Castrop-Rauxel macht im Jahr 2024 knapp 41 Millionen Euro Minus. So steht es im städtischen Haushalt, der spätestens seit September 2023 der Lokalpolitik bekannt ist. Das Minus im Finanzplan kann die Stadt Castrop-Rauxel auch perspektivisch in den kommenden zehn Jahren nicht ausgleichen und wird laut der Prognose auch im Jahr 2033 noch rote Zahlen schreiben. Der Castrop-Rauxeler Haushaltssanierungsplan – wenn man ihn denn überhaupt so nennen kann – wurde folglich von der Unteren Kommunalaufsicht im Kreishaus abgelehnt. Die Europastadt steht also ohne genehmigten Haushalt dar.
Soweit die harten Fakten. Und obwohl die erwartbare Entscheidung vom Kreis hohe Wellen in der heimischen Politik geschlagen hat, sind die negativen Auswirkungen für die Stadt noch nicht recht zu fassen. Warum ist Castrop-Rauxel eigentlich die einzige Stadt, die keine Genehmigung erhalten hat, obwohl zum Beispiel Marl doch ein viel höheres Minus im Finanzplan stehen hat? Wo setzt die Untere Kommunalaufsicht jetzt den Rotstift an und welche Hoffnung gibt es für Castrop-Rauxel?

Neben CDU und FDP, die mit Verkündung der Nicht-Genehmigung schnelles Handeln der Politik forderten und damit den Druck auf die rot-grüne Regierung sowie Bürgermeister Rajko Kravanja erhöhen wollten, meldete sich auch die FWI zu Wort: „Die Überschuldung der Stadt Castrop-Rauxel wird bis 2034 auf insgesamt 450 Millionen Euro angewachsen sein. Zum 31.12.2022 lag die Überschuldung noch bei 75,2 Millionen Euro“, zeigt sich die Freie Wähler-Initiative besorgt.
Während CDU und FDP schnellstmöglich auf kommunalpolitischer Ebene Lösungen und Antworten suchen wollen, aber auch immer wieder die Altschulden der Stadt thematisieren, sieht die FWI die Bundespolitik in der Pflicht: „Die etablierten Regierungsparteien auf Bundes- und Landesebene haben jetzt noch gut ein Jahr Zeit, um die Finanzprobleme der ärmsten Kommunen in Deutschland nachhaltig zu verbessern. Eine noch bessere Lösung wäre natürlich, wenn die Staatsfinanzen auf allen Ebenen zukunftssicher neu gestaltet würden.“
Und Bodo Klimpel (CDU)? Der hätte gerne beides – und das so schnell wie möglich. „Die Finanzausstattung der Kommunen muss verbessert, und die Pflichtausgaben müssen reduziert werden“, sagt der Landrat. Ist dieser Schritt wichtiger, als eine Lösung für die angesammelten Schulden zu finden? Schließlich könnten die Minusbeträge in den kommenden Haushalten schnell die Bestandsschulden um ein Vielfaches anwachsen lassen. „Ich hätte nichts dagegen, wenn gleichzeitig eine Altschuldenlösung gefunden wird“, nimmt auch Klimpel die übergeordneten politischen Entscheidungsträger in die Pflicht.

Gänzlich aus der Pflicht nimmt er seine zehn Kreis-Kommunen aber keineswegs. „Ihr müsst viel realistischer planen“, habe Bodo Klimpel den Kämmereien der Verwaltung als Prämisse an die Hand gegeben.
Castrop-Rauxel hat das offenbar getan. Datteln, Dorsten, Haltern am See oder Recklinghausen haben noch finanzielle Rücklagen, mit denen sie den Haushalt ausgleichen. Gladbeck, Herten, Oer-Erkenschwick und Waltrop prognostizieren trotz Minus-Haushalt innerhalb von zehn Jahren ein Plus. Castrop-Rauxel hingegen hat weder Rücklagen noch eine gerechtfertigte Prognose, wieder aus dem Minus-Sumpf hinauszukommen. Ein Sonderfall ist hier die Stadt Marl. Sie ist laut Prognose „erst“ 2026 überschuldet, will im Finanzplan 2033 aber wieder einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren.
Ob das klappt? Daran hat auch Bodo Klimpel seine Zweifel. Marl – mit dem Chemiepark sowieso stets in einer Art Sonderrolle – prognostiziert zum Beispiel eine Verdopplung der Gewerbesteuer-Einnahmen innerhalb von zehn Jahren. „Und das ist noch der solide Posten in dem Finanzplan“, kann sich der Landrat seine Kritik nicht ganz verkneifen. Mit Auflagen wurde Marl die Genehmigung für den Finanzplan erteilt. „Wir sind ihn Satz für Satz durchgegangen, das hat es vorher noch nie gegeben.“
Das Problem kleiner Toiletten
Aber es wurden Möglichkeiten und Spielräume auf Marler Seite gefunden. Die hat Castrop-Rauxel nicht, sagt der Landrat. Aber er betont: „Wir gehen jetzt nicht hin und schließen Jugendheime.“ Und auch das Parkbad Nord als einziges Freibad in Castrop-Rauxel stehe nicht im Fokus der Kommunalaufsicht. „Das dient ja auch ein Stück weit der Gesundheit der Bevölkerung“, sagt Klimpel.
Auch den Familien in Castrop-Rauxel will der Landrat ein Stück weit Sorgen nehmen: „Kitas und Schulen sind Pflichtaufgaben einer Kommune.“ Aber er stellt auch heraus, warum eine Stadt heutzutage für viele Projekte tiefer in die Tasche greifen muss. Er nennt ein pragmatisches Beispiel: „Hatten Sie in Ihrem Kindergarten einen tiefen Toilettensitz auf Kinder-Höhe?“, fragt er. „Wissen Sie, was das im Vergleich zu einer normalgroßen Toilette kostet?“ Diese niedrigen Toiletten seien heute Pflicht bei einem Kita-Neubau. Dieses Bürokratie-Rad könne Klimpel noch weiter drehen, verwundert über die mangelnde Finanzausstattung der Städte sei er demnach nicht.
Castrop-Rauxel befindet sich also in der vorläufigen Haushaltsführung – und das zunächst dauerhaft. Dennoch konnte die Untere Kommunalaufsicht einige Spielräume für die Stadt bei der Bezirksregierung verhandeln. Während zum Beispiel Beförderungen nach neun Monaten Wartezeit weiter möglich sind, muss Castrop-Rauxel etwa bei der Kreditaufnahme für die Durchführung notwendiger Investitionen eine Freigabe einholen.
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