Nach Sturz in "Ickerner Loch": Rechtliche Schritte?
Spektakulärer Tagesbruch
Knapp eine Woche nach dem spektakulären Tagesbruch im Castrop-Rauxeler Stadtteil Ickern wird noch immer nach der Ursache geforscht. Die Eltern des 16-Jährigen, der am Freitag in das gut zwei Meter tiefe Loch gestürzt war, überlegen, ob sie den Fall vor Gericht bringen. Der Teenager erholt sich langsam von dem Schrecken.
Wieso hat sich am vergangenen Freitag plötzlich die Erde unter einem Teenager aus Ickern aufgetan? Das sei noch immer unklar, räumte der Chef des EUV Stadtbetriebs, Michael Werner, im Gespräch mit unserer Redaktion ein. „Wir gucken derzeit alle uns zur Verfügung stehenden Archive nach möglichen Ursachen durch“, versicherte Werner. Wenn darin Hinweise zu finden seien, „machen wir sofort Erkundungen vor Ort“, versprach er.
Der 16-jährige Schüler Sebastian H. war an der Bushaltestelle Lerchenweg wie aus dem Nichts vom Bürgersteig in ein rund 2,50 Meter tiefes Loch gesunken, aus dem er sich aus eigener Kraft nicht mehr befreien konnte. Passanten holten daraufhin Nachbarn zur Hilfe, die den Jugendlichen mit Hilfe einer Leiter aus seiner misslichen Situation befreiten.
Termin beim Rechtsanwalt ist geplatzt
Der Schüler hatte zwar einen leichten Schock erlitten, war aber bis auf ein paar blaue Flecken körperlich unversehrt geblieben, wie auch eine anschließende Untersuchung im Krankenhaus ergab.
Nach Angaben seines Vaters geht es Sebastian mittlerweile wieder ganz gut, doch müsse er den Vorfall psychisch noch ein wenig verdauen. „In der nächsten Woche wird er allerdings wieder in die Schule gehen“, kündigte der Vater an. Inwieweit die Eltern rechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen unternehmen, bleibt derweil offen. Ein für Mittwoch vereinbartes Gespräch bei einem Rechtsanwalt musste dieser kurzfristig wegen dringender Termine verschieben.
Vernachlässigung der Verkehrssicherungspflicht?
Fragwürdig ist, ob ein unabhängiger, vom Gericht bestellter Gutachter den Fall des "Ickerner Lochs" bzw. dessen Entstehung umfassend rekonstruieren könnte. Das Loch ist längst mit zehn Kubikmetern Schotter verfüllt. Also müsste anhand der Unterlagen und Dokumentation geprüft werden. Käme der Fall vor Gericht, ginge es grundsätzlich darum, ob der Stadt eine Vernachlässigung der Verkehrssicherungspflicht nachgewiesen werden kann. Informationen dazu stehen auch im Bundesberggesetz unter §114 ff.
Die zentrale Frage: War der Tagesbruch an der Recklinghauser Straße vorauszusehen? Roland Weber, Geschäftsführer der Bochumer Ingenieurgesellschaft für Bodenmanagement und Geotechnik ibg, ist da skeptisch. "Man kann noch so viel tun, solche Fälle können in der Regel nicht verhindern werden."
Experte: Kommunen und Land NRW in der Pflicht
Dennoch nimmt er grundsätzlich Kommunen und das Land NRW in die Pflicht. Es müsse viel größerer Aufwand in die Suche nach den unzähligen unterirdischen Zeitbomben gesteckt werden - also zum Beispiel in die Suche nach Stollen und Schächten, die nicht ordentlich verfüllt worden sind. Oder deren Verfüllung im Laufe der Jahre durch Alterungsprozesse und Unterspülungen aufgeweicht ist.
Weber verweist auf "nicht berechenbare Erosionsprozesse", sagt gleichzeitig aber auch: "Wo - wie in Castrop-Rauxel - kein tagesnaher Bergbau war, da wird oft nicht genau genug hingeguckt."
"Krater von Wattenscheid" hielt Menschen in Atem
Rund 100 Tagesbrüche in NRW gibt es im Jahr. Die wenigsten sind so spektakulär wie der in Castrop-Rauxel. Doch die meisten Menschen werden sich an das "Höntroper Loch", auch "Krater von Wattenscheid" genannt, erinnern: zwei 15 Meter tiefe Tagesbrüche, die sich im Januar 2000 plötzlich in einem Bochumer Wohngebiet auftaten. Verletzt wurde damals zum Glück niemand.
Auch Tagesbrüche unter Autobahnen, zum Beispiel unter der A45 bei Dortmund, sorgten in der Vergangenheit für Aufregung - und natürlich für lange Sperrungen.
Wo es "Gefährdungspotenziale des Untergrunds" in NRW gibt - also Orte, an denen Bergschäden wahrscheinlich sind - hat die Bezirksregierung Arnsberg auf Karten festgehalten. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.
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