Was für ein Schneetreiben in Castrop-Rauxel. Von Samstag, 22 Uhr, bis Montagmittag schneite es mit wenigen Pausen praktisch durch. Das sorgte für Winter-Wunderland-Gefühle, aber auch für Chaos.
Keine Busse. Keine Bahnen. Wenig Autos. Viele Schlitten. Ein paar Unfälle und Stürze. Aber vor allem eines: Schnee. Und zwar so viel, wie Castrop-Rauxel selten zuvor erlebt hat. Das Tief Tristan hat die Europastadt im Ruhrgebiet in Weiß eingefärbt. Mehr als 40 Stunden Schneefall führten dazu, dass bis Montagabend nur wenige, die zentralen Straßen, komplett geräumt waren.
Ein Glück, dass die Mobilität der Menschen durch die Corona-Pandemie im zweiten Lockdown ohnehin stark eingeschränkt ist: Die Schüler sind per Videoschalte im Homeschooling miteinander verbunden, viele Arbeitnehmer arbeiten im Homeoffice, die Geschäfte sind weitgehend geschlossen, Friseure, Nagelstudios, Schwimmbäder, Kinos und Theater sowieso.
Am Sonntag führte das schon dazu, dass sich kaum jemand mehr von A nach B bewegte, sondern entweder daheim blieb oder aber zu Fuß die Winter-Wunderlandschaft genoss. Wer einen Schlitten und Kinder hatte, der zog ihn hinter sich her zum nächsten Abhang. Wer keinen hatte, der bastelte ihn sich selbst.

Rodelspaß im Goldschmiedingpark: Hier kamen einige Leute am Montag zusammen, um die Schlitten sausen zu lassen. © Tobias Weckenbrock
Sonntagnachmittag, Spielplatz in Dingen: Eine Frau geht mit ihrem Sohn auf den Hang. Sie hat einen Müllsack in der Hand, in den sie eine Babymatratze aus dem Kinderwagen verpackt hat. Dreifach verklebt mit Panzerband. Und doch reißt der Sack beim Rodeln. „Ich habe gestern einen Schlitten bestellt, so einen aus Holz“, sagt sie. Sie wird nicht die einzige sein. Der Online-Schlitten-Handel müsste boomen.
Nur der eisige Wind und das Schneegrieseln stört
Es ist ein schöner Tag, noch ruhiger als die vielen anderen Corona-Sonntage, an denen man zu Hause bleibt oder maximal spazieren geht. Nur der eisige Wind und das Schneegrieseln stört. Der EUV Stadtbetrieb hat alle verfügbaren Kräfte im Winterdienst. Sie fahren durch die Straßen, doch überall, wo sie vorne mit dem Schieber räumen und hinten Salz verstreuen, schneit es flott wieder zu. Manch eine Straße haben sie Montagnachmittag zum achten Mal angefahren. 350 Tonnen Salz sind da ausgebracht.
Darum ist erklärlich, warum die Dortmunder Straße auf Schwerin am Montag gegen 15 Uhr oben in der Siedlung immer noch nicht schneefrei ist. Nur am Hang runter nach Castrop ist es anders, fahrspurenbreit ist die Straße hier schneefrei. Der Blick herüber auf die Rennwiese ergibt: Rund um den Zielturm ist etwas Betrieb, aber es ist kein Riesen-Andrang, der Corona-Sorgen machen müsste.

