Die katholische Kirche sieht sich einer Austrittswelle gegenüber. Das macht sich zurzeit am Castrop-Rauxeler Amtsgericht bemerkbar.

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Nach Kirchenskandal: Austritts-Willige stehen in Castrop-Rauxel Schlange

rnMissbrauchs-Gutachten

Das jüngste Gutachten im Missbrauchsskandal und die Rolle von Papst Benedikt sorgen für eine Austrittswelle aus der katholischen Kirche. In Castrop-Rauxel muss man auf einen Termin dafür warten.

Castrop-Rauxel

, 01.02.2022, 14:55 Uhr / Lesedauer: 2 min

Wer aus der Kirche austreten will, kann dafür nicht ins Pfarrbüro gehen, sondern muss einen Termin beim Amtsgericht vereinbaren. Doch das ist in Castrop-Rauxel gar nicht so leicht. Denn die „Nachfrage“ ist aktuell sehr groß. Das Amtsgericht nennt Zahlen.

Seitdem das jüngste Gutachten zum Missbrauchsskandal der katholischen Kirche im Erzbistum München und Freising öffentlich ist, seitdem Papst Benedikt XVI. deshalb in der Kritik steht, wollen viele Menschen nicht mehr dieser katholischen Kirche angehören.

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„Seitdem klingelt das Telefon ständig“, sagt Dirk Brahm, stellvertretender Leiter des Amtsgerichts. „Das ist deutlich mehr geworden.“ 32 Menschen haben im Januar (Stand 31.1.) ihren Austritt aus der Kirche erklärt. 20 von ihnen waren katholisch. Im Januar 2021 waren es 22, 6 davon katholisch. Das allein sagt aber nichts aus.

Zwei bis drei Austritte am Tag, Termine sind bis April ausgebucht

Denn wer aktuell einen Termin machen will, um seine Austrittserklärung im Amtsgericht vorbeizubringen, muss bis April warten. „Die Mitarbeiterin hat zwei bis drei Termine deswegen am Tag, sie reichen bis Anfang April“, so Dirk Brahm. Weil jeder, der aus der Kirche austreten will, diese Erklärung persönlich vorlegen muss.

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Wenn man einen Termin hat, geht es ganz leicht. „Man kommt vorbei, zeigt seinen Personalausweis vor und legt 30 Euro auf den Tisch“, so Brahm. Schon hat man seine Kirchenzugehörigkeit verloren. Aber nicht zwingend seinen Glauben. Das Arbeitsgericht informiert die zuständige Kirchengemeinde und das Einwohnermeldeamt, das wiederum das Finanzamt informiert. Außerdem bescheinigt das Gericht selbst dem Betroffenen den Austritt.

Einfach einen Brief oder eine Mail zu senden oder jemanden mit einer Vollmacht zu schicken, geht nicht, erklärt Brahm weiter. Als zweite Möglichkeit kann man seinen Austritt auch vor einem Notar in öffentlich beglaubigter Form erklären. Auch dort muss die Gebühr von 30 Euro entrichtet werden, unter Umständen kommen dort weitere Kosten dazu.

Kinder ab 14 Jahren dürfen auf gegen den Willen der Eltern handeln

Für Kinder unter 12 Jahren und für Geschäftsunfähige können die gesetzlichen Vertreter die Erklärung abgeben. Sie müssen zeitgleich bei Gericht vorsprechen. Wer allein das Sorgerecht hat, muss das nachweisen.

Bei Kindern zwischen Vollendung des 12. und des 14. Lebensjahres kann der Austritt nicht gegen deren Willen erklärt werden. Deshalb muss es mit seinen gesetzlichen Vertretern, also meist den Eltern, zur Erklärung beim Notar oder beim Amtsgericht erscheinen.

Ab dem vollendeten 14. Lebensjahr können Minderjährige selbst den Austritt erklären, auch gegen den Willen ihrer gesetzlichen Vertreter.

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Das Amtsgericht ist nur für den Austritt zuständig. Wer einer Kirche oder Religionsgemeinschaft beitreten will, muss sich an die jeweilige Kirchengemeinde wenden.

  • In Castrop-Rauxel gehören (Stand 31.12.2021) 32 Prozent der 75.257 Bürger der katholischen Kirche an, 27 der evangelischen Kirche.
  • Der Prozentsatz ist in beiden Fällen im Gegensatz zum Vorjahr um 1 Prozent gesunken. Im Jahr 2020 waren 24.861 Castrop-Rauxeler katholisch, im Jahr 2021 waren es 24.082. Ein Rückgang also um 779.
  • Ein Blick zurück in das Jahr 2000: Damals waren 41 Prozent und damit 32.360 Castrop-Rauxeler katholisch, 35 Prozent und damit 27.624 gehörten der evangelischen Kirche an.
  • Das Amtsgericht meldete im gesamten Jahr 2021 insgesamt 429 Kirchenaustritte, 231 davon aus der katholischen Kirche.
  • Besonders hoch war die Zahl im zweiten Quartal, als 86 Katholiken ihre Zugehörigkeit zur Kirche aufgaben. Damals sorgte der Umgang des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki mit einem Missbrauchsfall für Aufsehen. Einen Termin bekam man damals allerdings ohne Probleme.