Wer Dr. Ulrich Häpke politisch einordnen müsste, der könnte den Castrop-Rauxeler im linksgrünen Bereich unterbringen. Der 70-Jährige ist Sachkundiger Bürger im Umweltausschuss, im Betriebsausschuss 3 (Bauen/Stadtentwicklung) und EUV-Verwaltungsrat. Dort sitzt er aktuell für die Partei die Linke. Jetzt noch. Denn was aus der Linken wird, ist unklar. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) wirbelt gerade das linke Spektrum durcheinander.
Margita Gudjons und Uwe Biletzke, die beiden gewählten Ratsvertreter der Linkspartei, sind zum Jahresende aus der Linken ausgetreten. Sie werden ihre Ratsmandate behalten, aber wollen sich dem BSW anschließen. Das ist zurzeit noch ein e.V., aus dem Verein soll aber im Jahr 2024 eine Partei werden. Es ist darum gerade ein kleines Vakuum entstanden: Was wird eigentlich aus der Linken in Castrop-Rauxel? Und was macht ein Mann wie Ulrich Häpke?
Der Stadtverband steht auf der Kippe“, sagt er im Telefonat mit unserer Redaktion. Mehrere Vertreter der Linkspartei haben wir in den vergangenen Wochen zu sprechen versucht. Aber so ganz klar will sich derzeit keiner äußern. Eine inzwischen aus der aktiven Politik ausgeschiedene Vertreterin hält sich ganz zurück. Fotis Matentzoglou, einer aus der jüngeren Generation und einer, der in der Landespartei eine Rolle spielte, in der Lokalpolitik aber kaum noch auftaucht, äußert sich nicht. Aber Ulrich Häpke spricht Klartext.
„Aus unserer Fraktion werden die meisten zum BSW wechseln“, sagt der Dorf Rauxeler. „Da bin ich wohl der Einzige, der letzte Mohikaner, der nicht mitgeht.“ Warum nicht? „Ich habe keine Lust auf eine Kreuzung zwischen SPD und AfD“, erklärt er. Er habe einmal Sahra Wagenknecht persönlich bei einer Linken-Veranstaltung in Düsseldorf zusammen mit ihrem Lebensgefährten Oskar Lafontaine erlebt. „Der Vortrag von Wagenknecht bestand damals aus den Sprechblasen und Hülsen, die man erwarten kann. Wenn sie sich verbal aufregt, verzieht sie optisch keine Miene dabei. Und inhaltlich hat sie nichts geliefert, das ich interessant fand.“ Rechtssozialdemokratisch, wie das BSW von der „Sozialistischen Zeitung“ betitelt wurde, sei ihm noch zu freundlich formuliert.

Er sei ein Fan von den einstigen Linken-Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger gewesen. „Ich habe aber auch inhaltliche Differenzen zu den Programmen der Linken“, sagt er. „So wie ich früher ‚aus der Not heraus‘ die SPD gewählt hat, hab ich mich später den Linken angeschlossen, weil sie das kleinere Übel waren. Die Sozialdemokratie stand damals unter dem Gerhard-Schröder-Hartz-IV-Hammer. Die Grünen haben da mitgemacht und die Beteiligung am Jugoslawien-Krieg unter Joschka Fischer unterstützt“, so Häpke. Nicht alles bei den Linken fand er gut. Aber er sah dort die größten Schnittmengen mit seiner Einstellung.
Und in Zukunft? „Ich glaube, die Linke löst sich nicht ganz auf. Der Bundes- und Landesvorstand hat ja zuletzt gesagt, es seien zwar im vergangenen Jahr viele Mitglieder ausgetreten nach der BSW-Ankündigung, aber doppelt so viele eingetreten“, sagt Häpke. „Darunter auch Prominente wie Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, der erst aus- und dann wieder eintrat. Das gibt mir ein bisschen Hoffnung.“ Kommunal sei man ohnehin eher sachpolitisch orientiert.

„Wir wollen eine gemeinsame Fraktion weiterführen in Castrop-Rauxel. Damit sind wir nicht allein, in Duisburg läuft es zum Beispiel ähnlich. Wir haben uns verständigt, einen Namen zu führen, mit dem auch ich mich weiter identifizieren kann“, sagt Häpke. Aber dazu müsse man sich noch zusammensetzen und besprechen.
Im Bundestag sei es nicht möglich, wenn die Wagenknecht-Partei existiert, eine gemeinsame Fraktion zweier Parteien zu bilden. Auf kommunaler Ebene gibt es aber immer mal wieder Fraktionsgemeinschaften, in Dortmund zum Beispiel aus der Linken und der Piratenpartei sowie der Tierschutzpartei als „Linke+“.*
Wenn das nichts werde, werde er aber auch anderswo Heimat finden: Durch seine Arbeit im Klimabündnis, aber auch jahrzehntelange Bekanntschaften gebe es zum Beispiel eine große Nähe zu Leuten aus der Freien Wählerinitiative FWI, aber auch manchen Grünen und SPD-Mitgliedern. Abwarten, sagt Häpke.
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Achtung, Evaluationitis-Gefahr!: Eine süffisante Betrachtung der Ratssitzung in Castrop-Rauxel
*Anmerkung der Redaktion: An dieser Stelle haben wir den Artikel um einen Fehler zur Zusammensetzung der „Linke+“ im Dortmunder Stadtrat bereinigt.