Wintereinbruch in der Castroper Altstadt. So sah es am Montag, 8. Februar 2021, dort aus. © Jens Lukas
Zwölf Fahrzeuge des EUV Stadtbetriebs sind seit Beginn des Schneefalls im Einsatz. Nur das Personal auf den Fahrzeugen wechselt durch. Die Müllwerker sind am Montag komplett auf den Schneemodus umgestiegen: Die Tonnen werden nicht geleert, alle verfügbaren Mitarbeiter sind im Räumdienst. Am Dienstag sollen Tonnen aber wieder geleert werden, heißt es vom EUV. Nur Biotonnen könnten Probleme bereiten
Tiefschnee: 40 Zentimeter und mehr
Ein paar Hundert Meter weiter von der Rennbahn saust gut ein Dutzend Kinder und ihre Eltern den kleinen Hang im Goldschmiedingpark herunter. Wer hier durch die unangetasteten Wiesen stapft, der taucht 40 Zentimeter tief in den Schnee.
In der nicht weit entfernten Altstadt sind die Bewegungen der Leute auch eher stapfend: Es geht oft freiwillig durch den Tiefschnee rechts und links vom geräumten und gestreuten Weg, den der EUV freigeschlagen hat: Denn dieser erweist sich an manchen Stellen als eisglatter Pfad.

Wintereinbruch in der Castroper Altstadt. So sah es am Montag, 8. Februar 2021, dort aus. © Jens Lukas
Die Polizei patrouilliert mit einem Mannschaftswagen in den Gassen. Es fällt auf, dass der Marktplatz nicht von Schnee und Eis geräumt ist. Gleiches gilt für den Parkplatz an der Oberen Münsterstraße nahe dem Altstadtring. Aber wozu auch? Die Frage stellen sich viele: Muss man überhaupt in der Altstadt unterwegs sein? Die meisten Einzelhändler haben ohnehin geschlossen. Die Sparkasse ist im Notbetrieb. Die Wochenmärkte für Dienstag sagt der EUV am Montagvormittag ab.
Schwierigkeiten haben einige Leute beim Überqueren der Straße, weil sich auf Gehwegen Schneehaufen auftürmen. Die Ampelkreuzung Altstadtring / Holzstraße ist da ein gutes Beispiel: Auf den Verkehrsinseln türmt sich der Schnee fast schon auf Gürtelhöhe. Andere müssen ihre Autos am Straßenrand freischaufeln, weil sie hinter einer „Schneewand“ von einem halben Meter und mehr stehen.
350 Tonnen weg: EUV hat Salz nachbestellt
Man habe Salz nachgeordert, heißt es am Montagnachmittag vom EUV. Die Silos leeren sich. Aber: Die Lieferung erfolgt kurzfristig, heißt es. Ob sie gebraucht wird? In den kommenden Tagen soll kein neuer Schnee hinzu kommen. Die Sonne schaute am Montag gegen 14 Uhr erstmals seit Tagen wieder durch die Wolkendecke. Ein Vorbote: Es wird schön, aber klirre-kalt mit Dauerfrost und bis zu minus 15 Grad in der Nacht. Ende offen.

Arbeit für alle: Die Gehwege vom Schnee zu befreien, war am Wochenende Sysiphus-Arbeit. Ab Montagnachmittag ging es dann besser. © Jens Lukas
Die Stadtverwaltung gibt auf Anfrage bekannt, dass die Schneemassen sie auch Gebäude-statisch nicht vor Probleme stelle: „Wenn, dann werden rechtzeitig Dachdeckerfirmen zur Räumung der Schneelasten beauftragt, die sich mit der Lastenverteilung gut auskennen“, sagt Sprecherin Maresa Hilleringmann am Montagnachmittag. „Feuerwehr und THW würden nur in akuten Notsituationen hinzugezogen werden. Aber noch ist die Lage ruhig.“
Der Chef im Rütgers-Werk in Rauxel sagt auf Anfrage, es habe keine besonderen Vorkommnisse gegeben: Ein paar Mitarbeiter hätten sich verspätet, aber die Produktion sei normal weiter gelaufen. Größtenteils normal – aber was ist seit der Corona-Pandemie schon normal?
Geimpft nach Plan oder einen Tag später
Das Impfzentrum in Recklinghausen startete, nachdem am Sonntag die Leichtbauhallen unter der Schneelast ächzten, am Montag nach Plan. Wer nicht kommen konnte, darf zur selben Zeit am Dienstag zu seiner Spritze kommen.
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.

Ein Journalist macht sich aus Prinzip keine Sache zu eigen, nicht einmal eine gute (dieses Prinzip ist auch das Motto des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises).
