
Ein Traditionsunternehmen an der Karlstraße zwischen Erin-Kampfbahn und Erin-Park gibt auf. Nach vier Generationen. © RVR 2022
Corona, Krise, Mangel: Uraltes Unternehmen in Obercastrop macht Schluss
Handwerks-Krise
Das Unternehmen führen die Castrop-Rauxeler Brüder Mathias und Frank in der vierten Generation. Ihr Uropa gründete es 1905. Nun wickeln sie es ab. Es geht nicht mehr, sagt einer der Geschäftsführer.
Diese Nachricht ist vielleicht nur ein Vorbote auf das, was uns in den kommenden Monaten und Jahren erwarten könnte: Ein Traditions-Handwerksunternehmen in Castrop-Rauxel beendet seine Geschäftstätigkeit.
Am Mittwochmorgen (6.7.) haben die Brüder Mathias und Frank Sartor eine Unterschrift beim Notar getätigt, die die Liquidaton der Sartor GmbH von der Karlstraße besiegelt. Den Brüdern, die die einzigen verbliebenen Mitarbeiter sind, fehlen die Fachkräfte, die eine Schreinerei und Tischlerei am Laufen halten.
Innenausbau, Messebau, Gastronomie: Das Segment war klar umrissen, in dem Objekteinrichtungen Sartor seine Aufträge annahm und vollzog. Über 100 Jahre lang ging das, das Unternehmen wuchs zwischenzeitlich auf 27 Angestellte an. Das war vor 20 Jahren. Und von da an „ging es nur bergab“, sagt Mathias Sartor.
Er verlässt die Immobilie an der Karlstraße also in spätestens einem Jahr. Nun will er sie mitsamt dem 4200 Quadratmeter großen Grundstück in Nachbarschaft der Kampfbahn Erin und mit dem Erin-Park vor der Haustüre verkaufen.
Neben dem Fachkräftemangel fehlen zurzeit Baustoffe. Schon in der Corona-Pandemie konnte man nur schwerlich seine Aufträge zeitgemäß abwickeln. Durch die Ukraine-Krise hat sich dieser Zustand verschärft.
„Exorbitanter Fachkräftemangel“
„In dem Arbeitsumfeld, in dem wir geschäftlich unterwegs sind, gibt es seit Jahren einen exorbitanten Fachkräftemangel“, schreibt Mathias Sartor in einem Brief an unsere Redaktion. „Es ist uns seit langer Zeit nicht möglich, für uns geeignetes, qualifiziertes Personal zu finden.“
Jahrelang habe man ausgebildet, mit dem Erfolg, dass aus ihren Azubis Architekten, Designer, Feuerwehrleute, Baumarktleiter und vieles mehr geworden seien. Aber auf Baustellen arbeiten? „Keiner will mehr schwitzen, keiner will mehr richtig arbeiten“, sagt Mathias Sartor im Gespräch mit unserer Redaktion.
Dabei habe man jahrelang alles versucht: mit Geflüchteten, mit Langzeitarbeitslosen, auf verschiedene Arten und Weisen. Und wenn dann ein guter Mann aus Syrien oder anderswo dabei war, dann gab es später bei dem Thema Überstunden Unstimmigkeiten. „Dabei waren einige dieser Leute gar nicht schlecht“, trauert Mathias Sartor so manchem hinterher.
Vor allem auch den Männern, die nach einer Gesetzesänderung zum Thema Überstunden im Rettungs- und Feuerwehrdienst ihr Handwerk ruhen ließen und zur Feuerwehr wechselten. Eine ganze Reihe von Mitarbeitern habe das getan, weil man dort einen Tag Dienst, einen Tag frei habe – und zwischendurch locker noch am eigenen Haus arbeiten könne. Der Alltag oder der Urlaub mit der Familie: viel besser planbar. Im Handwerk und auf dem Bau dagegen sei es um Überstunden und auch einigermaßen spontane Montagereisen gegangen.
Nicht geplante Baustopps und Verzögerungen
Und dann kam das dazu: „Corona hat unser Arbeitsumfeld entscheidend verändert.“ Es habe ununterbrochen nicht geplante Baustopps und Verschiebungen gegeben. Einen nicht kalkulierbaren Mehraufwand für ihn und seinen Bruder Frank in Sachen Zeit, Personal und Kosten. „Aus Kleinprojekten für zwei bis drei Wochen wurden Projekte, die zwei oder gar fünf Monate dauerten.“
Dazu komme „das Bauamt der Stadt nicht in die Gänge“, so Mathias Sartor, Corona habe Besuchstermine verzögert. Die Baustoff-Lieferkrise sei hinzugekommen. Jetzt werde der Strom durch den Krieg in der Ukraine exorbitant teurer für die vielen Maschinen, die sie betreiben. „Da wir familienintern keinen Nachfolger haben, haben wir den eigentlich geplanten Beendigungstermin für unsere betriebliche Unternehmung um fünf Jahre vorgezogen“, so Mathias Sartor. Er ist 56 Jahre alt, sein Bruder Frank 55. Die drei Söhne haben sich für andere Berufslaufbahnen entschieden.
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.
