„Knut“ – Bürger fällen Weihnachtsbaum auf Schwerin Tradition wie bei Ikea und in Schweden

„Knut“ feiert Premiere: Bürger fällen Weihnachtsbaum auf Schwerin
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Den Clip kennt fast jeder: Tannenbäume fliegen aus einem offenen Fenster und landen auf der Straße. Das schwedische Einrichtungshaus Ikea bewirbt damit „Knut“. Das ist schon seit Jahrzehnten eine Marketingaktion zu Jahresbeginn, wenn die Tannenbäume aus dem Haus verschwinden. Kunden winken Rabatte. Und wer dem Locken erliegt, den erwartet an den Märkten manchmal auch eine Überraschung: ein Wettbewerb im Tannenbaum-Weitwurf etwa.

Das ist aber nur die eine, eben werbliche, Seite von „Knut“. Sie zahlt auf die Marke Ikea ein. Tatsächlich verbirgt sich hinter dem Namen ein schwedischer Brauch. Die Schweden feiern damit das Ende der Weihnachtszeit. Die endet im Königreich nicht schon wie hier am Dreikönigsfest (6. Januar) oder dem Sonntag danach.

In Skandinavien dauert die Weihnachtszeit 20 Tage und endet – gerechnet vom ersten Weihnachtstag – am 13. Januar. Das ist der Namenstag von Knut. Der Patronatstag geht auf Knut IV. zurück. Er lebte Mitte des 11. Jahrhunderts, war König von Dänemark und wurde im Jahr 1101 heiliggesprochen. Bis heute gilt er als Schutzpatron des Landes, erklärt das Online-Magazin skandinavian-lifestyle.de.

Abschmück-Fest in Schweden

In den Kulturen Skandinaviens haben sich zum St.-Knuts-Tag unterschiedliche Bräuche entwickelt. In Schweden heißt das Knutfest „tjugondag Knut“ oder „tjugondedag jul“ (tjugondag/tjugondedag = zwanzigster Tag; jul = Weihnachten). Die schwedischen Familien nehmen an diesem Tag den Schmuck von den Bäumen.

Bei Kindern ist die Tradition vor allem dort beliebt, wo der Tannenbaum mit Süßigkeiten bestückt ist. Andere Familien packen anlässlich des Abschmück-Festes kleine Tüten mit süßen Leckereien und hängen sie in den Baum. Wenn Süßigkeiten, Kerzen, Kugeln und Lametta abgenommen sind, wird er entsorgt.

Baumbehang aus einem Tannenzapfen.
Bevor der EUV den Schweriner Weihnachtsbaum abtransportiert, muss der Schmuck entfernt und der große Baum zerlegt werden. © Katharina Langenkämmper

Oben auf Schwerin in Castrop-Rauxel kennen sich die Menschen aus mit Bräuchen aus dem hohen Norden. Deswegen feiern sie am Freitag (10.01.2025), ab 15 Uhr auf dem Neuroder Platz ebenfalls „Knut“: Sie schmücken den großen Tannenbaum ab. Am Samstag wird er dann im Rahmen der stadtweiten Aktion von Vereinen, Organisationen und EUV entsorgt.

Der Stadtteilverein „Wir Auf Schwerin“ macht dabei aus der Not(wendigkeit) eine Tugend. In den Vorjahren blieb es an Jürgen Wischnewski und einem Vorstandskollegen hängen, den Schmuck vom Baum zu nehmen, den mächtigen Stamm zu fällen und ihn transportgerecht zu zerlegen.

Jetzt macht der Verein daraus ein Fest, „um sich von dem Baum bis zum nächsten Adventsmarkt zu verabschieden“, erklärt Ratsfrau Katrin Lasser-Moryson. Gemeinsam wollen Vereinsmitglieder und Gäste aber nicht nur den Baumschmuck abnehmen und die vom Stadtbetrieb EUV gespendete Tanne fällen.

Im Sinne der Nachhaltigkeit wird der Baum auch „geschlachtet“, heißt es in einer Ankündigung. „Vielleicht braucht jemand noch Tannengrün für den Friedhof“, sagt Katrin Lasser-Moryson im Gespräch mit der Redaktion. Den Stamm des Baumes wollen die Knut-Organisatoren in Holzscheiben zerlegen. Sie eignen sich unter anderem gut als Untersetzer. „Eine Frau hat schon 15 Stück bestellt“, erzählt Jürgen Wischnewski und lacht.

Jürgen Wischnewski mit einem Bild der Zeche Graf Schwerin und vor einer Vitrine mit Bergbau-Erinnerungsstücken.
Jürgen Wischnewski ist Vorsitzender des Stadtteilvereins und Ur-Schweriner. Aus seiner Kindheit kennt er eine Tradition, die "Knut" ähnelt. © Ronny von Wangenheim (Archiv)

Dazu gibt es im benachbarten „Café Zuhause“ Heiße Suppe und warme Getränke. Und wie es sich für ein richtiges Fest gehört, sollen Spaß und gute Gespräche nicht zu kurz kommen. Für Jürgen Wischnewski ist „Knut auf Schwerin“ nicht nur Premiere einer neuen Veranstaltung zum Ende der Weihnachtszeit.

Sie knüpft an eine Tradition aus den Kindertagen des Schweriner Urgesteins. „Am Rotdorn war es in den 60er Jahren Sitte, dass die Leute an einem Spätnachmittag ihre Weihnachtsbäume aus dem Fenster geworfen haben“, erzählt er. „Für uns Kinder war das ein tolles Erlebnis. Anschließend wurden die Bäume damals noch verbrannt.“

Das Internetportal scandinavian-lifestyle.de erklärt zwar, dass in Schweden (anders als in der Ikea-Werbung) die Leute ihre Bäume nicht aus dem Fenster werfen. Aber – welch Parallele: Sie werden im Garten verbrannt oder zu Sammelplätzen gebracht. Und: In Stockholm werde aus Weihnachtsbäumen Biokohle gemacht. Ein Christbaum versorge so vier Waschmaschinen mit Strom.