
Der Angeklagte wird von Peter Budde aus Dortmund verteidigt. © Martin von Braunschweig
65 Brautpaare am Hof Niermann um 227.000 Euro betrogen: Angeklagter (34) vom „Fieber gepackt“
Landgericht Bochum
Der Skandal um betrogene Brautpaare am Hof Niermann ist jetzt ein Fall für die Bochumer Strafjustiz. Am Landgericht hat der Betrugsprozess begonnen - mit einer langen Vorlesestunde.
Am Bochumer Landgericht hat der Prozess gegen einen 34-jährigen Familienvater begonnen, der am Hof Niermann an der Stadtgrenze zu Castrop-Rauxel 65 Brautpaare betrogen haben soll.
Der Angeklagte hatte dabei zunächst nur Augen für seine Familie im Zuschauerbereich. Seine Frau hatte sogar die gerade geborene Tochter des Paares mitgebracht. Erst eine Ermahnung durch den Vorsitzenden Richter Michael Rehaag („Ab sofort spielt die Musik hier vorne“) ließ den Mann dann doch aufmerksam werden.
65 Brautpaare auf Hof Niermann geschädigt
Die Staatsanwaltschaft wirft dem 34-Jährigen, der zuletzt in Selm gewohnt hat, vor, Termine für Hochzeitsfeiern in den Jahren 2020 und 2021 stellenweise doppelt vergeben zu haben. Dann soll er von allen interessierten Paaren hohe Anzahlungen kassiert haben, um damit seine Sucht nach Sportwetten zu finanzieren.
Den Gesamtschaden beziffert die Staatsanwaltschaft auf rund 227.000 Euro. Aufgeflogen war der Skandal nur deshalb so spät, weil in den Corona-Sommern oftmals Termine abgesagt oder verschoben werden mussten.
Gleich nach der Verlesung der Anklageschrift gab der 34-Jährige an, sich selbst zu den Vorwürfen äußern zu wollen. Und weil er dabei nichts vergessen wollte, habe er zuletzt in der Untersuchungshaft etwas aufgeschrieben, das er gerne verlesen wolle, sagte er.
Angeklagter hat schon früh gewettet
Auf 16 handverfassten Seiten hatte sich der Mann seine Vergangenheit von der Seele geschrieben. „Ich habe meine erste Wette abgeschlossen, als ich 16 Jahre alt war“, sagte er. „Danach hatte mich das Fieber gepackt.“
Schon früh sei er deshalb straffällig geworden, habe Geld gestohlen, Geld veruntreut und fast alle Menschen in seinem Umfeld belogen. Als ihm dann schließlich auf eine Bewerbung als Kellner gleich die Serviceleitung im Hof Niermann angeboten worden sei, sei er glücklich gewesen. „So viel Geld hatte ich noch nie verdient.“
Zeugen kommen später
Dummerweise führte ihn sein täglicher Arbeitsweg aber direkt an einem Sportwetten-Büro vorbei. Er habe daher oft vor der Schicht gewettet und während der Arbeit die entsprechenden Fußballspiele auf dem Smartphone verfolgt.
Die betrogenen Brautpaare sollen erst an den folgenden Verhandlungstagen als Zeugen vernommen worden. Für sie hatte der Angeklagte in seiner Erklärung schon warme Worte parat. „Ich hoffe, dass sie den schönsten Tag ihres Lebens dennoch irgendwie genießen konnten“, sagte er. Was er getan habe, tue ihm „von Herzen leid“.
Hoffnungen, das Geld zurückzubekommen, machte der Angeklagte den Paaren jedoch nicht. „Das wird fast unmöglich sein“, sagte er vor Gericht.