Ein Bild aus den USA von Anfang November: Ein 11-jähriger Schüler wird gegen das Coronavirus geimpft.

© dpa

„Unsere Kinder, Grundschulalter, doppelt gegen Corona geimpft“

rnCorona-Impfung

Für Kinder unter 12 ist kein Corona-Impfstoff zugelassen. Ein Castrop-Rauxeler Ehepaar hat Tochter und Sohn trotzdem impfen lassen. Hier erzählt der Vater, wieso die Eltern so entschieden haben.

Castrop-Rauxel

, 16.11.2021, 19:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

In den USA ist Corona-Impfstoff für Unter-12-Jährige zugelassen, in Israel ebenso. In Europa noch nicht. Die für die EU zuständige Europäische Zulassungsbehörde (EMA) prüft die Daten noch. Bis Jahresende wird das schätzungsweise noch dauern.

Hinzu kommt: Es gibt Experten, die sich aufgrund der Risiko-Nutzen-Abwägung gegen eine Impfung jüngerer Kinder aussprechen. Schwere Corona-Vorläufe bei Kleinkindern gelten als äußerst selten.

In der österreichischen Hauptstadt Wien werden allerdings seit Montag (15.11.) Kinder unter 12 Jahren ganz offiziell geimpft, in einer eigens für sie eingerichteten Impfstraße. Die Nachfrage nach Terminen sei groß, berichten österreichische Medien wie die Tageszeitung „Kurier“.

„Off label“-Impfung ist nicht illegal

Ausgeschlossen sind allerdings Impfungen von Kindern, die jünger als 12 sind, auch in Deutschland nicht. Es gibt Ärzte, die Kinder „off label“ impfen. Und das ist nicht einmal illegal. Auch Castrop-Rauxeler Kinder im Grundschulalter sind schon gegen das Coronavirus geimpft.

Ein Vater aus Castrop-Rauxel* hat uns erzählt, warum er seine Kinder U10 gegen das Virus hat impfen lassen, obwohl der Impfstoff für sie noch nicht zugelassen ist.

„In der Schule gibt es quasi keinen Schutz mehr für Kinder. Sie müssen nur auf dem Flur Maske tragen. Alle 20 Minuten werden die Fenster aufgerissen. Selbst Lehrer unterrichten nur noch dick eingepackt. Andere Infektionen werden dadurch befeuert.

Jetzt lesen

Erschreckend finde ich die Sturheit der Landesregierung. Im Landtag gibt es Luftfilter, gibt es Plexiglas-Scheiben. In Schulen nicht. Da gilt das als zu teuer. Offenbar aber eben nur für Kinder zu teuer. Das heißt für mich: Der Schulministerin Frau Gebauer ist es egal, ob Kinder schwer erkranken oder nicht. Außerdem kann niemand wissen, ob es nicht doch heftige Spätfolgen gibt, selbst wenn die meisten Kinder nicht schwer an Corona erkranken. Das ist für mich Lotto spielen mit der Zukunft.

Enttäuschte Hoffnung auf frühere Impfstoff-Freigabe

Das Ganze wird noch verstärkt dadurch, wie ablehnend man anderen Hilfsmitteln gegenübersteht. Selbst wenn Eltern sich bereit erklären, auf eigene Rechnung Luftfilter zu kaufen, heißt es: ‚Dürfen wir nicht einsetzen‘. Oder die Regelung, dass es zwar Zuschüsse zu Luftfiltern gibt, aber die Förderung nur gewährt wird, wenn ein Klassenzimmer kein einziges Fenster hat, das sich öffnen lässt. Mit anderen Worten: fast nie.

Lange hatten meine Frau und ich die Hoffnung, dass die Freigabe der Impfstoffe früher kommt. Die Amerikaner haben es hingekriegt, die Israelis ebenso. Aber in beiden Ländern gibt es auch einen ganz konkreten Plan. Den Plan, dass man Tempo macht, sobald die Zulassung da ist, und dass man Kinder impft, wenn die Eltern das wollen.

Hier? Wartet man erst auf die Zulassung, dann auf die Empfehlung der Stiko (der Ständigen Impfkommission in Deutschland, Anm. d. Red.). Und was passiert dann? Kinderärzte werden es in der Masse nicht schaffen, junge Kinder zu impfen. Die Hausärzte sind durch das Boostern ausgelastet, die Impfzentren sind dicht. Und die mobilen Impfteams werden es auch kaum hinkriegen können. Das fängt schon damit an, dass es viel aufwendiger ist, die Impfstoffe für Kinder passend zu dosieren als für Ältere.

