Per Bus wollte Luidmyla zurück in die Ukraine Jetzt ist sie Dolmetscherin in Castrop-Rauxel

Die Ukrainerin Luidmyla Svitelska arbeitet nach ihrer Flucht für die Stadt
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Es gibt viele Geschichten von geflohenen Menschen aus der Ukraine. Viele sind bald seit einem Jahr in Deutschland. Eine von ihnen ist Luidmyla Svitelska. Ihre Geschichte ist besonders, denn es scheint, als meine das Schicksal es gut mit ihr. Wahrscheinlicher ist wohl aber, dass Luidmyla eine Frau ist, die die Steine, die das Leben ihr vor die Füße wirft, einfach zur Seite kickt, als wären sie bloß kleine Kiesel.

In der Ukraine hat Luidmyla als Ökologin für ein Unternehmen gearbeitet, das Gefahrstoffe entsorgt hat. In Deutschland arbeitet sie nun in einer ganz anderen Branche. Die Ukrainerin sagt: „Die Arbeit hat mich gefunden.“

Eigentlich war die Ukrainerin als „Kundin“ bei der Stadt, denn sie wurde als Geflüchtete nach Castrop-Rauxel zugeteilt. Bei der Stadt merkten die Menschen, die Luidmyla halfen, Formulare auszufüllen, dass sie sehr gut Deutsch kann.

„Ich war acht Jahre lang mit einem Deutschen zusammen“, sagt sie. Da habe sie die Sprache gelernt.

Nun, in diesem fremden Land, das sie bislang nur von Besuchen bei ihrer Verwandtschaft in Dortmund kannte, kamen ihr die acht Jahre zugute. „Seit Mai arbeite ich als Übersetzerin für die Stadt“, sagt sie und klingt dabei selbst ein wenig überrascht, aber auch stolz. Sie hätte nie gedacht, dass sie mit ihrem beruflichen Background einmal so etwas machen würde.

Busticket zurück in die Ukraine

Sie hilft nun im Quartiersbüro in Habinghorst bei Übersetzungen und auch für die App Integreat hat sie Teile übersetzt. Dort können Kommunen lokale Informationen für geflüchtete und zugewanderte Menschen hinterlegen.

Sie ist angekommen, hat eine Wohnung in Castrop-Rauxel gefunden und einen Job. Trotzdem ist da immer die Sorge um ihren erwachsenen Sohn und ihr Heimatland im Hinterkopf. Im Dezember war sie einen Monat in der Ukraine und konnte Weihnachten mit ihrem Sohn feiern. Der lebt inzwischen in der ehemaligen Wohnung von Luidmyla.

Die Stadt, aus der die Ukrainerin stammt, liegt westlich von Kiew. „Die Straße von Kiew nach Zhitomir ist als Todesstraße bekannt geworden.“ Denn als Russland die Ukraine angriff, flüchteten die Menschen aus Kiew in Richtung Zhitomir. Mindestens 30 Zivilisten wurden auf ihrer Flucht von russischen Soldaten umgebracht – wegen des Verdachts auf ein Kriegsverbrechen werde ermittelt.

„Wir haben uns Sorgen gemacht, als Luidmyla sagte, sie will in die Ukraine reisen“, sagt ihr Kollege Andreas Trzaska. Es war ihre erste Rückkehr nach Ausbruch des Krieges. Denn glücklicherweise war sie zum Zeitpunkt der Invasion zu Besuch bei ihrer Cousine in Dortmund.

„Ich hatte mein Busticket zurück für den 24. Februar 2022“ –, der Tag, an dem Russland die Ukraine überfiel. „Mein Sohn rief mich an und sagte: Mama, wo willst du denn hin zurückkehren“, erinnert sich Luidmyla. Also stieg sie nicht in den Bus. Sie blieb. Erst bei ihrer Cousine, die aber bald keinen Platz mehr hatte, weil weitere Verwandtschaft aus der Ukraine kam. Dann nach Bochum zur Landeserstaufnahme-Einrichtung. Von dort kam sie nach Mönchengladbach. „Dann wurde ich nach Castrop-Rauxel zugewiesen.“

Ukrainische Soldaten verlassen die Militärparade vor der Sophienkathedrale in Kiew am 24.02.23. Die russische Armee hatte die Ukraine am 24.02.2022 überfallen.
Wie hier in Kiew am 24.2.23 laufen durch die nahegelegene Stadt Zhitomir ukrainische Soldaten. (Symbolbild) © dpa

Ihre Stippvisite bei ihrer Cousine im Februar vor einem Jahr wurde zu einem Aufenthalt auf unbestimmte Zeit. Dass sie hier arbeiten wird, war der Ukrainerin von Anfang an klar. „Ich bin hier als Gast und will dem Land etwas zurückgeben.“

Ihr größter Wunsch aber ist Frieden. Sie hat Tränen in den Augen, wenn sie an die Rückkehr nach Zhitomir denkt. „Die Sirenen sind schrecklich. Tags und nachts mussten wir in den Keller. Gewundert hat mich, dass die Menschen dort trotzdem ihren Alltag leben wollen.“ Cafés haben geöffnet, der Schulunterricht findet statt. „Die Menschen wollen leben.“

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