Sie war noch immer ganz geflasht, als wir am Mittwoch telefonierten: Margita Gudjons (69), Rentnerin und Kommunalpolitikerin aus Castrop-Rauxel, erzählt da von ihrer Reise nach Berlin am Wochenende. Mit drei anderen ehemaligen Linken-Politikern aus dem Kreis Recklinghausen reiste sie zum ersten Bundesparteitag der neuen Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht – Für Vernunft und Gerechtigkeit“. Eine Super-Stimmung. Ein Erlebnis. Ein Samstag mit 380 Parteifreunden im Berliner Kino Kosmos, der ihr viel Hoffnung machte.
Dr. Michael Lüders, Fabio de Masi, Michael von der Schulenburg, Judith Benda, Ercan Kocalar, Dr. med Friedrich Pürner: Das sind neben Sahra Wagenknecht die Menschen, die Margita Gudjons an diesem Tage am meisten Freude machen. „Dass da so viele Mitstreiter waren, die als Persönlichkeiten beeindruckend sind“, sagt die einstige Mediengestalterin, die einige Jahre für Die Linke im Stadtrat von Castrop-Rauxel und im Kreistag des Kreises Recklinghausen saß. Sie kündigte Ende 2023 ihren Austritt an, so wie ihr Stadtrats-Mitstreiter Uwe Biletzke und andere Parteifreunde. Inzwischen ist Gudjons voll auf Linie des neuen BSW.
„Ich erhoffe mir, dass ich ehrliche Antworten bekomme, was in der Politik wirklich los ist“, sagt die Castrop-Rauxelerin. „Ich habe das Gefühl, dass das gerade nicht so ist. Ob wir als BSW was bewirken können, weiß ich nicht. Aber es ist einen Versuch wert.“

Sahra werde sich dann später auch wieder etwas zurückziehen aus dieser Führungsrolle. „Es ist aber ein Phänomen, wie sie das geschafft hat mit ihrem engen Kreis, alle möglichen Leute, die sich bei den Linken nicht mehr richtig aufgehoben fühlten, mitzunehmen. Das ist fantastisch“, so Gudjons. Das internationale Interesse an diesem Gründungsparteitag sei groß gewesen. Mit einem schwedischen Journalisten habe sie gesprochen über ihre Begeisterung. Frieden und soziale Gerechtigkeit. Umwelt- und Klimaschutz: Das seien ihre Themen. „Und dass man ehrlich ist. Ich kenne mich in der Politik ja nicht so aus und muss mich verlassen können auf die Leute, die hier entscheiden“, sagt sie.
Wie auf Fabio de Masi. „Gut, dass er mitmacht. Er ist als Finanzexperte einer, dem ich großes Vertrauen schenke“, erklärt die Castrop-Rauxelerin. „Ich erhoffe mir einfach eine ehrlichere Politik“, sagt sie. „Man kann Fehler machen, aber muss ehrlich damit umgehen.“

Das BSW kommt nach seiner Gründung in aktuellen Umfragen („Sonntagsfrage“) auf um die sieben Prozent. Das ist mehr, als Die Linke lange zu erreichen imstande war. „Ich hoffe, dass sich durch uns ein bisschen etwas verändert“, meint Margita Gudjons.
Ob die Parteigründung auch eine Rettung vor dem Erstarken der AfD sei? „Das kann ich nicht beurteilen. Es wird der AfD so viel Aufmerksamkeit geschenkt gerade, dass es ihr glaube ich eher zuträglich ist. Aber ob wir ihr Wählerstimmen abnehmen, weiß ich nicht“, sagt die Castrop-Rauxelerin. „Wenn ich mit Leuten spreche, höre ich oft: Ich freue mich, dass ich nun noch eine andere Wahl habe.“

Margita Gudjons selbst wird bis 2025 weiter im Stadtrat und Kreistag sitzen. Sie behält ihr Mandat, aber will es wie Uwe Biletzke unter dem Dach des BSW tun. Die Fraktion teilt sich, nachdem Dr. Uli Häpke in einem Interview mit unserer Redaktion seine Treue zur Linkspartei bekannte.
Montagabend ist Fraktionssitzung. „Dann sehen wir mal weiter. Ich kann mir vorstellen, dass wir weiter zusammenarbeiten können. Wir haben uns als Personen ja nicht geändert“, meint Margita Gudjons. „Ich finde es schade, dass man es so sehr an der Person Sahra Wagenknecht festmacht. Es geht mir um Veränderung und die Hoffnung, dass es besser wird.“
Sie selbst kündigte an, bei der Kommunalwahl 2025 nicht mehr zu kandidieren. Für sie persönlich sei dann Schluss im Kreistag und Stadtrat.

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