
Elena Pacyna und Renée Weber (v.l.), Buchhändlerinnen in der Castrop-Rauxeler Leselust, spüren eine Kaufzurückhaltung bei vielen Kunden. © Maurice Prior
Castrop-Rauxeler halten sich beim Einkaufen zurück: „Der nächste Hammer“
Konsumklima
Die hohe Inflation schreckt viele Menschen vom Shoppen ab. In Castrop-Rauxel spüren viele Geschäftsinhaber und Verkäuferinnen deutliche Zurückhaltung. Doch nicht alle Geschäfte sind betroffen.
Egal ob für Lebensmittel, Strom oder Gas – die Inflation bekommen dieser Tage fast alle zu spüren. Das wirkt sich offenbar auch auf die Kauflaune der Castrop-Rauxeler aus, wie wir bei einer Tour durch mehrere Geschäfte festgestellt haben.
Renée Weber aus der Buchhandlung Leselust an der Münsterstraße in der Castroper Altstadt bestätigt: „Man spürt bei vielen Kunden schon eine Sorge aufgrund der aktuellen Situation, viele sind daher im Moment zurückhaltender."
Sie und ihre Kollegin Elena Pacyna hätten viel mit Kunden zu tun: „Hier kommt man schnell ins Gespräch und unterhält sich mit den Leuten. Die hohen Preise sind bei Vielen das Thema im Moment", erzählt Weber. „Wir hoffen natürlich im Herbst auf eine Belebung, denn dann gibt es immer viele Neuerscheinungen", so die Buchhändlerin.
Auch viele Lesungen seien gut gebucht. Insgesamt sei die getrübte Konsumstimmung aber deutlich zu spüren, wie Elena Pacyna erzählt: „Das sieht man zum Beispiel auch daran, dass viele Kunden jetzt Gutscheine einlösen. Das haben wir im Moment viel mehr als sonst." So würden manche noch versuchen, am verfügbaren Geld zu sparen.
Verkäuferinnen im Schuhgeschäft Grosse-Kreul und im Bekleidungsladen Reiter Fashion können ebenfalls bestätigen, dass ihre Kunden weniger kaufen als gewöhnlich.
Konsumlaune so schlecht wie noch nie
Das Phänomen ist im ganzen Land feststellbar, wie eine Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zeigt. Demnach ist das Konsumklima bei den Verbrauchern im September so niedrig wie noch nie seit Beginn der Erhebung 1991.
Der Grund liegt laut GfK-Konsumexperte Rolf Bürkl vor allem in den gestiegenen Lebenshaltungskosten: „Viele Haushalte sind momentan gezwungen, deutlich mehr Geld für Energie auszugeben beziehungsweise für deutlich höhere Heizkostenabrechnungen zurückzulegen."
Für Oktober rechnet die GfK sogar mit einem weiteren Rückgang des Kauflust-Index auf -42,5 Punkte, was noch einmal 5,7 Punkte weniger seien als im September. Verkäuferin Heide aus dem Castrop-Rauxeler Schuhgeschäft Grosse-Kreul blickt trotzdem optimistisch nach vorn: „Jetzt wo es spürbar kühler ist, merken wir bei uns etwas mehr Interesse an der Herbst- und Winterkollektion. Hoffentlich bleibt das so."

