Frustrierte Mieterin aus Castrop-Rauxel packt aus „Hier ist den ganzen Tag Terror“

Mieterin packt aus über ihr Wohnumfeld: „Hier ist den ganzen Tag Terror“
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Bekannt wurde der Straßenzug durch eine Massenschlägerei. Aber das ist ein anderes Thema. Das, was hier vor zwei Jahren geschah und ein bundesweites Medienecho hervorrief, weil es in einen Bandenstreit zweier Großfamilien ausartete, ist vorbei. Beteiligt waren ganz andere Familien als die, die heute das größte Problem darstellen. Heute geht es auch nicht um Gewaltkriminalität. Es geht um zugemüllte Hinterhöfe, anliefernde und überall geparkte Transporter mit rumänischen Kennzeichen, Lärm bis in die Nacht, vergammelnde Häuser, Keller voll Wasser, defekte Fenster, Ratten, Schimmel. Es geht um prekäre Wohnzustände.

Melanie* (Name geändert, echter Name ist der Redaktion bekannt) sprach schon vor einigen Wochen mit unserer Redaktion. Sie und ihre Tochter, um die sie sich allein kümmert, könnten es in diesen Verhältnissen kaum noch ertragen. Sie lebten in Angst und Sorge. Unsere ersten Berichte hätten schon etwas bewirkt und verändert; an mindestens einem anderen Haus im Umfeld habe sich was getan. Aber die Lage bei ihr, die verschärft sich weiter.

Auf den Hinterhöfen der Wartburgstraße 33, 33a und 35 wird haufenweise Unrat gesammelt.
Auf den Hinterhöfen der Wartburgstraße 33, 33a und 35 wird haufenweise Unrat gesammelt. © privat

Sie legt uns Fotos vor, die sie aus ihrer Wohnung heraus aufgenommen hat. Sie zeigen den Hof eines Mehrfamilienhauses, der voll ist mit Schrott und Unrat. Das würde manch einer sagen. Wer genau hinsieht, erkennt aber, dass es sich dabei neben Möbeln oder Möbel-Teilen um Fahrräder, Kinderroller, Fahrradanhänger, Autoräder, Wäschekörbe, Leitern und sogar einen Motorroller handelt. Kann das alles nur Abfall sein? Handelt es sich womöglich um Diebesgut? Der Hof an der Wartburgstraße 35 erinnert an einen Schrottplatz oder das Bild, das sich auch schon an der Wittener Straße 331 in Merklinde zeigte.

Auch aus dem Waschkeller zeigt sie Aufnahmen: Der Gang zwischen den Waschmaschinen der Mieter steht knöcheltief unter Wasser. Ein Kinder-Laufrad liegt im Wasser in einem Gang. In einem Kellerraum steht eine Pfütze.

„Mülltrennung ist hier eh nicht“

Der Hof der Wartburgstraße 35 war über eine Mauer abgetrennt von der Wartburgstraße 33 und 33a. Doch die Mauer ist offen zur Abfuhr der Mülltonnen, die man durch die Einfahrt nach vorne ziehen kann. „Seitdem das ist, ist das hier die reinste Katastrophe“, sagt die Mieterin. Im Hof der 33 stehen weiße Transporter. „Die fahren immer rein und raus, zum Beladen und Ausladen oder für Reparaturen.“ Manchmal liefen dort auch Dutzende Mieter herum. „Wir haben hier drei Restmüll-Container für 32 Mietparteien“, sagt sie. Einmal in der Woche wird geleert; Papier, Bio- und Gelbe Tonnen gebe es schon länger nicht mehr: „Mülltrennung ist hier eh nicht“, so die Mieterin. Wenige Minuten nach der Leerung seien die Tonnen wieder mehr als halbvoll. „Die schleppen dann direkt säckeweise Müll raus.“

Die, damit meint sie Menschen, die sie als Rumänen bezeichnet. Auch in einem Haus schräg gegenüber sei ein Haus voller Menschen aus Osteuropa. Die Wohnverhältnisse seien vergleichbar: „Bei denen wohnen 10 bis 15 Leute in einer Wohnung“, sagt die Mieterin. „Manchmal stehe ich nachts senkrecht im Wohnzimmer, weil es oben wieder so laut ist, als würde eine Elefantenherde vorbeiziehen.“

Miete an die Immobilienverwaltung Freiberg

Im Haus Wartburgstraße 33/33a seien jetzt zwei langjährige Mieter ausgezogen. Ihnen sei das alles zu schlimm geworden. „Das möchte hier keiner mehr“, sagt die Mieterin. „Es ist den ganzen Tag Terror.“ Und nachts auch.

