im Ort zuletzt vermehrt zu hören sei, der Hof habe sich mit allen betroffenen Brautpaaren geeinigt: „Das stimmt ja nicht.“ Die Angelegenheit habe einen „ganz schönen Knacks“ hinterlassen, dennoch blickt der Bräutigam nach vorne: „Die große Feier, die wir uns so gewünscht haben, werden wir sicherlich noch feiern.“
Der Angeklagte (U-Haft) hat bereits zugegeben, mehr als 60 Brautpaare um Anzahlungen in Höhe von fast 230.000 Euro geprellt zu haben und sich dabei auf eine Spielsucht berufen.