Die Gastronomie steht vor Herausforderungen. Nunzio Marcucci hatte wie seine Kollegen durchaus zu kämpfen mit seiner Trattoria Puglia in Castrop-Rauxel. Die gestiegenen Preise generell, die Energiekosten speziell, dazu Personalprobleme, wie sie viele Gastronomen kennen. Nur eine Krise kennt er nicht: Gäste kommen unverändert in sein Restaurant an der Oberen Münsterstraße 2. Daran hat auch die angehobene Mehrwertsteuer zum Jahresbeginn nichts geändert.
Neue Wege mussten trotzdem her. Kurz zusammenfassen könnte man es unter „weniger ist mehr“. Der Gastronom hat seine Speisekarte zusammengestrichen. Und er setzt auf Fine Dining. Die rot-weiß-karierten Tischdecken, ein Markenzeichen, weisen weiter auf die Tradition einer Trattoria hin, die Stoffservietten und die neuen Speisekarten auf die gehobene Küche, die geboten wird.
Der Gast soll hier einige genussvolle Stunden verbringen. Deshalb gibt es immer ein Menü, nicht nur wie jetzt im Februar und März beim Menükarussell. Aus den Gängen kann der Gast drei bis fünf auswählen, dazu auch Weinbegleitung, wenn er mag. Daneben gibt es weiter ein paar Klassiker, die Stammgäste lieben. Pasta und Pizza werden angeboten, allerdings auch mit feineren Zutaten versehen.

Dazu gibt es Tagesempfehlungen: Gerade hat Nunzio Marcucci von seinem Fischhändler einen weißen Heilbutt, rund 20 Kilogramm schwer, bekommen. Auf der Speisekarte tauchen auch immer wieder ungewöhnliche Produkte auf. Entweder als Tagesempfehlung oder im Menü wie aktuell der Rochenflügel. Eine Spezialität, die nur selten in Restaurants angeboten wird, wie Nunzio Marcucci erzählt. Sein Koch Dustin Burbaum weiß auch warum: „Der Rochenflügel ist sehr empfindlich.“
„Ali di Raggio“ ist als Hauptspeise Bestandteil des Menüs, lässt sich aber auch alleine bestellen. Dustin Burbaum zeigt uns, was dafür alles auf den Teller kommt. Die Grundlage bietet ein Artischockenpüree; Risotto, Tomatennage und gebratene Artischocken ergänzen den Rochenflügel.
„Es ist ein spezielles Produkt, es trauen sich nur wenige Gastronomen dran“, sagt Dustin Burbaum über den Rochenflügel. Er sei sehr empfindlich und halte sich maximal ein, zwei Tage, kürzer also als andere Fische. Der Rochen wird in der Bretagne gefangen, teilweise in Wassertiefen bis 600 Meter, und dann handverlesen, so erzählt der Koch, während er den Flügel filetiert. Verzehrbar sind bei dem Fisch vor allem die Flügel. Jeweils zwei große und zwei kleine Filets gewinnt er aus einem Flügel. So bleiben die Gräten in der Küche. „Als Gast soll man einfach nur genießen und nicht noch die Gräten heraustrennen“, sagt Dustin Burbaum.
In der Trattoria Puglia werden die Filets etwas meliert, dann nur kurz für eine Minute auf jeder Seite gebraten. Innen soll der Fisch noch leicht glasig sein. Butter, Thymian- und Rosmarinzweige kommen am Ende kurz mit in die Pfanne. Auf dem Teller richtet Dustin Burbaum das Filet auf einem Artischockenpüree und einem schlotzigen Risotto an. Drumherum kommen eine Tomatennage, also ein sehr würzig eingekochter Tomatensud, und gebratene Artischocken,
Der Test zeigt, dass das Fleisch zwar fest, aber dennoch zart ist. Der Geschmack ist leicht nussig. Alles zusammen harmoniert. Gerade die Tomatennage mit den Artischocken verbindet sich sehr gut. „Von allem etwas auf die Gabel“, das ist der Tipp des Kochs, der seit Kurzem das Team in der Trattoria Puglia verstärkt.
Mehr Zeit am Gast
Nunzio Marcucci hat deshalb wieder mehr Zeit, „am Gast“ zu sein. Ihm etwas über die Speisekarte zu erzählen oder die Weine, die er passend zu Speisen ausgewählt hat. Wer das Menü mit dem Rochenflügel und alle fünf Gänge wählt, wird den Fisch als drittes serviert bekommen.
Start ist ein Caprese neu interpretiert – neben Burrata und Tomate kommt auch Puntarelle, das ist eine Chicorée-Variante, auf den Teller, dazu Focaccia. Es folgt ein Erbsenschaumsüppchen mit Jakobsmuschel und Pancetta. Wer keinen Fisch mag, kann als Hauptgericht auch einen Kalbsrücken mit Olivenkruste wählen. Auf eine Käseauswahl folgt als süßes Dessert eine Amalfi-Zitronentarte.
Drei Gänge, ohne Suppe und Käse, kosten 42,90 Euro, fünf Gänge 60,90 Euro, inklusive Weinbegleitung werden es 60,90 oder 90,90 Euro. Wer sich den Rochenflügel als alleiniges Gericht bestellen will, zahlt 33,90 Euro. Pasta mit Gambas, Lammragout oder aus dem Parmesanlaib plus Trüffel kosten zwischen 16,90 und 21,90 Euro. Pizzas, belegt mit Zutaten wie Rinderroastbeef, Burrata oder Bresaola kosten zwischen 17,90 und 26,90 Euro.

Das neue Konzept hilft bei der Preiskalkulation. Weniger Gerichte bedeutet weniger Zutaten. Der Einkauf kann besser geplant werden. Und in der Küche müssen weniger Köche stehen, wenn zeitgleich viele Gäste bedient werden wollen. Weniger muss weggeschmissen werden. Außerdem wurden die Portionen angepasst. „Sie waren bei uns sehr groß“, sagt Nunzio Marcucci. Zwei oder drei Gänge zu essen, sei schwierig gewesen.
„Unsere Gäste sollen hier zwei oder vier Stunden verbringen und sich einen netten Abend machen“, sagt er. Das Ganze sei sehr gut angekommen. Sicher, so sagt er, werde man vielleicht den einen oder anderen Gast verlieren. Dafür aber auch andere dazugewinnen.
Auch die Teilnahme an „Mein Lokal, Dein Lokal“ mit Fernsehkoch Mike Süsser im vergangenen Jahr hat der Trattoria Puglia neue Gäste auch von außerhalb gebracht. Viele kommen wieder. An den Wochenenden ist die Trattoria zwei Wochen im Voraus ausgebucht, so Nunzio Marcucci: „Es wird immer mehr, dass die Leute qualitativ gut essen möchten.“