Kunden wütend über Medikamenten-Mangel Apotheker in Castrop-Rauxel brauchen ein „dickes Fell“

Kunden sind wütend über Medikamenten-Mangel
Lesezeit

Svetlana Kunz ist eigentlich gern Apothekerin. Doch momentan bedeutet ihr Beruf oft Stress und Frust. Der Medikamentenmangel belastet ihren Alltag in der City-Apotheke in der Castroper Altstadt. In den Regalen fehlen seit Monaten vor allem Nasenspray, Cholesterinsenker, Pantoprazol und Fiebersäfte für Kinder. „Da kommt manchmal eine Rutsche und dann sind sie wieder nicht lieferbar“, beschreibt Kunz die Lage. Aktuell akut: „Antibiotika. Ob für Kinder oder Erwachsene - es gibt nichts.“ Speziell Antibiotika gegen Scharlach seien durch die Scharlachwelle im März häufig ausverkauft.

Kinderfiebersäfte, die Anfang des Jahres schon schwer zu bekommen waren, seien ebenfalls wieder knapp. Auch Medikamente, bei denen ein Engpass besonders kritisch sein kann, fehlten immer häufiger. Dazu gehöre zum Beispiel das für Zuckerkranke wichtige Arzneimittel Insulin sowie Psychopharmaka, bei denen eine lückenlose Einnahme unerlässlich ist.

Einige Kunden fangen Streit an

Wie Svetlana Kunz ist auch İrem Yağmur Apothekerin geworden, weil sie den Menschen helfen möchte. Und genau das kann sie momentan oft nicht. Denn auch in der Kleeblatt-Apotheke fehlen vor allem Antibiotika, Schmerzmittel und Fiebersäfte für Kinder. „Letztens kamen drei Packungen Paracetamol-Saft rein. Das ist ja nichts, die waren sofort weg“, schildert sie die Situation.

In einigen Apotheken im Umkreis mussten sich Apotheker und Apothekerinnen täglich von wütenden Kunden anpöbeln lassen. Auch Castrop-Rauxel reagieren einige Kunden sauer, sagt Yağmur. „Sie verstehen nicht, dass manche Mittel einfach nicht lieferbar sind und auch am nächsten Tag nicht da sein werden. Dann gehen sie woanders hin und merken, dass es dort nicht besser ist“, beschreibt Yağmur die Reaktion vieler Kunden. Ihre Kollegin habe sich vor kurzem heftig mit einem Kunden darüber gestritten und musste ihn bitten, nicht beleidigend zu werden.

„Man muss sich ein dickes Fell wachsen lassen.“

Dass manche Kunden laut werden, hat Svetlana Kunz in der City-Apotheke schon ein paar Mal erlebt. „Manche geben uns das Gefühl, dass wir das mit Absicht machen.“ Sie versucht, solche Vorkommnisse an sich abprallen zu lassen. Kalt lässt sie die Situation aber nicht. Gerade wenn es um fehlende Medikamente für Kinder geht, tut es ihr besonders leid. Eins hat Kunz in dieser Zeit gelernt: „Man muss sich ein dickes Fell wachsen lassen.“ Zu Beleidigungen und Anpöbeleien sei es bisher aber nicht gekommen.

Manche Kunden würden der Apothekerin allerdings vorwerfen, sich strafbar zu machen, wenn sie andere Medikamente herausgibt, als die Kunden erwarten. Dabei ist das momentan eine der Methoden, mit der viele Apotheken versuchen, den Medikamentenmangel aufzufangen. In Absprache mit Ärzten finden sich in manchen Fällen Alternativen zu Arzneimitteln.

Kommunikation mit Ärzten oft schwierig

Die Absprache mit dem Arzt erledigt die Kleeblatt-Apotheke für ihre Kunden. Doch die Kommunikation sei oft schwierig, so İrem Yağmur. Besonders ärgere sie, dass oft Uneinigkeit über die richtigen Medikamente herrsche und sie den Kunden keine Arzneimittel herausgeben dürfe, obwohl sie glaubt, eine gute Alternative im Regal stehen zu haben. Zudem gebe es oft Verzögerungen, weil das Rezept nicht so schnell in der Apotheke ankommt. „Manchmal schicken wir die Praktikantin oder gehen selbst zum Arzt, weil die nicht ans Telefon gehen“, sagt Yağmur. Sie und ihre Kollegen stellen sich Wecker, damit sie die Öffnungszeiten der Arztpraxen nicht verpassen. Manche Ärzte schicken Rezepte mit der Post, denn die Apotheke braucht für die Abrechnung mit der Krankenkasse das Originaldokument. Das kostet wiederum Zeit.

Immerhin einen Lichtblick gibt es: Für die Pollen-Saison sind die Castrop-Rauxeler Apotheken gut gerüstet. An Tabletten gegen Heuschnupfen mangelt es derzeit nicht.

Apotheker in Castrop-Rauxel stehen vor leeren Regalen: Mehr als 500 Medikamente nicht verfügbar

Apotheken in Castrop-Rauxel: Patienten haben Anspruch auf fünf neue Dienstleistungen

Apotheker in Castrop-Rauxel zum Medikamenten-Mangel: „Die Lage ist dramatisch“