Traditions-Unternehmen
Brüder Sartor geben Castroper Unternehmen auf: So reagierte ihr Umfeld
Wenn sie 60 werden, dann wollten sie die Tischlerei Schreinerei Sartor in andere Hände legen. Nun machen sie fünf Jahre früher Schluss. Mathias Sartor gibt Einblicke in die Gefühle des Brüderpaares.
Mathias Sartor ist 56 Jahre alt, sein Bruder Frank 55 Jahre. Der eine ist Tischlermeister, ein Mann, der anpackt, der Baustellenarbeit aus eigener Anschauung kennt. Der andere, Mathias, ist Diplom-Ingenieur, Innenarchitekt und Sachverständiger im Tischlerhandwerk. Beide sind sie Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens, das im 117. Betriebsjahr existiert. Doch die beiden sind die Letzten in ihrer Obercastroper Firma: Sie haben keine Mitarbeiter mehr.
Vor 20 Jahren, da war das Unternehmen so groß wie nie. Da florierte das Geschäft, da arbeiteten 27 Angestellte bei Sartor an der Karlstraße. Danach ging es nur noch in eine Richtung: bergab. Das zentrale Problem: Die Schreiner und die Tischler wurden weniger. Gute Handwerker, die fleißig und belastbar sind, verließen die Firma.
Überstunden, Stress, vielleicht auch eine nicht adäquat scheinende Bezahlung: Es gab viele Gründe, Push- und Pull-Faktoren, sagen Fachleute. Einige waren hier ausgebildet worden, entwickelten sich immer weiter und gründeten etwas eigenes. Oder sie wechselten in andere Jobs, wo man sie mit ihrer Qualifikation gerne nahm: Fachhandel, Feuerwehr, Architektenbüros – all das war offenbar attraktiver.
Liquidation von Sartor beim Notar unterschrieben
Nun ist Sartor noch ein Jahr da, um die Geschäfte abzuwickeln: Ende Juni besiegelten die beiden Geschäftsführer die Liquidation der GmbH von der Karlstraße mit Unterschriften beim Notar. Man werde die noch laufenden Aufträge erfüllen, alles regeln, was noch offen sei – und dann?
„Ich mache als Gutachter weiter“, sagt Mathias Sartor im Gespräch mit unserer Redaktion. „Selbstverständlich gibt es die üblichen Garantien und Gewährleistungen, wir verlassen ja nicht das Land, wir bleiben Castrop-Rauxel erhalten.“
Die Firma Sartor hat ihren Sitz in einem Misch-Gebiet: Umgeben ist der Firmensitz an der Karlstraße von Wohnhäusern, einem Fußballplatz und anderen Gewerbestandorten. © Sartor GmbH
Nun werde über eine neue Nutzung oder einen Verkauf der innenstadtnahen Immobilie nachgedacht. 4200 Quadratmeter Fläche, ein „sehr gepflegter Maschinen- und Fahrzeugpark“: Was damit geschieht, muss gut durchdacht, angemessen verkauft werden.
„Wir möchten uns bei all unseren Kunden, Lieferanten, Helfern und Unterstützern für die Jahrzehnte lange Freundschaft und Zusammenarbeit bedanken“, schrieben die Sartor-Brüder in einem offenen Brief. „Mal schauen, was die Zukunft so bringt.“
Vielen Kollegen geht es genauso
Die Kollegen befreundeter Betriebe, sagt Sartor, hätten derzeit alle dieselben Probleme und die gleichen Gedanken. „Alle, die in meinem Alter sind, denken selbst drüber nach aufzuhören. Ob Maler, Schlosser oder Zulieferer und Zufertiger aus dem Messe- und Ladenbau, sie alle haben kein Personal, kein Material, alle müssen Termine absagen.“ Das ergebe so keinen Sinn mehr.
„Alle sehen das Riesenproblem auf uns zukommen, dass man als Kunde in zwei Jahren für einen Handwerker über 100 Euro zahlen muss, wenn es so weiter geht. Das kann keiner zahlen. Dann driftet das in den Schwarzmarkt ab oder etwas anderes – wer weiß das schon“, sagt Mathias Sartor. „Es gibt keine Nachfolger bei uns, aber auch bei Betriebsfreunden, die zum Teil mit 70 Jahren noch an der Hobelbank stehen.“ Das, so die Brüder, wolle man sich ersparen.
Viele Krisen überstanden – aber diese nicht
Es gab Jahre, da habe man gehofft, dass man irgendwann den Betrieb an die Söhne weitergeben könne. Mathias hat einen, Frank zwei. So war das ja beim Uropa, beim Opa, beim eigenen Vater auch. Die Kette lief seit 1906, das Unternehmen überstand zwei Weltkriege, die Ölkrise und andere Durststrecken. Corona-Krise, Baustoffkrise, Ukraine-Krise und Fachkräftemangel: Diese vier Faktoren waren nun zu viel auf einmal.
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