Der amtierende Bürgermeister Rajko Kravanja wirkte bei der Podiumsdiskussion der Bürgermeisterkandidaten relativ entspannt.

© Volker Engel

Verdrehte Augen, geballte Faust – die Körpersprache der Bürgermeisterkandidaten

rnPodiumsdiskussion

Die Bürgermeisterkandidaten haben am Mittwochabend in der Stadthalle diskutiert. Wir haben uns nicht nur die Inhalte angeschaut, sondern auch, welche Signale sie sonst sendeten

Castrop-Rauxel

, 03.09.2020, 20:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Lässt man auf einer Bühne fünf Bürgermeister-Kandidaten fast zwei Stunden lang diskutieren, fallen viele Worte. Bei der Podiumsdiskussion der Ruhr Nachrichten am Mittwochabend sind natürlich die Inhalte das entscheidende. Thematisch ging es um Corona, Sicherheit, Verkehr, Wirtschaft, Familie und bürgernahe Verwaltung.

Es lohnt sich aber auch, einen Blick auf die Körpersprache und Wortwahl der Kandidaten zu legen. Wie jemand etwas sagt und welchen Gesichtsausdruck er dabei auflegt, sagt ebenfalls viel aus.

Jetzt lesen

Fünf Männer stellen sich bei der Bürgermeisterwahl am 13. September zur Wahl: Amtsinhaber Rajko Kravanja (SPD) und seine Herausforderer Oliver Lind (CDU), Nils Bettinger (FDP), Manfred Fiedler (FWI, Linke, Grüne) und der Einzelbewerber Mario Rommel.

Schon bei der Begrüßung senden die Kandidaten am Mittwochabend erste Botschaften. Als sie von den Redakteuren Matthias Langrock und Tobias Weckenbrock vorgestellt werden, applaudieren sie sich gegenseitig. Allerdings nicht jeder bei jedem Namen. Bettinger und Rommel klatschen jeweils nicht, als der Name des anderen aufgerufen wird. Rommel klatscht auch bei Lind nicht.

Rommel fällt eher aus dem Rahmen

Der Einzelbewerber Rommel fällt beim Vergleich der Kandidaten auch optisch aus dem Rahmen, während die vier anderen Kandidaten Hemd und Sakko tragen, Oliver Lind sogar mit Krawatte, sitzt er dort im eher legeren rot-karierten Holzfällerhemd. Das passt auch zum generellen Auftreten von Rommel.

Mario Rommel tritt bei der Bürgermeisterwahl 2020 als Einzelbewerber an. Die notwendigen Unterschriften hatte er recht schnell zusammen.

Mario Rommel tritt bei der Bürgermeisterwahl 2020 als Einzelbewerber an. Die notwendigen Unterschriften hatte er recht schnell zusammen. © Volker Engel

Eher wie am Stammtisch äußert er sich. Als freier Bewerber ohne Partei ist er anders als die anderen Kandidaten kein Mitglied des Rates. Dadurch fehlen ihm zwangsläufig Einblicke in die politische Arbeit, die die anderen Kandidaten haben. In seinen Beiträgen benennt er dabei eher Probleme, die er in der Stadt sieht, als konkrete Lösungsvorschläge zu liefern. „Das ist ganz übel“, „ganz, ganz schlimm“ ist von ihm zu verschiedenen Themen häufiger zu hören.

Auch als er über die Lange Straße spricht, die ihm das wichtigste Thema zu sein scheint. Die Probleme, die er dort sieht, nehmen auch die anderen Kandidaten wahr. Ansonsten signalisieren sie wenig Einigkeit mit Rommel und gehen meist nicht auf seine Äußerungen ein.

Jetzt lesen

Zu Beginn viel Zustimmung und wenig Diskussion

Unter Fiedler, Bettinger, Kravanja und Lind hingegen herrscht zu Beginn der Diskussion mehr Einigkeit. Sie bescheinigen sich im Rat untereinander eine gute Zusammenarbeit. Unterstrichen wird das durch die Tatsache, dass sich die Bewerber untereinander duzen. „Da bin ich d’accord“, „da muss ich ihn loben“, „wir haben da keinen Dissens“, „es ist richtig, die Köpfe zusammenzustecken“, sind Aussagen, die zu Beginn der Diskussion fallen.

Oliver Lind attackierte seine Kontrahenten. Jurist und als Ratspolitiker seit Jahrzehnten in Castrop-Rauxel politisch aktiv, tritt erstmals für die CDU an, um Bürgermeister zu werden.

