Israel-Flagge auf Gedenkfeier in Castrop geklaut Bürgermeister und Regierungspräsident schreiten ein

Vorfall auf Reichspogromnacht-Kundgebung: Polizei ermittelt nach Schweigemarsch
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Am 85. Jahrestag der Reichspogromnacht vom 9.11.1938 haben rund 300 Menschen an der Gedenkveranstaltung in der Castroper Altstadt teilgenommen. So wie in vielen anderen Städten in der Umgebung auch. Im Kreis Recklinghausen und Bottrop lief nach Angaben der Polizei im Nachgang alles weitgehend störungsfrei. Nicht so in Castrop-Rauxel. Hier waren sogar Regierungspräsident Andreas Bothe und Bürgermeister Rajko Kravanja persönlich involviert.

Die Polizei hatte ihre Präsenz im gesamten Kreisgebiet im Vorfeld erhöht. In Castrop-Rauxel schützten mehrere Streifenwagen mit Beamten den Schweigemarsch, der vom Jüdischen Friedhof nach der Niederlegung eines Kranzes die Obere Münsterstraße und Münsterstraße hinab zog zum Platz der Synagoge, dem Simon-Cohen-Platz. Es verlief auch hier vordergründig alles ruhig und ohne Vorfälle. Doch nicht ganz.

Zwei junge Frauen nahmen nach Angaben der Polizei einem 56-jährigen Mann während der Versammlung eine Israel-Fahne weg, mit der er am Schweigemarsch teilnahm. Damit seien sie weggerannt.

Bürgermeister Rajko Kravanja soll den beiden Frauen gefolgt sein und habe die Polizei hinzugezogen. Letztlich stellten die Beamten die beiden Frauen. Sie waren 16 und 19 Jahre alt. Der Staatsschutz habe die Ermittlungen aufgenommen, hieß es weiter.

Kravanja: Jüdische Familien in Angst

Kravanja hielt auf der Kundgebung eine Gedenkrede. Darin erzählte er von seiner Teilnahme an einer vorherigen Kundgebung vor zwei Wochen in Recklinghausen. In deren Zuge sei er von Castrop-Rauxelern jüdischen Glaubens angesprochen worden. Sie lebten inzwischen in Angst, hätten sie ihm erzählt. Das habe ihn sehr betroffen gemacht, so Rajko Kravanja in seiner Rede.

Bei dem Fahnen-Vorfall soll es nicht zu größere Gewaltanwendung gekommen sein. Von etwaigen Verletzten ist nicht die Rede. Aber eine Fahne zu entwenden, ist doch als Affront und mindestens Provokation zu werten. Vor allem angesichts des Anlasses und der sehr ruhigen Stimmung und Andächtigkeit, die diese Kundgebung Jahr für Jahr in gewisser Weise auszeichnet.

Bürgermeister Rajko Kravanja bei der Kundgebung auf dem Simon-Cohen-Platz. Hier stand bis November 1938 die Castroper Synagoge.
Bürgermeister Rajko Kravanja bei der Kundgebung auf dem Simon-Cohen-Platz. Hier stand bis November 1938 die Castroper Synagoge. © Nora Varga

Organisiert wird der Schweigemarsch vom Stadtjugendring und dem Team Jugendarbeit der Stadt. Schülerinnen und Schüler verschiedener Schulen und diverse Jugendzentren beteiligten sich intensiv an der Vorbereitung und Durchführung. Mit der Veranstaltung wollen die Organisatoren das Erinnern an die Verbrechen des Holocaust aufrecht erhalten. Stichworte sind „Nie wieder“ und „Gegen das Vergessen“.

Die Beteiligung war angesichts der Weltlage in diesem Jahr weit höher als in den vergangenen Jahren.

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