Duo arbeitet seit vielen Jahren auf dem Castroper Wochenmarkt „Kunden und Händler sterben weg“

„Wir verbringen mehr Zeit miteinander als mit unseren Männern“
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Zwei schnelle Handgriffe, dann liegen exakt 400 Gramm Mett auf der Waage – wie gewünscht. Das macht die jahrelange Erfahrung. Auf das Abwiegen folgt die Frage nach der Bezahlung. Nur drei von zehn Kunden zahlen mit Karte: „Wollen Sie einfach abarbeiten? Das wird aber eng hier im Wagen.“ Dort, im Stand der Fleischerei Bork auf dem Wochenmarkt in der Castroper Altstadt, arbeitet Nicole Lampe seit 14 Jahren – in der Fleischerei selbst schon viel länger. Ihre Kollegin Silke Buschmann steht sogar schon 30 Jahre im Wagen.

Gute Stimmung auf dem Markt

Nach so vielen Jahren tagtäglicher gemeinsamer Arbeit auf wenigen Quadratmetern verstehen sich die beiden quasi blind. „Man guckt sich an und man denkt das Gleiche“, sagt Silke Buschmann. Davon würde natürlich auch die Kundschaft profitieren und genau deshalb lasse ihre Chefin das Duo auch stets zusammenarbeiten: „Wir verbringen mehr Zeit miteinander als mit unseren Männern“, sagt die 56-Jährige und muss lachen.

Dienstags, donnerstags und samstags ist die Fleischerei Bork mit einem Stand auf dem Wochenmarkt in Castrop-Rauxel vertreten.
Dienstags, donnerstags und samstags ist die Fleischerei Bork mit einem Stand auf dem Wochenmarkt in Castrop-Rauxel vertreten. © Luca Füllgraf

Der Gang im Verkaufswagen ist so eng, dass die zwei Frauen kaum aneinander vorbeikommen. „Manchmal bleibt man stecken“, sagt sie. „Dann lacht man und dann ist gut.“ Die Stimmung am Dienstagmittag (23.7.) ist trotz des heftigen Regens gut: „Wir haben tatsächlich Kunden, die kommen, wenn wir keinen Spruch loslassen, die fragen, ob wir krank sind“, sagt Silke Buschmann.

Kunden schon ab 7 Uhr früh

Dabei sind die beiden schon lange auf den Beinen. Um 6.15 Uhr ging es an der Fleischerei in Datteln los; der schon gepackte Verkaufswagen muss vor der Abfahrt kontrolliert werden. „Was fehlt, holen wir“, sagt Nicole Lampe. Der Castroper Wochenmarkt öffnet offiziell erst um 8 Uhr, die ersten Besucherinnen und Besucher sind aber meist schon lange vorher da – und Silke Buschmann und Nicole Lampe ebenso – gegen 7 Uhr. „Wir bauen auf, da trampeln schon die ersten Kunden und wollen bedient werden“, sagt Silke Buschmann. Das sei aber nicht nur in Castrop-Rauxel so, sondern auch in Waltrop, Datteln, Menden, Gelsenkirchen oder Lünen, wo ebenfalls Wagen der Fleischerei Bork auf den Märkten stehen.

„Da sind die Klappen noch nicht ganz oben, dann stehen die Kunden schon an der Tür.“ Vorher muss aber erstmal die Auslage ansehnlich gemacht und Wurst in Scheiben geschnitten werden. Erst dann geht’s los. Frühmorgens kommen alle, die noch vor der Arbeit etwas kaufen möchten, aber auch Rentner. Wie die Besucherzahlen des Castroper Marktes im Vergleich zu den anderen abschneiden? „Schwierig“, sagt Silke Buschmann. „Ist jetzt nicht schlecht. Es war schon mal besser, aber Kunden und Markthändler sterben weg.“ Viele der Kunden sind Stammkunden: „Die kommen schon seit 40 Jahren zu uns.“

Einmal Markt, immer Markt: Silke Buschmann steht seit über 30 Jahren im Verkaufsstand auf den Märkten der Umgebung.
Einmal Markt, immer Markt: Silke Buschmann steht seit über 30 Jahren im Verkaufsstand auf den Märkten der Umgebung. © Luca Füllgraf

Nicole Lampe wollte ursprünglich gar nicht aus der Filiale in der Wagen wechseln. Doch nun sagt sie: einmal Markt, immer Markt. Warum es ihr hier inzwischen doch gefällt? „Hier ist es offener und einfacher.“ Weil die Marktbesucher mehr Zeit mitbringen? Eher nicht. „Das sind Rentner, die haben keine Zeit“, sagt Silke Buschmann mit einem Augenzwinkern. Bis 13 Uhr ist der Markt geöffnet, ab 12.20 Uhr wird aber schon mit dem Aufräumen und Saubermachen begonnen. Was nicht verkauft wurde, wird wieder mitgenommen. Besonders beliebt: Mettwurst, Frankfurter, Bockwurst. „Aber eigentlich fast alles, weil fast alles selbstgemacht ist“, sagt Nicole Lampe

Doch fast genauso wichtig ist das Gespräch mit den Marktgängern. Es geht ums schlechte Sommerwetter, die Citymöbel in der Castroper Altstadt oder andere Marktstände. Als Nicole Lampe und Silke Buschmann einmal von einer Kundin zum Mittagessen einladen werden und diese fragt, was die zwei essen möchten, antworten beide: Kohlrouladen. Abgesprochen hatten sie sich nicht.

Knappes Einstiegsgehalt

Worin sie sich allerdings auf einig sind: Nochmal würden sie ihren Beruf nicht ergreifen. Die Aufgaben seien zwar durchaus vielfältig, der Kontakt zu den Marktbesuchern schön und in Teilzeit schon am frühen Nachmittag Feierabend zu haben eine gute Sache, doch finanziell habe man es in der Branche nicht leicht. Nicht nur in Teilzeit, sondern auch in Vollzeit. Das liege auch nicht am eigenen Arbeitgeber, sondern sei überall ein Problem. Lohnspiegel.de vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung schreibt: „Das mittlere Einstiegsgehalt als Fleischereifachverkäuferin liegt bei 2170 Euro.“

Als Nicole Lampe und Silke Buschmann vor vielen Jahren selbst noch Berufsanfängerin waren, habe man sich von dem Gehalt noch durchaus leben können. Seitdem sei das Einkommen aber lange nicht so stark gestiegen wie die Lebenshaltungskosten. „Sich davon alleine eine Wohnung zu leisten und eine Familie zu ernähren, dürfte kaum möglich sein“, sagt Nicole Lampe. Sie und Silke Buschmann sind daher beide froh, in ihren Haushalten jeweils auf ein gemeinsames Einkommen mit ihren Männern blicken zu können.