Experte erklärt: Das entscheiden Bürgermeister, Stadtrat, Landrat und Kreistag
Kommunalwahl 2020
Fünf Kreuze machen die Castrop-Rauxeler bei der Kommunalwahl. Doch welche Aufgaben haben eigentlich Bürgermeister, Stadtrat, Landrat, Kreistag und das Ruhrparlament? Ein Experte erklärt‘s.

Am 13. September dürfen die Castrop-Rauxeler bei der Kommunalwahl fünf Stimmen abgeben: für den Bürgermeister, den Stadtrat, den Landrat, den Kreistag und das Ruhr-Parlament. © dpa
Anders als bei einer Bundestagswahl oder einer Landtagswahl entscheiden die Bürger bei der Kommunalwahl am 13. September über mehr als ein Parlament. Doch was haben Bürgermeister, Stadtrat, Landrat und Kreistag und Ruhr-Parlament eigentlich zu entscheiden? Dazu haben wir den Politikwissenschaftler Prof. Dr. Rainer Bovermann (62) von der Ruhr-Universität Bochum befragt, der sich über Jahrzehnte mit Kommunalpolitik beruflich befasst hat. Fragen und Antworten.
? Welche Kompetenzen hat ein Bürgermeister?
Ein Bürgermeister wird direkt gewählt. Er ist der Chef der Verwaltung, höchster Repräsentant einer Stadt und ein wichtiger Ansprechpartner für die Bürgerinnen und Bürger. Der Bürgermeister verfolgt aber auch ein politisches Programm. Die Bekanntheit, die mit dem Amt des Bürgermeisters einhergeht, macht ihn zu einem einflussreichen Politiker auf örtlicher Ebene. Allerdings kann der Bürgermeister in Nordrhein-Westfalen allein weniger entscheiden als in anderen Bundesländern. „Seine Stellung ist nicht ganz so stark“, sagt Bovermann.
? Welche Kompetenzen hat der Stadtrat?
Der Rat hat die Hoheit über den Haushalt der Stadt. Er kann entscheiden, wie das Geld der Stadt verteilt wird. Er kontrolliert die Verwaltung, er kann Satzungen erlassen. Und der Rat kann Beigeordnete wählen, die zusammen mit dem Bürgermeister den Verwaltungsvorstand bilden. Insofern, sagt Rainer Bovermann, „gibt es zwar kein Macht-Gleichgewicht“, aber unterschiedliche Akteure. Es kann dadurch zu Konflikten kommen, wenn es im Rat eine Mehrheit gibt, die gegen den Bürgermeister entscheidet.
? Welche Stimme ist am 13. September wichtiger: die für den Rat oder die für den Bürgermeister?
„Wir haben es mit zwei unterschiedlichen Wahlgängen zu tun“, sagt Rainer Bovermann. Bei der Ratswahl werden in erster Linie Parteien und deren Programme und Vertreter gewählt. Bei der Bürgermeisterwahl ist es stärker eine Personenwahl, bei der nicht nur Partei-Bewerber antreten, sondern auch Einzelbewerber. Bovermann möchte keine Gewichtung vornehmen: „Beide Stimmen haben gleichermaßen wichtigen Einfluss auf die Politik einer Stadt.“
? Wer zieht in den Stadtrat ein?
Der Kandidat einer Partei, die in einem Wahlbezirk die meisten Stimmen bekommt, zieht direkt in den Rat ein. Der Anteil der Stimmen, die eine Partei bei der Wahl stadtweit bekommt, entscheidet über die Zahl der Sitze, mit denen sie im neuen Rat vertreten ist.
Die Kandidaten, die in ihrem Wahlbezirk die meisten Stimmen erhalten, sitzen auf jeden Fall im neuen Rat – unabhängig davon, wie viele Sitze ihrer Partei aufgrund des Gesamtergebnisses zustehen. Wenn eine Partei durch ihren Stimmenanteil mehr Sitze als Wahlbezirke gewinnt, ziehen Kandidaten von der Parteiliste in den Rat ein. Gewinnt eine Partei mehr Wahlbezirke als ihr eigentlich durch das prozentuale Gesamtergebnis an Sitzen zusteht, kommen nur die erfolgreichen Direktkandidaten dieser Partei in den Rat („Überhangmandate“). Damit die Partei aber nicht überproportional stark im Rat vertreten ist, erhalten die anderen Parteien Ausgleichsmandate.
