Gehweg oder Straße Wo dürfen Radfahrer auf dem Altstadtring in Castrop-Rauxel fahren?

Gehweg oder Straße: Radler haben die Wahl zwischen Pest und Cholera
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„Auf dem Altstadtring fahren viele Autos und Busse. Den Radfahrern muss ein notwendiger Schutz gegeben werden, damit sie diese Strecke sicher und komfortabel befahren können“, erklärte Michael Werner, Vorstand des Stadtbetriebs EUV, gegenüber unserer Redaktion im Oktober 2020.

Der Baubeginn der Umgestaltung des Rings inklusive eines breiten Radfahrstreifens wurde für Anfang 2021 angekündigt und mehrfach verschoben. Nadja Leihs, Pressesprecherin der Regionalniederlassung Ruhr von „Straßen.NRW“, geht jetzt von einem Baubeginn im Laufe des nächsten Jahres aus.

Entfernung der Beschilderung

Überraschenderweise hat sich nun etwas auf dem Altstadtring getan. Die Verkehrsschilder, die den kombinierten Geh-Radweg bisher benutzungspflichtig machten, sind abgenommen worden. Michael Nickel, Pressesprecher der Stadt, erklärt diese Maßnahme: „Die Entfernung der Beschilderung erfolgte nach einem Hinweis der Kommission der AGFS (Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in Nordrhein-Westfalen).“

Nickel stellt in Aussicht, dass bis zur Umgestaltung des Altstadtrings Fahrrad-Piktogramme auf den Gehwegen angebracht werden. Sie sollen aufzeigen, dass die Nutzung des Bürgersteigs für Radfahrende weiterhin möglich ist. Das Auftragen der Piktogramme sei aufgrund der Witterung bisher nicht möglich gewesen.

Lothar Widlitzki vom ADFC ist viel mit dem Fahrrad in Castrop-Rauxel unterwegs.
Lothar Widlitzki vom ADFC ist viel mit dem Fahrrad in Castrop-Rauxel unterwegs. © Dieter Düwel

Radfahrer müssen sich entscheiden

Wie sollen sich Radfahrer zwischen Engelsburgplatz und Altstadt jetzt verhalten? Dazu Michael Nickel: „Die Pflicht für Radfahrende, den Bürgersteig zu nutzen, ist aufgehoben.“ Sie können also nach eigenem Ermessen entscheiden, ob sie legal auf der Straße fahren möchten oder auf dem jetzt nicht mehr benutzungspflichtigen Geh-Radweg.

Aus der Sicht des ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club) ist es keine gute Lösung, das Radfahren auf dem Geh-Radweg und der Straße parallel zu erlauben. Lothar Widlitzki, Vorsitzender des ADFC Castrop-Rauxel, sieht die Folgen sehr kritisch: „Der kombinierte Rad-Fußweg ist aufgrund der geringen Breite und der Beschaffenheit für das Radfahren nicht geeignet. Außerdem wären die Autofahrer irritiert, wenn Radfahrer mal auf dem Gehweg und mal auf der Straße fahren.“ Er fordert daher, zumindest Zusatzschilder aufzustellen, die darauf hinweisen, dass Radfahrer auch auf der Straße fahren dürfen.

Die Beschaffenheit des Geh-Radwegs am Altstadtring lässt einiges zu wünschen übrig.
Die Beschaffenheit des Geh-Radwegs am Altstadtring lässt einiges zu wünschen übrig. © Dieter Düwel

Pop-up-Radweg als Übergangslösung

Aber die Vorschläge des ADFC gehen noch einen Schritt weiter, um die Radfahrer auf dem Altstadtring zu schützen. „Als Sofort- und Übergangsmaßnahme schlagen wir die Einrichtung eines Pop-up-Radwegs vor. Damit wären Fußgänger und Fahrradfahrer ausreichend geschützt“, erklärt Lothar Widlitzki.

„Bei dem geplanten Altstadtring-Umbau soll ein breiter Radweg auf der Straße angelegt werden. Mit dem Pop-up-Radweg könnten schon vorher Erfahrungen gesammelt werden“, so der ADFC-Vorsitzende.

Erste Erfahrungen mit der neuen Regelung konnte Lothar Widlitzki bereits sammeln: „Ich bin in der letzten Woche mit dem Rad auf dem Altstadtring gefahren. Die Autofahrer haben sehr spät realisiert, dass ich dort unterwegs war, entsprechend gering waren die Abstände beim Überholvorgang.“

Ungeduldige Autofahrer

Auch der Autor dieses Artikels machte einen Selbstversuch und kann diese Beobachtungen teilen. Geringe Abstände beim Überholen sowie ständiges Hupen ungeduldiger Autofahrer lassen die Benutzung des schlechten Rad-Gehwegs als das geringere Übel für Radfahrer erscheinen.

Lothar Widlitzki bedauert es sehr, dass die Umgestaltung des Altstadtrings immer wieder verschoben wird: „Mit dem Umbau könnten das Land NRW und die Stadt Castrop-Rauxel ein Zeichen setzen, dass die Verkehrswende einen hohen Stellenwert hat.“

Ein Pop-up-Radweg ist ein kurzfristig eingerichteter Radweg, der in einer akuten Gefahren- oder Krisensituation oder bei plötzlich veränderten Rahmenbedingungen im Straßenverkehr schnell für mehr Platz und Sicherheit im Radverkehr sorgen soll. Teilweise werden die neuen Radwege auch als ein Sprung in einer sich längerfristig vollziehenden Verkehrswende betrachtet.

AGFS: Die Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in Nordrhein-Westfalen setzt sich seit 1993 für die Förderung aktiver Mobilität ein. Die Basis dafür bildet eine sichere, durchgängige und komfortable Infrastruktur für den Fuß- und Radverkehr.

Am 19. Mai 2023 begrüßten Oliver Krischer, Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, und Christine Fuchs, Vorstand der AGFS NRW, die Stadt Castrop-Rauxel als offizielles Mitglied und überreichten die Mitgliedsurkunde an Bürgermeister Rajko Kravanja.

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