
Sophia Wibbeke und die Röhre Nummer 3 des Parkhotels am Hof Emscher-Auen. Erschaffen vom österreichischen Künstler Andreas Strauss und nach den Standorten Linz und Bottrop das dritte seiner Art. © Sophia Wibbeke
Parkhotel an der Emscher im Test: Ist das Kunst oder kann man da schlafen?
Das Parkhotel
Anfang Juli. Tolles Wetter. Wir buchen eine der drei Betonröhren, die als „DasParkhotel“ jetzt an der Emscher stehen. Wie ist es, im Niemandsland zwischen Dortmund und Castrop-Rauxel zu übernachten?
Eine Betonröhre als Hotel? Als Sophia Wibbeke, gerade neu als Praktikantin in unserer Redaktion, davon erfährt, will sie gleich aufs Ganze gehen: Als Neuling in Castrop-Rauxel eine Besonderheit entdecken und bewerten – das wär‘s. So recherchiert sie erst zum Thema und probiert „DasParkhotel“ dann selbst aus.
Ein Tag am Hof Emscher-Auen, die Übernachtung in einem Kanalrohr aus Beton: Wie ist das wohl? Ein Naturerlebnis mit neuen Kontakten und einer der merkwürdigsten Nächte seit Langem: Wir haben sie gebeten, das kleine Alltags-Abenteuer mit Sternen zu bewerten. Das kam dabei raus:
Atmosphäre
Das Erlebnis beginnt verspätet. Als Großstadtkind bin ich es gewohnt, schnell und direkt von A nach B zu kommen. An der renaturierten Emscher hier in Ickern dominiert jedoch die Natur. So ist mein ersehntes Ziel zwar stets in Sichtweite, zwischen uns zieht sich aber die Emscher entlang und lässt mich einfach nicht vorbei. Gelegenheit genug, das Naturspektakel aus allen Richtungen zu bewundern, immerhin führt der Weg mich über eine halbe Stunde rund um den Hof Emscher-Auen und die Seen dieses speziellen Hochwasser-Rückhaltebeckens.

Der atemberaubende Ausblick zum Sonnenuntergang. Hof Emscher-Auen ist wirklich sehenswert. © Sophia Wibbeke
Auch auf dem Hof selbst festigt sich der Eindruck: Ich bin hier mitten in der Natur. Der fast vollständig verlassene Hof im Licht des Sonnenuntergangs steht beispielhaft dafür: Wer hier seine Zeit verbringt, macht das allein wegen des wunderschönen Naturschauspiels und der Abgeschiedenheit. Der ganzen Atmosphäre vor Ort gebe ich 5 von 5 Sternen.
Schlafkomfort
Noch am Abend vor der eigentlichen Übernachtung lerne ich Petra Schönhofer kennen. Sie und ihre Tochter Melody bewohnen die Betonröhre direkt neben mir. Sie haben bereits eine Nacht hinter sich, vier weitere seien geplant. „Es ist wirklich wunderschön hier“, bestätigt die Frau meinen eigenen Eindruck. Am Abend kommen wir kurz ins Gespräch und ich erhalte einen ersten Eindruck zum Schlafkomfort. Der wird sich später bestätigen.