In Castrop-Rauxel gibt es 23 Wahlbezirke. Der Rat besteht aus 46 Mitgliedern plus dem Bürgermeister. Nehmen wir nun an, dass in 16 Wahlbezirken der jeweilige Kandidat von Partei A die meisten Stimmen bekommt, ziehen diese 16 Kandidaten in den Rat ein. Holt Partei A aber insgesamt 50 Prozent der Stimmen, stehen ihr 23 Sitze zu (50 Prozent von 46 Sitzen). In diesem Fall würden die ersten 7 Listen-Kandidaten von Partei A in den Rat einziehen, die keinen Wahlbezirk direkt gewonnen haben. Holt Partei A 30 Prozent der Stimmen, stehen ihr 14 Sitze zu. Da aber die 16 Wahlbezirke-Sieger ihr Ratsmandat sicher haben, dürften nun auch alle anderen Parteien mehr Kandidaten in den Rat schicken, bis das „richtige“ Stimmverhältnis hergestellt ist. Der Rat würde dann größer. Aktuell ist das der Fall gewesen: Der Rat hat nach der Kommunalwahl 2014 50 Sitze.
? Was muss man wählen, wenn man einen Kandidaten gut findet, aber seine Partei nicht – oder umgekehrt?
Jeder Wähler hat bei der Ratswahl nur eine Stimme. Findet man eine Partei gut, aber den Kandidaten nicht, oder umgekehrt, dann muss man sich entscheiden, was einem wichtiger ist.
? In kreisangehörigen Städten wie Castrop-Rauxel wählen die Bürger auch Landrat und Kreistag. Welche Aufgaben haben die?
Die Hauptentscheidungsmacht liegt bei den Städten. Der Kreis hat generell eher Ergänzungsaufgaben, die eine Kommune allein nicht stemmen kann. Das betrifft zum Beispiel die Abfallwirtschaft oder das Schulsystem. Berufsschulen oder Förderschulen werden beispielsweise vom Kreis betrieben. Der Landrat übernimmt auch bestimmte staatliche Aufgaben, in den Kreisen ist er beispielsweise Chef der Polizei (Kreispolizeibehörde). Die Kreistage gibt es also nur, weil man Städte, die relativ klein sind, nicht mit einem vollen Verwaltungsapparat ausstatten möchte. Der Aufwand für die einzelnen Städte wäre viel zu hoch, es wäre erheblich teurer. Man schafft Synergieeffekte.
? Wie nimmt der Landrat Einfluss auf das Leben der Castrop-Rauxeler?
Der Landrat macht Politik. Der Kreis ist zum Beispiel zuständig für den Nahverkehrsplan. Da kann der Landrat zusammen mit dem Kreistag Akzente setzen, wie Geld verteilt wird, ob er besonders den Öffentlichen Nahverkehr fördern möchte oder andere Mobilitäts-Konzepte. Gleiches gilt für die Abfallwirtschaft, das Bildungssystem oder die Pflegeplätze für Senioren. Da gibt es eine Reihe von Gestaltungsaufgaben für den Landrat. Er steht nicht so sehr in der Öffentlichkeit wie ein Bürgermeister oder der Oberbürgermeister einer kreisfreien Stadt, aber er hat Einfluss.
? Das fünfte Kreuz machen die Wähler für die RVR-Verbandsversammlung, landläufig Ruhr-Parlament genannt. Worum geht es da?
Das Ruhr-Parlament ist zuständig für das ganze Ruhrgebiet, also alle kreisfreien Städte (Bochum, Bottrop, Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Hagen, Hamm, Herne, Mülheim an der Ruhr, Oberhausen) und vier Kreise (Recklinghausen, Unna, Ennepe-Ruhr-Kreis, Wesel). Ein großes Gebiet mit 5,1 Millionen Einwohnern und einer riesigen Wirtschaftskraft. Viele Entscheidungen werden in den Rathäusern getroffen, aber die Politik muss koordiniert werden. Dafür hat das Ruhr-Parlament Kompetenzen bekommen, vor allem für die Bereiche Verkehr, Wirtschaft und Klimawandel. Bislang wurden die Politiker in das Ruhr-Parlament entsendet. Jetzt gibt es erstmals die Möglichkeit einer Listenwahl, die Bürger können über die Kandidaten entscheiden. Eine offizielle Gebietskörperschaft ist der RVR allerdings nicht. Über den Landkreisen und unterhalb der Bundesländer stehen die hier zuständigen Bezirksregierungen Münster, Arnsberg und Düsseldorf, die allerdings als reine Verwaltungseinheit keine eigenen Parlamente haben.