Ein Partei-Plakat sorgt in Castrop-Rauxel für Diskussionen. Das ist legitim. Die Aussage aber muss ausgehalten werden, hat ein Gericht entschieden.

© Marcia Köhler

„Nazis töten.“ Als Demokrat muss man sehr vieles aushalten können

rnKommentar

„Nazis töten.“ und „Soldaten sind Mörder“ und „Die Pandemie gibt es nicht“: Botschaften, über die man streiten kann, die verstören, die entsetzen mögen. Aber Demokraten müssen sie aushalten.

Castrop-Rauxel

, 01.09.2020, 20:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Die Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (kurz: „Die Partei“) provoziert. Natürlich provoziert sie, könnte man hinzufügen. Genau dafür ist sie von Redakteuren des Satiremagazins „Titanic“ gegründet worden.

Und so will sie mit einem Wahlplakat wie „Nazis töten.“, das gerade in Castrop-Rauxel wie zuvor und gleichzeitig in vielen anderen Orten heftig diskutiert wird, Menschen zum Widerspruch provozieren. Das liegt quasi in ihrer DNA.

Darf man sich davon provozieren lassen, darf man sich darüber aufregen, dass darin vermeintlich eine Aufforderung zur Tötung von Nazis ausgesprochen wird?

Natürlich darf man das. Sogar Nazis dürfen sich darüber aufregen, auch wenn alle Nazis unserer Tage an anderer Stelle immer vehement darauf hinweisen, dass es Nazis seit 1945 nicht mehr gebe. Weshalb man die Aufregung der Nazis eigentlich gar nicht so recht verstehen kann, denn sie können dann ja unmöglich gemeint sein.

Sind Nazis das Objekt oder das Subjekt?

Alle anderen Menschen dürfen sich zu Recht oder zu Unrecht über die Botschaft aufregen, die „Die Partei“ da auf ihren Plakaten verkündet. Und sie dürfen damit sogar vor Gericht gehen, wie in Bielefeld geschehen. Müssen dann aber auch damit leben, dass das Gericht sagt: Kann man als Aufforderung verstehen, Nazis zu töten. Muss man aber nicht. Weil da ja ein Punkt steht, der den Satz zu einer Aussage macht und nicht zu einer Aufforderung, der die Nazis nicht zum Objekt, sondern zum Subjekt des Satzes macht.

Und an der Tatsache, dass Nazis töten, gibt es gesellschaftlich keinen Zweifel. Historisch gesehen nicht und aktuell auch nicht, wenn man sich die NSU-Morde und die Geschehnisse von Hanau und Halle vor Augen führt.

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Nun könnte man noch ins Feld führen, dass dementsprechend ja auch die Aussagen „Menschen töten.“, „Schwarze töten.“ oder „Moslems töten.“ dann akzeptabel sind. Nun. Das muss man wahrscheinlich auch akzeptieren. Es ist nur niemand da, der es auf ein Wahlplakat schriebe. Wenn es den gäbe, könnte man wiederum vor Gericht klären lassen, ob die Aussage akzeptabel sei.

So funktioniert Demokratie nun einmal. Wir haben, auch wenn das von Corona-Leugnern, Rechtsnationalen, besorgten Bürgern, Impfgegnern oder Verschwörungsphantasten behauptet wird, in unserem Land das starke Recht auf freie Meinungsäußerung. Festgehalten im Grundgesetz.

Gerichte treten für die Meinungsfreiheit ein

Und für dieses Grundrecht treten die deutschen Gerichte ein, als unabhängige dritte Gewalt im Staate. Da darf eine Stadt wie Berlin versuchen, eine Corona-Demo zu verbieten, wird von einem Verwaltungsgericht mit Verweis auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit aber dazu genötigt, eine Demo mit Rechtsradikalen, verstörten Vegan-Köchen und Hare-Krishna-Jüngern zulassen zu müssen. Mit bekanntem Ausgang.

Da dürfen sich Bundeswehrsoldaten von der Aussage „Soldaten sind Mörder“ beleidigt fühlen. Müssen sich dann aber vom Bundesverfassungsgericht in letzter Instanz erklären lassen, dass dieses Zitat von Tucholsky keine Beleidigung darstelle und deshalb auch nicht bestraft werden dürfe. Denn das Tucholsky-Zitat sei so lange vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt, wie es sich um eine allgemeinpolitische Aussage handele.

Demokratie tut manchmal eben sehr weh

Da dürfen sich Castrop-Rauxeler natürlich vom Plakat der Partei mit der Aussage „Nazis töten.“ abgestoßen fühlen, dürfen fragen, ob man da nicht den entscheidenden Schritt zu weit gehe. Müssen sich dann aber das Bielefelder Urteil vor Augen halten, das die Aussage vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt sieht.

Alle diese Fälle zeigen eines ganz deutlich: Unsere Demokratie funktioniert, auch wenn es manchmal sehr weh tut.