Niko, wie teuer kostet eine Pommes? Diese Frage hörte Nikolaus Kazinakis – der von allen nur Niko gerufen wird – genau so schon unzählige Male von hungrigen Kindern. Über 20 Jahre lang führte er im Sommer den Kiosk im Parkbad Nord und das ganze Jahr über das Bistro Caprice im Castrop-Rauxeler Hallenbad. Zum 15. Februar gibt der 53-Jährige die Schlüssel zurück an die Stadt – „mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, wie er während der Aufräumarbeiten sagt.
Erst Lehrgeld gezahlt
Niko Kazinakis hat einst selbst im Freibad in Castrop-Rauxel das Schwimmen gelernt. Aber nicht im Schwimmkurs, sondern einfach von seinen Eltern – „so wie es damals eigentlich alle gelernt haben.“ Danach sei das Freibad im Sommer für ihn als Kind und Jugendlichen das Ziel Nummer 1 gewesen. „Heinz-Robert Schäfer hat mich auch schon rausgeschmissen, als ich über die Leine ins Wasser gesprungen bin“, muss er zugeben und lacht. Dass der kleine Niko später mal den Kiosk im Parkbad Nord führen wird, haben damals natürlich weder er noch der spätere Bäderleiter geahnt.
Hinzu kommt, dass Niko Kazinakis gar nicht in der Gastronomie gelernt hat. 1986 macht er eine Ausbildung zum Automechaniker bei Nissan Rabert in Castrop. Doch lange hält es ihn nicht in diesem Job. Bei seinem inzwischen verstorbenen Schwager Willi Exuzidis, der damals den Kult-Imbiss Nordgrill in Habinghorst leitet, lernt er die Gastronomie von innen kennen. „Von ihm habe ich viel gelernt und mich reingefuchst“, sagt er.

Mit 22 eröffnet Niko Kazinakis dann seinen ersten Kiosk in Castrop-Rauxel, bald kommen noch ein zweiter und ein dritter hinzu. Das sei „eine gute Erfahrung“ gewesen. Er lernt, sich mit verschiedensten Menschen zu unterhalten und mit Geld umzugehen. Doch in dieser Zeit habe er auch Lehrgeld zahlen müssen. Was er damit genau meint? „Etwa Verträge genau zu lesen“, sagt Niko Kazinakis heute. Er sei aber immer „mit einem blauen Auge“ davongekommen. Trotzdem hat er gelernt: „Du musst am besten alles können, dann kann dir keiner was erzählen.“
2000 im Hallenbad eröffnet
Nachdem sich Niko Kazinakis 1999 mit der Stadt Castrop-Rauxel darauf einigt, das Bistro im Hallenbad zu betreiben, muss es zunächst knapp ein Jahr lang umgebaut werden. Unter anderem pocht der junge Gastronom auf eine Außentreppe, um unabhängig von den Zeiten des Hallenbads öffnen zu können. Eine kluge Entscheidung, wie sich später zeigen wird. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg.
Nach der Eröffnung 2000 versucht der Gastronom im Bistro Caprice zusätzlich zum klassischen Schwimmbadimbiss ein griechisches Restaurant zu etablieren – deshalb sind auch bis zuletzt die typisch griechischen Ornamente an der Theke zu sehen. Doch beide Konzepte in nur einem Gastraum gestalten sich schwierig. „Zitternde Schwimmbad-Gäste mussten dann im Restaurant ihre Pommes bestellen und während Familien am Tisch griechisches Moussaka oder Pastizio aßen, kamen Gruppen in Sportkleidung herein und bestellen lautstark ihr Hefeweizen“, erzählt Niko Kazinakis. „Wie blöd ist das denn für alle?“

Er hat Verständnis und viel Sympathie für beide Seiten: „Ich wollte niemandem vor den Kopf stoßen.“ Trotzdem muss sich der Gastronom nach rund vier Jahren wieder von der Doppelidee verabschieden. Seine Lösung: „Griechische Küche komplett raus, aber dann am Wochenende versuchen, Events zu starten. Das hat sehr gut geklappt.“
Das Bistro komplett aufzugeben, kam nicht Frage: „Im Bistro Caprice war richtig Herzblut drin“, sagt Niko Kazinakis. Doch auch das Saisongeschäft im Parkbad Nord in den Sommermonaten sei eine „richtig gute“ und vor allem verlässliche Sache gewesen.
Unzählige Partys gefeiert
So wächst auch Nikos Sohn Leonidas im Freibad-Kiosk und im Bistro Caprice auf. Mal wischt er einen Tisch ab, mal staubt er das Trinkgeld ab. „Heute ist Leonidas 13 und geht selbst mit seinen Jungs im Freibad steil“, sagt Niko Kazinakis. „Je älter er wird, desto uncooler findet er es, was sein Vater macht. Aber das ist ja ganz normal.“ Ob der 53-Jährige seinem Sohn empfehlen würde, ebenfalls Karriere in der Gastronomie zu machen? Nein. Ob er selbst nochmal Gastronom werden würde? „Immer wieder“, sagt Niko Kazinakis. „Es hat Bock gemacht. Allein die Partys, die wir im Bistro gefeiert haben.“

