
© Thomas Schroeter
Maskenpflicht: Zwischen Beliebigkeit und fehlender Kontrolle
Corona-Virus
Mund-Nasenschutz- oder auch Maskenpflicht: Sie gilt seit dem 27. April in Bussen, Bahnen, beim Einkaufen – auch auf dem Markt. Wer hält sich dran? Wer kontrolliert es? Ein Praxistest.
Für die einen ist sie mittlerweile modisches Accessoire, für die anderen notwendiges Übel und offenbar für einige auch Ausdruck von Lässigkeit und Provokation. Seit dem 27. April herrscht Maskenpflicht. Genau genommen: der Erlass des Landes NRW schreibt einen Mund-Nasenschutz vor. Denn ein Tuch oder ein Schal tun es auch.
Die Masken oder Tücher schützen nicht die Träger selbst, sondern andere. Beim Niesen, Husten oder lautem stoßartigen Sprechen gelangen weniger Aerosole in die Luft. Die Ausbreitung des gefährlichen Coronavirus kann damit eingegrenzt werden. Das sagen die Fachleute.
Deswegen gilt: Maskenpflicht überall dort, wo Menschen nah zueinander kommen. In Bus und Bahn, auch an den Haltestellen. Beim Einkaufen, auch auf den Wochenmärkten. Aber wie ernst nehmen es Jung und Alt, Frauen und Männer? Und: Wer kontrolliert, dass der Schutz Anderer eingehalten wird?
Praxistest am Samstagvormittag
Samstagvormittag (23. Mai), ein Praxistest: Wochenendeinkäufe in der Castrop-Rauxeler Altstadt, An- und Abfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Mit mir stehen zwei weitere Fahrgäste an der Bushaltestelle in Dortmund-Nette. Die Maske des jungen Mannes baumelt munter an den Fingern. Ein junge Frau deckt ihr Kinn ab.
Im Bus halten sich alle an das Gebot. Münder und Nasen sind bedeckt. Die Fahrgäste schauen entspannt. Fast wirkt die Pflicht schon wie eine Gewohnheit. Umstieg in Westerfilde. Ein paar Fahrgäste verlassen den Bus, andere stehen vor der Tür, wollen einsteigen.
Ein geschätzt 60-Jähriger steht mitten vor der Tür. Ohne Maske. Die Fahrerin blickt in den Spiegel, schließt die Tür. Ihr Mund ist geschlossen: keine Ermahnung über Lautsprecher. Ich denke zehn Tage zurück: Da blieb die S-Bahn in Dortmund-Huckarde stehen.
Der Triebwagenführer rief eine junge Frau „zum Rapport“, weil sie ohne Maske eingestiegen war. „Respekt“, war mein Gedanke. An diesem Samstagmorgen schaut der 60-Jährige baren Gesichts aus dem Busfenster.
Stereotypes Bild auf Bahnsteigen
Westerfilde, Nette/Oestrich, Mengede – auf den den Bahnsteigen das seit Tagen stereotype Bild: ein Drittel trägt Maske, zwei Drittel nicht. Zur größeren Gruppe zählt auch der Mittdreißiger, der auf dem Bahnsteig raucht und der dynamische Jugendliche, der eine Minute vor Abfahrt noch eben über die Gleise springt, um den Zug zu erreichen.

Plakate weisen an allen Einstiegen der S-Bahn-Züge charmant auf die Maskenpflicht hin. © Uwe von Schirp
In Mengede steigt ein junges Pärchen ein. Sie zieht beim Einsteigen die Maske vom Kinn über Mund und Nase. Er setzt sich erst einmal und sucht dann in der Bauchtasche nach Mund- und Nasenschutz. In der Mitte des Zuges streift ein Mann die Gummischlaufe über das rechte Ohr, trinkt heimlichtuend einen Schluck Wasser aus der Flasche.
Hinten im Zug steht ein älteres Ehepaar und diskutiert in fremdländischer Sprache. Sie redet laut und trägt die Maske vor dem Hals. Kurios: Mehrfach erklingt aus seinem maskierten Mund das Wort „Corona“. Und das sehr akzentuiert. Zugbegleiter sind nicht an Bord. Entsprechend gering der Druck zur Maskenpflicht.
Castrop-Rauxel Hauptbahnhof: Die Türen öffnen sich, acht Leute steigen aus. Nur einer reißt die Maske nach unten. Bei den Anderen bleibt sie bis zum Verlassen des Gebäudes über Mund und Nase. Eine Situation mit Seltenheitswert.
Teenager provozieren
Im Bus in Richtung Altstadt sitzen zwei Teenager lässig auf den hinteren Sitzen. Eine trägt ihren Mund-Nasenschutz, die andere hat die Maske über dem Kinn. Provozierend ihr Blick. Denkt sie „Sprich mich ruhig an“? Ohne die nötige Aufmerksamkeit erhascht zu haben, zieht sie die Maske über den Mund. Zwei Haltestellen weiter wiederholt sie das Spiel. Der Blick wird provozierender.

An Markttagen wird es auf der Straße Am Markt schnell eng. Wo schon die Distanz nicht eingehalten werden kann, ist die Maske umso wichtiger. © Uwe von Schirp
Ich erinnere mich an eine ähnliche Begebenheit Mitte dieser Woche. Auch im Bus, ebenfalls zwei junge Frauen. „Maske auf“, war da meine klare Ansage. Nachgeäffe – „Maske auf, Maske auf“ – und ein ausgestreckter Mittelfinger beim Aussteigen die Reaktion.
Castrop-Rauxel Münsterplatz: Provozierende Blicke der Teenager auch beim Aussteigen. 40 Minuten Fahrt liegen hinter mir: ohne Kontrolleure, mit schweigenden Busfahrerinnen und einer Maskenpflicht, die zumindest von den Allermeisten eingehalten wird.
Ordnungsamt spricht Passanten an
Kontrolle jedoch in der Fußgängerzone in der Altstadt. Es ist Markttag. Zwischen den Ständen hält eine Mitarbeiterin des Ordnungsamtes die Augen offen. Sie spricht einzelne Passanten gezielt an. Denn das Bild ist hier kein anderes: Menschen mit Maske, welche ohne, manche mit Maske „auf Halbmast“.
Trotz freien Himmels gilt zwischen den Ständen dienstags, donnerstags und samstags auch hier Maskenpflicht. „Die Kontrollen sind hier aber lasch“, erklärt ein Händler. Er kennt sich auch in Dortmund und Bochum aus. „Da sind die Ordnungsämter schärfer und achten auf Verstöße.“ Der Händler blickt durch die Münsterstraße und schüttelt den Kopf. „Ich verstehe die Menschen nicht. Das ist doch nichts Schlimmes.“
Geboren 1964. Dortmunder. Interessiert an Politik, Sport, Kultur, Lokalgeschichte. Nach Wanderjahren verwurzelt im Nordwesten. Schätzt die Menschen, ihre Geschichten und ihre klare Sprache. Erreichbar unter uwe.von-schirp@ruhrnachrichten.de.
