
© Matthias Langrock
Mit Abstand und fast ohne Maske: Rat trotzt Corona in kleiner Besetzung
Kommunalpolitik zu Corona-Zeiten
Während andere Städte in Corona-Zeiten Ratssitzungen ausfallen lassen, haben sich Castrop-Rauxels Politiker getroffen: in kleinerer Runde, an größerem Ort und unter ungewöhnlichen Umständen.
Es beginnt schon am Eingang. Genauer gesagt ein paar Meter davor. Denn die rund 60 Menschen, die an diesem Donnerstag zur Ratssitzung in Castrop-Rauxel gehen, nehmen nicht wie sonst den Weg zum Anbau des Rathauses, sondern zur Stadthalle nebenan.
Hier lässt sich in Corona-Zeiten besser als in dem engeren Ratssaal tagen. Für politische Gremien gilt zwar kein Versammlungsverbot, aber 1,50 Meter Abstand sollen auch Politiker zueinander einhalten - als Vorbilder und in eigenem Interesse.
Kurz hinter dem Eingang erwarten zwei Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes die Ratsmitglieder, die Gäste und Journalisten. Letztere haben sich im Vorfeld namentlich anmelden müssen. Links und rechts des Eingangs stehen Desinfektionsmittel-Spender bereit. Aber in die Halle kommt man auch, ohne sie zu nutzen.
Platz in der Stadthalle würde für eine Landtagssitzung reichen
Der Platz in der Stadthalle würde in normalen Zeiten wohl knapp reichen, um eine Sitzung des NRW-Landtags mit 199 Abgeordneten zu veranstalten. Heute müssen hier deutlich weniger Menschen Platz finden. Unter den Gästen ist ein Mann, der heute häufiger Thema wird: Johannes „HambiPotter“, der monatelang auf der Alten Eiche gelebt hat, über deren Schicksal der Rat heute (wieder einmal) entscheidet.

Auf einem Bildschirm konnte Bürgermeister Rajko Kravanja von seinem Platz aus die Übertragung der Ratssitzung sehen. © Matthias Langrock
Hambi Potter ist einer von ganz wenigen, der während der Sitzung eine Mund-Nasen-Schutzmaske trägt. Vorgeschrieben sind sie hier nicht.
26 der 51 gewählten Ratsherren und -frauen sind gekommen. Sie spiegeln die politischen Mehrheiten wider. Die 25 anderen fehlen, weil sich die Fraktionen darauf verständigt haben. „Freiwillig“, wie Bürgermeister Rajko Kravanja vorher erzählt.
Die Freiwilligkeit lobt Kravanja auch in seiner Einleitung. Dass die Fraktionen die Sitzung in diesem Rahmen ermöglicht hätten sei „ein Zeichen für den Zusammenhalt in der Krise“.
Weitere Ratsvertreter könnten sich an Abstimmungen beteiligen
„Freiwillig“ bedeutet aber auch: Wenn plötzlich weitere Ratsvertreter in die Stadthalle kämen und mitstimmen, wäre das ihr gutes Recht. Doch niemand kommt außerplanmäßig.
Ganz reibungslos beginnt die Sitzung aber nicht. Die Stadt hat vorher angekündigt, die Ratssitzung ins Internet zu übertragen, damit interessierte Bürger nicht gezwungen seien, selbst in die Stadthalle zu kommen.

Bürgermeister Rajko Kravanja (rechts) vor Beginn der Ratssitzung in der Stadthalle im Gespräch mit SPD-Fraktionschef Daniel Molloisch. © Matthias Langrock
Doch kurz vor dem geplanten Beginn um 17.30 Uhr streikt das Übertragungssignal. Auf dem Youtube-Kanal der Stadt ist nichts zu sehen. Und obwohl fast alle in der Halle der Aufforderung Kravanjas nachkommen, das WLAN auszuschalten, um das Netz nicht unnötig zu belasten, ist es nicht zu retten.
Internet streikt kurz vor Sitzungsbeginn
Schon werden Rufe nach einer Aufzeichnung laut, die zeitversetzt gesendet werden solle. Kravanja will aber noch zwei, drei Minuten warten. Das zahlt sich aus: Zwar lässt sich die Übertragung bei Youtube nicht realisieren, doch Jochen Affeldt von CAS-TV, der für die Übertragung verantwortlich zeichnet, kann auf den Facebook-Kanal von Bürgermeister Kravanja ausweichen. Damit sind alle einverstanden. Um 17.40 Uhr geht es los.
Die Sitzung selbst läuft zunächst ab, wie viele politische Sitzungen ablaufen, ob mit oder ohne Corona. Es mag nur einen Tacken wichtiger sein als sonst, dass jedes Mikrofon angeschaltet ist, damit auch tatsächlich alles ins Netz übertragen wird.
Erst zur Pause nach zwei Stunden ruft Kravanja den Anwesenden das Thema Internet-Übertragung ins Bewusstsein: Per „Cliffhanger“ möchte er die Zuschauer im Internet bei der Stange halten: „Es geht gleich noch ums Bürgerbudget, um Spielplätze ...“
Ein Erfolg ist die Übertragung offenbar: Anfangs sehen 250 Menschen zu - weit mehr, als sonst zu einer Ratssitzung kommen. Über die Zeit werden es weniger, aber selbst nach dreieinhalb Stunden sind noch 75 dabei. Nach Corona wird sich zeigen, ob hier und heute ein neues Modell geschaffen wurde, Kommunalpolitik zu vermitteln. Am Ende gab es Lob und Applaus aus dem Rat für CAS-TV - und das Versprechen, man werde bald über Rats-TV in Zukunft sprechen.
Als Journalist arbeite ich seit mehr als 25 Jahren. Im Kreis Unna bin ich dagegen noch recht neu, aber voller Neugier auf Menschen, Städte und Gemeinden. Schreiben habe ich gelernt, komme aber viel zu selten dazu. Dafür stehe ich gerne mal vor der Kamera.