Während es dort unter der Woche durchaus ruhiger zuging, wurde am Wochenende gefeiert – auch mal an zwei Abenden in Folge: Firmenfeiern, gemütliches Beisammensein zum 70. Geburtstag oder wilde Partys zum 18. Noch heute wird Niko Kazinakis von vielen jungen Castrop-Rauxelerinnen und Castrop-Rauxelern angesprochen, die bei ihm ihre Volljährigkeit feierten. Für bis zu 150 Menschen war Platz im Bistro Caprice – und der wurde häufig ausgereizt.
Oft wurde bis morgens um fünf oder sechs gefeiert. Irgendwann machte Niko Kazinakis dann schonmal ein Fenster auf oder drehte die Musik etwas leiser. „Aber herausschmeißen musste ich noch nie jemanden“, betont er. Wenn ihn eine Gruppe zum Mittanzen aufgefordert oder auf einen Ouzo eingeladen hat, habe er nie abgelehnt. „Ich weiß nicht, wie viele Sirtaki ich hier getanzt habe“, sagt er.
Die schönsten Partys im Bistro seien für ihn aber trotzdem die Feiern mit seiner eigenen Familie und Freunden zu Weihnachten, Neujahr und zu Geburtstagen gewesen. „Doch egal wie lange es ging, wir hatten trotzdem am nächsten Morgen um 11 Uhr wieder auf“, sagt er.
Schwere Suche nach Personal
Die Arbeit als Gastronom sei für ihn schon immer mehr als ein Job zum reinen Geldverdienen gewesen. „Ich will gar nicht wissen, wie viele Waren wir in all den Jahren verschenkt haben“, sagt er. Aber was habe er denn sonst machen sollen, wenn sich ein kleines Mädchen im Freibad-Kiosk erst eine große Tüte Süßigkeiten zusammenbestellt, dann die Hand öffnet und nur Geld für einen Bruchteil davon dabei hat? Ihr die Süßigkeiten wieder wegnehmen? Das habe er nicht übers Herz bringen können.

Aber es war auch nicht immer alles gut. Gastronomie könne anstrengend sein und aus verschiedenen Gründen an den Nerven zehren. Zuletzt waren das vor allem die steigenden Kosten und der Fachkräftemangel. Der Dienstplan und die Organisation seien im Freibad schon immer eine Herausforderung gewesen. Bei Regen zu viele Angestellte eingeteilt zu haben, sei schlimm, aber allein vor einer über 30 Meter langen und genervten Schlange zu stehen noch schlimmer, sagt er: „Aber ich wusste immer: ‚Wenn alle Stricke reißen, hilft meine Familie mit.‘ Bei uns Südländern ist der Zusammenhalt noch größer.“ Seit der Coronapandemie sei es allerdings nochmal deutlich schwerer geworden, überhaupt Personal zu finden.
Auch deshalb traf der 53-Jährige zusammen mit seiner Familie im vergangenen Jahr die Entscheidung, die Verträge mit der Stadt nicht mehr zu verlängern. Das sei kein leichter, sondern ein lang überlegter Entschluss gewesen. „Ich kann mehr Zeit mit der Familie verbringen und die Wochenenden sind endlich mal frei, das ist ein Highlight“, freut sich Niko Kazinakis. Gastronom bleibt er trotzdem noch, nämlich bei Tante Emmas Frühstücksservice an der Römerstraße und im Sommer im Freibad in Waltrop.
Pommespreis fast verdoppelt
Doch wie teuer ist denn nun eine Portion Pommes bei Niko Kazinakis gewesen? „2002 kostete sie noch 1,40 Euro“, erinnert sich der Gastronom. Damals wurde die neue Währung gerade erst eingeführt. „Zuletzt kostete die Pommes 2,70 Euro“, sagt Niko Kazinakis. Warum die Pommes im Freibad überhaupt so lecker schmecken, dazu hat er übrigens seine eigene Theorie: „Es geht nicht nur um die Qualität, sondern auch um das Flair drumherum.“
Deshalb gebe es auch gar keine schlechte Freibad-Pommes, sondern nur gute, sehr gute und im schlechtesten Fall immer noch durchschnittliche. Dass es auch in Zukunft in Castrop-Rauxel wieder Freibad-Pommes geben wird, daran hat Niko Kazinakis keine Zweifel. Er hofft, dass die Stadt bald einen Nachfolger für ihn findet. Die Lücke ist groß.
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