Wenn Handwerksmeister Andy Mess freitags in seinem Betrieb in Castrop-Rauxel arbeitet, haben seine Mitarbeitenden frei. 40 Stunden die Woche bezahlt er ihnen, doch sie arbeiten nur 32. Klingt unfair? Im Gegenteil. Andy Mess ist mehr als zufrieden damit: „Es gibt keinen Grund, das zu ändern.“
Anfang Januar 2022 ging das Unternehmen „Andy Mess S-H-K Meisterbetrieb“ an den Start und verbaut seitdem Heizungen, Bäder oder Haus- und Klimatechnik. Von Anfang an setzte Andy Mess auf eine Vier- statt eine Fünf-Tage-Woche bei seinen Mitarbeitenden – bei vollem Lohn. Durch viele Jahre Berufserfahrung wisse er ganz genau, wie viel an einem normalen Freitag im Handwerk getan werde. Da könne er den Tag auch seinen Mitarbeitern und deren Familien schenken und die kommen im Gegenzug an der restlichen vier Werktagen gut gelaunt und motiviert zur Arbeit. „Mitarbeiter, die zufrieden sind, liefern eine bessere Arbeit ab“, sagt er. Den freien Freitag würden sie ihm mit Engagement und Qualität zurückzahlen.
Motivation und gute Laune
„Anfangs haben wir noch gesagt, dass die Zahlen nicht leiden dürften“, erklärt der Handwerksmeister. Das sei aber zu keinem Zeitpunkt so gewesen: Was Finanzen und Produktivität angeht, müsse er trotz eines Tages weniger Arbeit keine Abstriche machen. „Jeder kennt das doch, wenn der Feiertag auf einen Freitag fällt, ist die Stimmung bei der Arbeit doch gleich viel besser“, sagt Andy Mess. So sei es bei ihm jede Woche: „Niemand kommt hier am Montag mit schlechter Laune zur Arbeit.“
Neben zwei Monteuren und einem Bauhelfer arbeitet auch Andy Mess‘ Frau Corinne bei dem Betrieb im Büro. Sie bleibt freitags ebenfalls zu Hause, anstatt zu arbeiten: „Ich kann ausschlafen, den Tag für alltägliche Sachen nutzen und ihn mit der Familie verbringen.“ So sei das eigentliche Wochenende deutlich entspannter. Andere nutzen das regelmäßig verlängerte Wochenende auch für Kurzurlaube. „Niemand soll das Familienleben hinter den Job anstellen müssen“, sagt Andy Mess. Beides unter einen Hut zu bekommen, sei nicht einfach, das wisse er als vierfacher Vater nur zu gut.
Kunden haben Verständnis
Durch den einen Tag mehr Erholung pro Woche sei die Zahl der Krankheitstage im Betrieb sehr gering. „Der Obermonteur ist heute zum ersten Mal einen Tag krank“, sagt Andy Mess. Er habe ihn förmlich überreden müssen, sich auch noch den Donnerstag zur Erholung zu nehmen.
Während seine Mitarbeitenden freitags zu Hause bleiben, nutzt Andy Mess den Tag, um Angebote zu schreiben oder Kunden zu besuchen. Neben ihm kommt nur der Auszubildende in den Betrieb an der Oberen Münsterstraße. Ihm dürfe er leider nicht frei, aber dafür zumindest die Zeit zum Lernen oder für Hausaufgaben geben.

Die Kunden hätten in der Regel auch kein Problem damit, dass die Arbeit am Freitag bis auf Notfälle ruhe – zumindest die jungen. Den älteren müsse er schonmal erklären, was eine Vier-Tage-Woche und die Vorteile eben jener seien.
Einzig beim Notdienst hat Andy Mess anfangs Bedenken gehabt. Sein Unternehmen bietet Kundinnen und Kunden an, rund um die Uhr für sie da zu sein. Diesen Notdienst stemmt Andy Mess gerade alleine, weil er keinem seiner Mitarbeitenden die Verantwortung dafür zumuten will. Die Notfälle seien aber so selten, dass seine Bedenken sich mittlerweile zerstreut hätten, sagt er.
Anstrengende Fachkräftesuche
Die Idee hinter der Vier-Tage-Woche habe er zum ersten Mal in einem Bericht über ein großes US-Unternehmen aufgeschnappt. Von Wissenschaftlern begleitet, stellte sich dort heraus, dass zwar der Umsatz sank, aber der Gewinn stieg: „Es gab weniger Regressionsforderungen, weniger Reklamationen und weniger Fluktuation unter den Mitarbeitenden.“ Auch das konnte Andy Mess in seinem Unternehmen feststellen. Seit dem Start vor rund einem Jahr habe kein Mitarbeiter das Unternehmen verlassen. Stattdessen sollen noch mehr hinzukommen.
„Auch wir suchen händeringend“, sagt Andy Mess. Vor rund zehn Jahren habe er einen entscheidenden Wandel in der Branche bemerkt: Nicht mehr die Arbeitgeber, sondern die Arbeitnehmer sitzen nun am längeren Hebel – „und das wird immer mehr.“ Er zahle trotz Vier-Tage-Woche deutlich über dem Tarif, aber auch das reiche einigen nicht. Sobald der Handwerker neue Mitarbeiter für sein Unternehmen findet, will er den freien Tag der Vier-Tage-Woche auch variieren: Einige der Monteure hätten dann freitags frei, einige montags.
„Muss keinen Ferrari fahren“
Ob er mit einer Fünf-Tage-Woche nicht mehr Geld verdienen könne? „Vielleicht. Aber ich muss auch keinen Ferrari fahren“, sagt Andy Mess. Wichtiger sei ihm, dass er und seine Mitarbeitenden gut von dem leben könnten, was sie verdienten. Und, dass sie zufrieden seien. Außerdem zweifelt er daran, dass sich eine Fünf-Tage-Woche langfristig wirklich auszahle: „Wir müssen raus aus diesem stupiden Denken, dass eine 40-Stunden-Woche mit Arbeitszeiten von 7 bis 16 Uhr das Nonplusultra ist.“
Wegen der vollen Autobahnen am ganz frühen Morgen wird in seinem Betrieb erst um 8 Uhr mit der Arbeit begonnen, Feierabend ist in der Regel um 16 Uhr. „Die halbe Stunde Pause schenke ich meinen Mitarbeitern“, sagt Andy Mess. Von einer 40-Stunden-Woche, die auf nur vier Arbeitstage a zehn Stunden verteilt ist, hält er hingegen nichts: „Das finde ich völlig unfair.“
Auch anderen Unternehmen in Castrop-Rauxel rät er dazu, die Vier-Tage-Woche nicht blind auszuschließen. „Auch wenn das nicht schlagartig geht, könnten sie versuchen, es erstmal in einer Woche im Monat und dann vielleicht in zweien auszuprobieren.“
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