Ein Blick in die Röhre. Derart komfortabel und hergerichtet sind die nachgebauten Abwasser-Betonrohre. Großes Manko: die stehende Luft. © Sophia Wibbeke
„Es ist wirklich besser, mit offener Tür zu schlafen, die Luft steht in der Röhre“, versucht mich Petra Schönhofer noch vorzuwarnen. Auf sie zu hören, hätte mir mit ziemlicher Sicherheit eine bessere, wenn auch weniger authentische Nacht beschert. Mein Versuch, für guten Luftaustausch zu sorgen, indem ich die Tür für zwei Stunden offen lasse, kann das Problem so wenig beheben wie die zwei kleinen Gucklöcher, von denen sich nur eines öffnen lässt.
Der restliche Schlafkomfort steht in großem Kontrast zum Röhrenklima: Das Bett mit seinen Maßen von 2 x 1,20 Metern ist inklusive frischer Bettwäsche so gemütlich, dass ich schnell in den Schlaf gleite. Daher gebe ich dem gesamten Komfort 4 von 5 Sternen.
Ausstattung
Ganz wie in einer berühmten britischen Science-Fiction-Serie erscheint die Abwasserröhre innen größer als noch von draußen. Der Stauraum besteht aus einer an die Kurven der Röhre angepassten Holzkiste, die seitlich an das Bett anschließt und die man nur bei genauer Beobachtung als solche erkennt. Dort befindet sich Stauraum für geschätzt zwei große Sporttaschen.
Vor dem Bett befinden sich drei 230-Volt-Steckdosen, die man frei verwenden kann. Lediglich eine sollte für die Tischlampe reserviert bleiben, da man sonst nach Einbruch der Dunkelheit in der Röhre wirklich nichts mehr sieht. W-Lan oder eine Kühlmöglichkeit für Speisen, mit denen man sich selbst versorgen muss, gibt es leider nicht. Die gewollt sporadische Ausstattung, die der österreichische Künstler in seinem Begriff „Gastfreundschaftsgerät“ wunderbar verpackt, bekommt 4 von 5 Sternen.
Waschmöglichkeiten
Zur Körperpflege befindet sich in 200 Metern Entfernung zu den Röhren ein Badmobil. Das ist etwa drei Quadratmeter groß: Dusche, Toilette und Waschbecken. Kaum bin ich das erste mal drin, macht sich der Camping-Charme breit. Besonders lobenswert ist: Es ist super-sauber.

Hier kann man sich waschen, duschen und auf die Toilette. Das Badmobil ist klein, aber dafür gut ausgestattet und gepflegt. Wenn es nur noch etwas näher am Schlafplatz stünde... © Sophia Wibbeke
Wäre da nicht die Entfernung, wäre das locker eine Top-Bewertung geworden. Doch macht der Weg zur Toilette oder der Dusche Probleme. Zum einen kann man aufgrund des Schotters des Hofes Emscher-Auen nicht mal schnell zur Toilette, wenn man dringend muss. Dass der Weg mitten über den Hof führt, ist auch nicht so angenehm, wenn es schnell gehen soll.
Nachts entsteht ein neues Problem: Es ist kaum Licht vorhanden. Das kann gerade für Camping-Neulinge unangenehm sein. Und wenn wir schon bei unangenehm sind: Sobald die Sonne scheint, muss man für seinen morgendlichen Waschgang vorbei an arbeitenden Gärtnern und Handwerkern. Die können nichts dafür, es ist aber für manch einen vielleicht nicht so angenehm, ungewaschen und noch im Halbschlaf fremden Leuten zu begegnen. Daher gebe ich der Hygiene-Erfahrung 3 von 5 Sterne.
(Hinweis: In Zukunft ist angedacht, in der Scheune des Hofes ein festes Bad und eventuell auch eine Kochnische einzurichten.)
Fazit
Die renaturierte Emscher bietet ein Erlebnis, das einen vergessen lässt, mitten im Ruhrgebiet zu sein. Wer natürliche Lebensräume liebt, einen tollen Ausblick haben und gleichzeitig auf den Großstadtluxus nicht verzichten möchte, der muss mal eine oder zwei Nächte im Parkhotel verbringen!
Die Einschränkungen sollte man vorher einkalkulieren. Insekten sind mannigfaltig vorhanden, in der Nacht ist es stockduster und in der Röhre empfindet man die Luft schnell als abgestanden, stickig und warm. Für mich waren diese Dinge erwartbar, und wer gern campen geht, kennt diese geschilderten Mankos ohnehin.
Daher spreche ich eine klare Empfehlung aus. Selbst wertfrei gesprochen: Dieses Erlebnis, das man nur hier, in Bottrop und im österreichischen Ottensheim in dieser Form haben kann: Es ist einzigartig.