
© Patricia Böcking
Über 100 Impfungen an einem Tag: Zwei Ärzte aus Castrop-Rauxel legen vor
Coronavirus
Am Mittwoch war der Tag der Tage: Die Arztpraxen in Castrop-Rauxel konnten mit den Impfungen gegen das Coronavirus beginnen. Wir waren bei Hausarzt Dr. Holger Knapp in Ickern dabei.
Endlich ist sie da: Die lang ersehnte Impfung gegen das Coronavirus. Harald Haut (65) hätte eigentlich schon längst geimpft werden müssen. Er trägt eine Herzpumpe mit sich herum. Ohne sie ist er nicht lebensfähig. Deshalb gehört er zur höchsten Priorisierungsgruppe.
Einen Termin im Impfzentrum wollte Harald Haut aber nicht. Stattdessen hat er auf einen Termin bei seinem Hausarzt gewartet. „Der Weg ist kürzer“, sagt der Castrop-Rauxeler. Sonst hätte er für die Impfung bis nach Recklinghausen fahren müssen.
Seit Mittwoch (7.4.) impfen die Arztpraxen in Castrop-Rauxel. Dr. Holger Knapp und Dr. Matthias Jasper beginnen in ihrer Praxis am Ickerner Markt am Mittag. 130 Impfungen verabreichen die beiden Ärzte am ersten Tag, in fünfeinhalb Stunden.
Aufklärung in Siebener-Gruppen
Bevor Harald Haut seine Impfung bekommt, muss er mit sechs weiteren Patienten im Wartezimmer der Praxis Platz nehmen – natürlich mit ausreichend Abstand zu den anderen Patienten.
Dort klärt Holger Knapp die Patienten über den Impfstoff auf: wie er funktioniert, aber auch was für Nebenwirkungen eintreten können. Harald Haut bekommt den mRNA-Impfstoff von Biontech. Entsprechend wenige Bedenken hat er, was die Nebenwirkungen angeht.

Patient Harald Haut trägt in seinem Beutel eine Herzpumpe. © Patricia Böcking
Nach dem Aufklärungsgespräch werden die Patienten auf die verschiedenen Räume verteilt. Dort haben sie die Möglichkeit, dem Arzt Fragen zu stellen. Harald Haut hat keine. Matthias Jasper beginnt sofort mit der Impfung. Ein kurzer Pieks, und nach wenigen Sekunden ist die Impfung schon geschafft.
Noch darf Harald Haut die Praxis nicht verlassen. 15, maximal 30 Minuten soll er nach der Impfung sitzen bleiben. Erst dann darf er gehen. Zur Hintertür hinaus, damit er möglichst wenigen anderen Patienten begegnet.
Viele wollen sich beim Hausarzt impfen lassen
Harald Haut ist nicht der einzige Patient, der sich unbedingt bei seinem Hausarzt impfen lassen wollte. Auch Rainer Tonat (73) wollte keinen Termin im Impfzentrum. Er hat einige Vorerkrankungen und ist deshalb ebenfalls in der höchsten Priorisierungsgruppe.
„Es ist hier viel, viel einfacher“, sagt er. Er wollte in der Praxis von Knapp und Jasper geimpft werden, um nicht vielen Menschen begegnen zu müssen. „Hier komme ich nicht mit so vielen Leuten zusammen“, meint er.
Um genau das zu gewährleisten, haben Holger Knapp und Matthias Jasper einen genauen Plan gezeichnet, wie die Patienten während der Impfungen in der Praxis verteilt werden sollen. Alle 15 Minuten kommen sieben neue Patienten zum Impfen herein. Maximal 21 Patienten können sich gleichzeitig in der Praxis aufhalten.
300 Impfungen mit Astrazeneca geplant
Ursprünglich hätte Holger Knapp Mittwoch nur zwölf Impfungen machen können. Denn so viele Dosen Biontech hat er für diese Woche erhalten. Dass es nun über 100 geworden sind, liegt an einer einmaligen Sonderlieferung vom Landes-Ministerium für Gesundheit an die Impfzentren und Arztpraxen.
Über 9000 Impfdosen Astrazeneca wurden an die Hausarztpraxen im Kreis Recklinghausen verteilt. 180 Dosen hat Knapp am Dienstag erhalten, 120 weitere erhält er im weiteren Verlauf der Woche. Der Ickerner Arzt ist einer von vier Ärzten in Castrop-Rauxel, die Astrazeneca zusätzlich bestellt haben.

Dr. Holger Knapp hat 300 Dosen mit Astrazeneca bestellt. © Patricia Böcking
Impfungen ein „erheblicher Aufwand“
Knapp und Jasper lassen für die Impfungen den freien Mittwochnachmittag ausfallen. Denn die Impfungen nehmen sie außerhalb ihrer Sprechstunden vor. Der Mehraufwand für sie begann dafür schon am Tag vor den Impfungen. Zwei Stunden lang riefen sie und ihre Mitarbeiterinnen Patienten an. Sie boten ihnen die Impftermine mit Astrazeneca an, die nun zusätzlich möglich wurden. Insgesamt kamen über 150 Anrufe zusammen.
Dazu kam noch der bürokratische Aufwand: Für jeden Patienten mussten sie einen Aufklärungsbogen ausdrucken. Den muss jeder Patient vor der Impfung unterschreiben. „Es ist schon ein erheblicher Aufwand, das hab ich mir am Anfang gar nicht so vorgestellt“, erzählt Holger Knapp.
Trotzdem ist er froh, die Impfungen anbieten zu können. „Wir freuen uns, an der Bekämpfung der Pandemie mitwirken zu können“, sagt er. Bedenken hat er dennoch: „Es ist immer ein gemischtes Gefühl, irgendwas zwischen Freude und ängstlicher Erwartung, weil man nicht weiß, ob die Organisation so funktioniert, wie man es sich vorgestellt hat.“
Am Freitag )9.4.) soll es bei ihm direkt mit den nächsten Impfungen weitergehen. Auch in den nächsten Wochen möchte Knapp impfen. Wie viel er in Zukunft impfen kann, hängt allerdings von den Lieferungen ab. 130 Impfungen am Tag werden es dann wohl erst einmal nicht mehr sein. Er hofft aber, dass er wenigstens bis zu 70 Impfungen pro Woche leisten kann.