An der Wartburgstraße 48 sei man des Problems offenbar Herr geworden: Auch da stapelte sich Sperrmüll im Garten, zum Teil auch Gefahrengut wie alte Farb- oder Ölfässer. Der Kreis Recklinghausen wurde als Umweltbehörde aufmerksam, nachdem sich Anwohner beschwert und wir berichtet hatten. „Da wurde aufgeräumt, zwei oder drei Personen ohne Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland hat die Polizei aufgegriffen, wohl auch mit Diebesgut im Auto“, sagt die Frau. „Die Leute wohnen da noch, aber das Chaos ist geregelt.“ Ihre Transporter stünden nun oft beim K+K auf oder neben dem Parkplatz. Genau die, die auch auf ihrem Nachbarhof ausgeladen werden.

An der Wartburgstraße 33, 33a und 35 gibt es zum Teil prekäre Verhältnisse für die Mieter. Im Keller steht das Wasser.
An der Wartburgstraße 33, 33a und 35 gibt es zum Teil prekäre Verhältnisse für die Mieter. Im Keller steht das Wasser. © privat

Die Gebäude gehören mindestens zu einem Teil Mirsad Freiberg, der im Laufe der Woche nicht für die Redaktion zu erreichen war. Er selbst und seine Frau Zehra wohnen dort, wobei es offenbar getrennte Wohnungen gibt. Er war oder ist Geschäftsführer oder Gesellschafter verschiedener GmbHs und e.V.s. IMG Immowest ist eine davon. Partner war jahrelang Ralf Schrupp. „Als ich einzog, war Herr Schrupp noch unser Ansprechpartner“, sagt die Mieterin. Der kümmerte sich damals um Anliegen und Defekte. Längst liegt er mit Freiberg über Kreuz; sie gingen wohl im Unfrieden auseinander.

Heute gibt es bei Schriftstücken die IVF, Immobilienverwaltung Freiberg, mit der man kommuniziere. Mirsad Freiberg tauche in den Schriftstücken in der Regel nicht auf, sondern Zehra Freiberg. Aber wenn sie mit jemandem sprechen wolle, dann tauche immer Mirsad auf. „Meine Miete geht an sie, aber er soll der Ansprechpartner sein?“ Persönlicher Kontakt zu ihr: kaum möglich. Im Haus gebe es zwar auch eine Art Hausverwaltungsbüro. Aber auch dort stoße sie mit ihren Missstands-Meldungen auf wenig bis kein Gehör. Dabei gehöre dazu auch Schimmelbefall durch einen Wasserschaden in der Wohnung über ihr – und das ist auch gesundheitsschädlich.

Beschwerden beim Ordnungsamt

Freiberg habe Kameras am Haus angebracht. Ob es echte oder Attrappen sind, ist unklar. Jedenfalls habe er sich keine Genehmigung bei den Mietern eingeholt; nicht einmal informiert habe er sie. Und es gebe auch kein Schild, das darauf hinweist.

An zwei Häusern im Umfeld, an denen am Klingelschild der Name Freiberg steht, gab es in den zurückliegenden Tagen Farbattacken: Auf der Fassade Wartburgstraße 42 und am Schwarzen Weg, direkt ums Eck, sind Farbflecken zu sehen. Es scheint sich mehr und mehr Unmut zu regen. Die Mieterin schaltete mit einer Mail vom 26. März selbst das Ordnungsamt der Stadt ein. „Ja, es liegen Beschwerden aus der Nachbarschaft vor“, bestätigt die Verwaltung am Mittwoch auf unsere Anfrage hin. „Von einem Polizeieinsatz hat das Ordnungsamt bisher keine Kenntnis. Die Stadtverwaltung schreibt den Grundstückseigentümer an wegen des Rattenbefalls und leitet den Sachverhalt bezüglich des Mülls weiter an den zuständigen Kreis Recklinghausen“, sagt Sprecherin Maresa Hilleringmann.

Farbattacken richteten sich gegen zwei Häuser, an denen am Klingelschild der Name Freiberg steht.
Farbattacken richteten sich gegen zwei Häuser, an denen am Klingelschild der Name Freiberg steht. © Tobias Weckenbrock

So lief das vor einigen Wochen auch. Anfang Januar schrieb der Kreis Recklinghausen uns, dass man in Sachen Wartburgstraße 48 vor Ort gewesen sei. Den Kollegen sei aber der Zutritt verweigert worden. „Aktuell prüfen wir unsere Möglichkeiten, auf das Grundstück zu gelangen“, teilte Sprecherin Lena Heimers damals mit. „Sollte es nicht gelingen, wäre eine Duldungsverfügung der nächste Schritt.“ Offenbar kam es genauso.

Warum aber zieht die Frau mit ihrer Tochter nicht einfach aus? „Es ist nicht einfach, eine andere Wohnung zu finden“, sagt sie. Sie beziehe Bürgergeld, die Auswahl sei eingeschränkt. Aber sie werde ausziehen. Erst suche sie aber eine Rechtsanwältin auf, die sich mit dem Thema Mietrecht auskennt. Einfach weglaufen? Das sei nicht ihr Ding. „Es muss ja jemand was dagegen tun.“