Beim Markt in der Castrop-Rauxeler Altstadt ist von der Kaufzurückhaltung erstmal wenig zu sehen. Viele Kunden sind in die Stadt gekommen und schlendern über den Markt. © Maurice Prior
Die aktuelle Kaufzurückhaltung ist nicht die einzige Herausforderung, mit der sich der Einzelhandel in letzter Zeit konfrontiert sah. „Das ist ja jetzt nach Corona der zweite dicke Hammer. Oder schon der vierte oder fünfte", sagt Verkäuferin Heide. Inflation, hohe Energiepreise, Kaufflaute. All das belaste das Geschäft.
Kaufzurückhaltung im Baumarkt schon im Sommer
Diese Auswirkungen machen sich auch außerhalb der Altstadt bemerkbar. 2020, zu Beginn der Corona-Krise erlebten Baumärkte noch einen regelrechten Boom. „Jetzt spürt man die Zurückhaltung definitiv“, sagt Torsten Pauls, Geschäftsleiter des Hagebaumarkts am Westring. „Es kommen deutlich weniger Leute ins Geschäft.“
Das habe schon im Sommer begonnen. Zu Saisonbeginn sei die Nachfrage nach Klimageräten oder Swimmingpools normalerweise hoch. „Da ist der Absatz eingebrochen, das kann man sich gar nicht vorstellen“, berichtet Torsten Pauls.
Aktuell würden Brennstoffe nachgefragt – und das zu Preisen, für die „man sich schon schämen muss, sie zu verlangen“. Kostete der Raummeter Kaminholz Ende 2021 noch 109 Euro, liege der aktuelle Preis bei 279 Euro. Am Donnerstag (29.9.) habe er eine Lieferung mit 64 Raummeter Kaminholz bekommen. Kunden hätten es direkt gekauft. „Ich denke, dass ich nächste Woche nix mehr habe.“

Hagebaumarkt-Geschäftsleiter Torsten Pauls spürt eine deutliche Kaufzurückhaltung bei seinen Kunden - nicht aber bei Kaminholz. © Maurice Prior
Eine weitere Lieferung: eher unwahrscheinlich. Holz ist knapp. Gar nicht zu haben seien Briketts aus Braunkohle. Es gebe ohnehin nur noch einen Hersteller in Deutschland. Der müsse aber auf Weisung der Bundesregierung die Kraftwerke mit Braunkohle bedienen.
Jeden Tag würden gewiss zehn Kunden nach Briketts fragen. „Die Situation wird schlimm dieses Jahr“, prognostiziert Torsten Pauls. Nichts Gutes schwant ihm fürs Weihnachtsgeschäft. Auf einer Sonderfläche hat der Hagebaumarkt einen Weihnachtsmarkt mit Lichterketten und Deko. Wie üblich hat der Geschäftsleiter die Ware schon im Vorjahr bestellt. Das Lager ist voll. „Ich gehe von 50 Prozent Umsatzverlust aus.“ Dabei sei es aber „vollkommen legitim“, wenn Kunden ohne oder mit weniger Weihnachtsbeleuchtung Energie sparen wollen.
Klassische Laufkundschaft scheint weniger zu werden
Zurück in der Altstadt: Nicht alle Läden spüren hier eine Verschlechterung des Konsumklimas. Bei Juwelier Zimmer sei die Kauflaune nach wie vor ungebrochen, erzählt Inhaber Max Zimmer: „Vielleicht kommt das erst im kommenden Jahr, wenn die Energiekosten wirklich beim Endkunden ankommen." Zugleich mutmaßt er, dass seine Kunden für Manufakturschmuck ohnehin nicht zu den Menschen zählen, die am stärksten von der Inflation betroffen sind.
Die Buchhändlerinnen aus der Leselust denken, dass vor allem Gelegenheits-Shopping in Zeiten der Inflation seltener wird. „Die Menschen kommen weniger einfach mal zum Bummeln in die Altstadt", meint Renée Weber.
Wenn nach Ladenschluss dann auch noch die Schaufensterbeleuchtung vieler Geschäfte abgeschaltet werde, könnte der frühe Einbruch der Dunkelheit noch zusätzlich Kunden fernhalten. „Manche Geschäfte schließen hier schon um 17 Uhr und im Winter ist es dann nachmittags dunkel hier in der Straße," sagt Weber. Ins Weihnachtsgeschäft setzt sie trotzdem ihre Hoffnungen: „Das Geschenkpapier ist schon bestellt."
2001 in Witten geboren und schon lange an Politik und Journalismus interessiert. Als echtes Pottkind jetzt für die Ruhr Nachrichten in Castrop-Rauxel und im Dortmunder Westen unterwegs.

Geboren 1964. Dortmunder. Interessiert an Politik, Sport, Kultur, Lokalgeschichte. Nach Wanderjahren verwurzelt im Nordwesten. Schätzt die Menschen, ihre Geschichten und ihre klare Sprache. Erreichbar unter uwe.von-schirp@ruhrnachrichten.de.
