Winfried Grohsmann verlässt die Gemeinde St. Lambertus und den Pastoralverbund Süd in Castrop-Rauxel und wechselt als Gefängnispfarrer in die JVA Werl. Warum? Das hat er uns bei einem Termin auf dem Friedhof auf Schwerin erzählt.

© Tobias Weckenbrock

Pfarrer Winfried Grohsmann geht ins Gefängnis

rnKatholische Kirche

Erst kursierte es als Gerücht, nun steht es fest: Der Pastor von St. Lambertus verlässt die Stadt Castrop-Rauxel in Richtung Knast. Er geht in eines der größten Gefängnisse Deutschlands.

Castrop-Rauxel

, 17.04.2021, 08:55 Uhr / Lesedauer: 3 min

Ehrwürdig liegt das Gebäude da, eingezäunt ist es, ein Hochsicherheitstrakt. Über 1000 Menschen sind hier eingesperrt, darunter extrem gefährliche Straftäter in Sicherungsverwahrung. Mehr als 500 Menschen arbeiten in einem der größten Gefängnisse Deutschlands. Und bald auch ein Pastor aus Castrop-Rauxel: Winfried Grohsmann, der hier 25 Jahre Pfarrer war, wechselt als Gefängnispfarrer nach Werl im Kreis Soest.

Was als Gerücht schon seit Wochen durch Castrop-Rauxel geistert, bestätigte der 60-Jährige nun im Gespräch mit unserer Redaktion. Damit nähert sich der Mann, der seit 16 Jahren den Pastoralverbund Süd und die Altstadt-Gemeinde St. Lambertus leitet, seiner ostwestfälischen Heimat Rheda-Wiedenbrück an.

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Seine Nachfolge ist schon geregelt: Christoph Gundermann (55), geboren und aufgewachsen in Lünen, kommt aus einer riesigen Flächen-Fusionsgemeinde im sauerländischen Lennestadt mit 43 angeschlossenen Dörfern in den Pastoralverbund Süd mit seinen seinen Gemeinden St. Lambertus, Heilig Kreuz, Heilige Schutzengel, St. Marien, St. Elisabeth und St. Franziskus.

Neue Aufgabe für letzte Etappe des Kirchendienstes

Beide bezeichneten ihre Wechselwünsche, die sie selbst voran trieben, als eine neue Aufgabe für den letzten dienstlichen Lebensabschnitt. Jetzt seien sie noch in einem Alter, in dem sie neue Aufgaben und neue Lebensräume erschließen könnten. Was bei Gundermann als Entschluss seit Herbst 2020 reifte, hat bei Grohsmann eine noch längere Reifezeit.

Klar sei für ihn gewesen, dass er seinen Lebensabend nicht in Castrop-Rauxel verbringen wolle. Auch wenn er hier die wohl besten 25 Jahre seines Lebens hatte, wie er in einem Gespräch mit unserer Redaktion schon vor einiger Zeit sagte, und die Menschen mit ihrer besonders direkten Art in der Europastadt sehr mag.

Winfried Grohsmann im Interview mit unserer Redaktion auf dem Schweriner Friedhof: „Ich habe keine Angst.“

Winfried Grohsmann im Interview mit unserer Redaktion auf dem Schweriner Friedhof: „Ich habe keine Angst.“ © Tobias Weckenbrock

Antrieb zum Wechsel sei aber auch das besondere Aufgabenfeld in der Gefängnisseelsorge gewesen. Man treffe dort auf Menschen in einer speziellen Lebenssituation, die Begleitung bräuchten, weil sie selbst in einer Sinnkrise oder in der Suche nach dem eigenen Ich steckten. Er selbst habe keine Angst, sagt er im Video-Interview mit unserer Redaktion. Auch fühle er keine Beklemmung durch das Eingesperrtsein hinter Gefängnismauern.

Er wird damit späterer Nachfolger des verstorbenen Franz-Günther Wachtmeister, den er in seiner eigenen Jugend kennenlernte und über den er erstmals in Kontakt mit dem Gefängnis kam.

In seinen 25 Jahren in Castrop-Rauxel begegnete er dann aber auch Menschen mit direktem JVA-Kontakt: „Ich habe manch eine Beerdigung für Männer gemacht, die im Gefängnis waren, und deren Kinder hier mit uns um sie trauerten“, erzählt Grohsmann. Diese Entlassung von Menschen nach dem Tode aus dem Gefängnis und die Begegnungen mit ihren Angehörigen hätten ihn stets fasziniert.

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„Ich habe geschaut, was für mich das i-Tüpfelchen sein könnte in meiner beruflichen Laufbahn“, so Grohsmann. Seit Jahren lief dieser Prozess nun schon. Immer wieder mal tauchte er in Werl auf, schaute sich die Arbeit dort an. „Mein Impuls darauf war am stärksten: Wenn etwas anderes, dann das“, erklärt der Pastor. In Begegnungen mit Gefangenen habe er stets „noch ganz andere Aufbrüche“ in sich selbst erlebt. „Das Plakative, hier sind die Schlechten, da draußen die Guten, das ist nicht die Wahrheit“, sagt er.

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Zu seinem Abschied: Alle Priester, die hier vor ihm tätig gewesen seien, seien hier wohnen geblieben – obwohl die Erzählung sagt, es sei besser, man zöge fort. „Ich habe eine große Dankbarkeit, sie haben Vorbildcharakter für mich“, so Grohsmann. „Sie haben sich nie in etwas reingemischt, das ich getan habe – dabei kann ihnen nicht alles gefallen haben, denn dafür sind wir zu unterschiedlich“, sagt Grohsmann im großen Video-Interview.

Einmischen will er sich nun nicht mehr

Genauso habe sein Nachfolger Christoph Gundermann ein Recht darauf, dass er sich auf der Seite der Altpfarrer ihm gegenüber loyal verhalte, sprich: sich aus den Dingen künftig heraushalte. Er habe zuletzt lediglich mit der Gemeinde ein Ave Maria für ihn gebetet. „Beten kann ich, das ist eine gute Einmischung. Die engt nicht ein. Aber damit soll es dann auch gut sein.“

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Grohsmann wird aber eine deutliche Handschrift hinterlassen: In den vergangenen Jahren stieß er gemeinsam mit Gemeinde-Verantwortlichen allein mehrere große Bauprojekte an. Zuletzt waren das die Franziskushöfe (26 Seniorenwohnungen, größere Kita, neue Gemeinderäume) und der Umzug der Kirche auf Schwerin auf den Friedhof in die Kapelle.

Zuvor war es der Bildungscampus in der Altstadt mit Rochus-Kindergarten, neuem Jugendtreff Marcel-Callo-Haus und weiteren Einrichtungen, die folgen werden. In Frohlinde soll bald an die Schutzengel-Kirche eine neue Sakristei und ein größeres WC angebaut werden.

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Pfarrer Gundermann übernimmt die Arbeit in der Gemeinde am 1. Oktober 2021. Er tritt in große Fußstapfen und muss vielleicht auch große Aufgaben bewältigen, die sich mit der Zukunft der Kirche befassen: Gemunkelt wird in Gläubigen-Kreisen schon von einer Verschmelzung der beiden Pastoralverbünde Süd und Corpus Christi zu einer Großpfarrei.