„Ergebnisse der Studien mit Kindern lagen vor“

Warum wir uns also zur Impfung entschieden haben? Die Ergebnisse von Studien mit Kindern lagen vor (nachzulesen unter anderem im Internet unter pfizer.com, Anm. d. Red.). Und aufgrund dessen, was ich dort gelesen habe, hatte ich keine Bedenken. Als der erste Impftermin im Oktober anstand, waren in den USA schon mehr als 200.000 Kinder geimpft.

Der erste Kontakt ist von dem Arzt ausgegangen, der bei Twitter gesehen hatte, dass ich mich für die Möglichkeit interessiere, die Kinder „off label“ impfen zu lassen. Ich habe mich natürlich über ihn informiert und ihm einige Fragen gestellt. Wenn das keine ersichtlich reguläre Praxis gewesen wäre, hätten wir es nicht gemacht. Nicht abgehalten hat uns, dass wir ungefähr 100 Kilometer weit fahren mussten. Ich wäre auch weiter gefahren.

Aber: Der Arzt hatte davor schon seine eigenen Kinder geimpft. Die Praxis ist groß. Und mittlerweile kann ich sagen: Er impft auch weiterhin und so viele Kinder, wie es geht. In der Praxis gibt es mittlerweile zwei feste Impftage pro Woche, nur für Kinder unter 12.

Arzt wirbt nicht

Aktiv macht der Arzt keine Werbung, obwohl er nichts Illegales tut. Wir haben ihm zugesagt, ihn nicht direkt weiterzuempfehlen. Wenn Freunde oder Bekannte mich ansprechen, wo wir unsere Kinder haben impfen lassen, gebe ich ihren Kontakt an den Arzt weiter, aber nicht den Namen des Arztes an sie.

Ich kenne einen Fall, da sind die Eltern geimpfter Kinder direkt nach der zweiten Impfung an die Öffentlichkeit gegangen. Das war für den Arzt ungünstig. Zum einen ist die Nachfrage nach „Off label“-Impfungen riesig, der Arzt kommt gar nicht mehr damit hinterher, alles zu beantworten. Zum anderen gibt es Beispiele von Ärzten, die das „off label“-Impfen einstellen mussten, weil sie teils massiv von Impfgegnern und Corona-Leugnern bedroht worden sind.

Unsere Kinder hatten nach der Impfung praktisch keine Nebenwirkungen. Seit einer Woche gelten sie als vollständig geimpft. Die Impfungen sind im Impfausweis eingetragen, sie haben auch ein digitales Impfzertifikat, so wie wir. Anfangs haben wir sie gebeten, nicht zu erzählen, dass sie schon geimpft sind. Wir wollten verhindern, dass (in unseren Augen) unnötige Diskussionen mit den Lehrkräften und Eltern von Mitschülern entstehen. Mittlerweile ist mir das egal.

Leben hat sich nicht sehr verändert

Was die Impfung der Kinder mit unserem Leben gemacht hat? Eigentlich hat sich nicht viel verändert. Wir sind nach wie vor sehr vorsichtig. An der Grundschule ist die Impfung nicht relevant. Die Kinder nehmen an den Lolli-Tests teil wie alle Klassenkameraden. Würde auch gar nicht anders gehen, weil es in den Grundschulen so vorgeschrieben ist – anders als an den weiterführenden Schulen, an denen geimpfte Kinder nicht an den Schnelltests teilnehmen müssen.

Unsere Kinder tragen auch weiterhin Masken am Platz und sie gehören damit zu einer Minderheit in ihren Klassen.

Als Familie waren wir mal im Restaurant. Und neulich bowlen. Da haben wir auch die Impfnachweise der Kinder gezeigt. Bei der Kontrolle gab es erst einen verwunderten Blick, aber mehr auch nicht. Wir legen es aber auch nicht darauf an, alles zu machen. Wir gehen zum Beispiel nicht ins Fußball-Stadion. Das bleibt uns zu unsicher. Nur einmal waren wir entspannter, als wir es vor den Impfungen gewesen wären: als es in der Klasse unseres Sohnes einen positiven Lolli-Test gab.

Insgesamt bedeutet die Impfung für uns, dass unsere Kinder endlich besser geschützt sind. Besser geschützt als durch alle anderen Maßnahmen.

*Der Name der Familie ist der Redaktion bekannt. Und wir haben auch das Impfzertifikat eines Kindes sehen können, das die doppelte Impfung belegt.