Streit ist menschlich. Er kann sogar produktiv sein, wenn er konstruktiv, ja vielleicht sogar lösungsorientiert ist. Wenn die Beteiligten dann noch kompromissbereit sind, kann so ein Streit sogar richtig gut sein. Leider sind diese Voraussetzungen aber nicht immer erfüllt. In solchen Fällen kommen mitunter Schiedspersonen zum Einsatz, die helfen sollen, den Streit beizulegen.
Insgesamt vier solcher Schiedspersonen sind in Castrop-Rauxel tätig, um zwischen Streitenden zu vermitteln. Für die Stadtteile im Süden der Stadt gibt es seit Oktober einen neuen Schiedsmann: Hendrik Moryson, 33 Jahre alt, zuständig für den Schiedsbezirk IV, der die Stadtteile Obercastrop, Schwerin, Merklinde (inklusive Bövinghausen) und Frohlinde umfasst.
Schwiegervater als Vorvorgänger
Der Neue kennt die Arbeit, die ihn nun erwartet, schon vom Über-die-Schulter-Schauen. „Mein Schwiegervater war lange Schiedsmann hier“, erzählt Moryson. „Und er hat immer gut davon gesprochen.“ So sei er auf die Idee gekommen, sich auf die Ausschreibung zu bewerben. „Es gab ein paar Anwärter, aber es ist jetzt auch nicht so, dass sie uns die Bude eingerannt haben“, sagt Bürgermeister Rajko Kravanja. Moryson konnte sich durchsetzen und wurde vom Rat bestellt.
Zur Vorbereitung hat er dicke Mappen voller alter Fälle bekommen, insgesamt rund 400 aus den vergangenen 40 Jahren. Außerdem gibt es Einführungsseminare, bei denen exemplarische alltagsnahe Fälle besprochen werden. Ab Ende Oktober wartet der erste eigene Fall auf Hendrik Moryson: „Es geht um Bäume“, verrät er. Das ist der Klassiker – Nachbarschaftsstreits, die eskalieren, wo die Fronten verhärtet sind.
Alternative zu Gerichtsverfahren
Je nachdem, wie unerbittlich sich die Parteien gegenüberstehen, können solche Streite bis vor das Amtsgericht gehen. Das ist aber mit hohen Kosten verbunden. „An der Stelle können dann die Schiedspersonen helfen“, sagt Kravanja. „Sie werden entweder selbst von den beteiligten Menschen kontaktiert. Das Amtsgericht kann Schiedspersonen aber auch bestellen.“ Mit im Durchschnitt etwa 70 Euro Aufwandsentschädigung, die idealerweise zu gleichen Teilen von beiden Streitparteien gezahlt wird, kommen die Beteiligten im Regelfall deutlich günstiger weg als vor Gericht.

„Ich bin auch kein Richter“, stellt Hendrik Moryson klar. „Es ist ganz wichtig, dass ich als neutraler Vermittler aktiv werde, damit die Gesprächspartner sich auf mich verlassen können.“ Häufig ließen sich die Konflikte besser lösen, wenn der Vermittler selbst auch in der Siedlung oder der Nachbarschaft wohne. Moryson lebt mit seiner Familie auf Schwerin.
Einigung rechtlich bindend
Die Schiedsmänner und -frauen seien wichtig für die Stadtgesellschaft. „Das ist kein Einmischen“, betont Hendrik Moryson. „Ich finde, das ist ein wichtiger Dienst an der Bürgerschaft und für den Zusammenhalt.“ Die Tätigkeit als Schiedsmann ist rein ehrenamtlich, hauptberuflich arbeitet der 33-Jährige als Lehrer an einer Gelsenkirchener Gesamtschule. Da muss er Streit ja gewohnt sein, könnte man meinen. „Kinder streiten sich ja in der Regel anders als Erwachsene“, sagt Moryson. „Aber in Bezug auf meine Rolle als Moderator ist das durchaus artverwandt.“
Wie streitet sich Moryson denn eigentlich selbst? „Gar nicht“, sagt er erst scherzhaft. Dann räumt er aber ein: Auch ein Streitschlichter zofft sich mal. „Da fliegen auch ‘mal die Fetzen, aber das ist ja auch normal.“ Wichtig sei, dass man aufeinander zugeht und sich möglichst konstruktiv verhält. „Aber Reibung bringt auch Dinge voran. In einer Gesellschaft ohne Streit möchte ich nicht leben.“
Wenn bei den Schlichtungen eine Einigung erzielt werden kann, dann hat diese auch Gewicht. „Eine Einigung ist für beide Seiten rechtsverbindlich, wie ein Urteil“, so Moryson. „Wenn es keine Einigung gibt, kann der Antragsteller vor Gericht ziehen.“ Wer die Dienste der Schiedspersonen in Anspruch nehmen möchte, findet die für den jeweiligen Ortsteil zuständigen Ansprechpartner/-innen mit Kontaktdaten auf der Website der Stadt.
Mit den Nachbarn auf Kriegsfuß: Familie fliegt fristlos aus Haus in Castrop-Rauxel
Manfred Rabe ist der Vermittler zwischen zwei Parteien
Darum arbeitet ein Castrop-Rauxeler als Schlichter
Paare aus Castrop-Rauxel zoffen sich vor Gericht über lautes Möbelrücken