Oliver Lind attackierte seine Kontrahenten. Jurist und als Ratspolitiker seit Jahrzehnten in Castrop-Rauxel politisch aktiv, tritt erstmals für die CDU an, um Bürgermeister zu werden. © Volker Engel

Wobei Diskussion zu diesem Zeitpunkt nicht das treffende Wort ist. Auf der Bühne ist es doch recht kuschelig, als die Kandidaten über die Corona-Maßnahmen und die Sicherheit in Castrop-Rauxel sprechen. Auch das Wort „Nadelstiche“ unterstreicht das ironischerweise. Der amtierende Bürgermeister Rajko Kravanja übernimmt es von seinem Konkurrenten Oliver Lind, als er über die Lange Straße spricht.

Sie sitzen nebeneinander – Kravanja eher entspannt, zurückgelehnt, mit überschlagenen Beinen, Lind aufrecht sitzend und etwas angespannter. Lind ist es auch, der die Kuschelatmosphäre auflöst und seine Konkurrenten herausfordert, als er nach einer Aussage von Fiedler zur Xscape-Fläche in dessen Richtung sagt: „Das ist mir gerade ein bisschen wenig, gibt es einen Bürgermeister Fiedler, der sagt, er treibt die Fläche voran?“ Und ihm damit vorwirft, wenig konkret zu werden.

Fiedler nimmt sich viel Redezeit

Dass Fiedler das nicht wird, liegt auch daran, dass er verschiedene Interessen versucht abzuwägen, wirtschaftliche, soziale und ökologische. Dabei scheint er auch für sich noch keine ideale Lösung gefunden zu haben.

Manfred Fiedler war fünf Jahre als Grünen-Politiker im Stadtrat. Nun tritt er zum zweiten Mal als Kandidat der Grünen, der Linken und FWI für die Bürgermeisterwahl an. Bei der Podiumsdiskussion nahm er sich viel Redezeit.

Manfred Fiedler war fünf Jahre als Grünen-Politiker im Stadtrat. Nun tritt er zum zweiten Mal als Kandidat der Grünen, der Linken und FWI für die Bürgermeisterwahl an. Bei der Podiumsdiskussion nahm er sich viel Redezeit. © Volker Engel

In der Diskussion richtet der Kandidat der Grünen, Linken und der FWI seinen Blick auch über die Stadtgrenzen hinaus. Er bezieht die Klimakrise mit ein und bezweifelt, dass Castrop-Rauxel einen starken Bevölkerungszuwachs erleben wird. Dafür nimmt er sich viel Redezeit, lässt sich wenig unterbrechen.

Auffallend ist, dass der amtierende Bürgermeister Kravanja sich natürlich an der Diskussion beteiligt, allerdings eher seinen Konkurrenten den Vortritt gelassen hat. Er beobachtet eher, sagt, dass schon viel auf den Weg gebracht worden sei, verdreht mal die Augen und bringt seinen Wissensvorteil aus der Verwaltung ein. Er scheint sich im Sessel in der Mitte der Bühne gut zu gefallen und unterlegt seine Aussagen politikeresk mit geballter Faust.

Jetzt lesen

Kravanja wischt Themen mit Gestik und Mimik weg

Zwischendurch schüttelt er den Kopf und verzieht das Gesicht, als beispielsweise Bettinger in seine Richtung sagt: „Jedes mal, wenn im Hallenbad eine Kachel von der Wand fällt, nehmen wir einen sechsstelligen Betrag in die Hand. Irgendwann bricht es wahrscheinlich völlig zusammen.“

Nils Bettinger ist Fraktionsvorsitzender der FDP im Stadtrat. Zum zweiten Mal tritt der Castroper bei der Wahl als Bürgermeisterkandidat an.

Nils Bettinger ist Fraktionsvorsitzender der FDP im Stadtrat. Zum zweiten Mal tritt der Castroper bei der Wahl als Bürgermeisterkandidat an. © Volker Engel

Bettinger wirft Kravanja noch wenig Transparenz bei den anfallenden Kosten einer notwendigen Rathaus-Sanierung vor, ansonsten verzichtet er gegenüber dem amtierenden Bürgermeister eher auf Angriffe und lässt sich von diesem bescheinigen, dass er ihm bei politischen Entscheidungen auch mal auf die Füße tritt. Kravanja bejaht – und da ist sie dann wieder, die Einigkeit unter den Kandidaten.

Video
RN-Podiumsdiskussion Castrop-Rauxel