Man muss nicht lange suchen, wenn man einen neuen Job als Erzieherin in Castrop-Rauxel sucht. Einfach googlen, und man findet Dutzende Stellenanzeigen. Kita Heilige Schutzengel, Kinderland e.V, Kita am Rochus-Hospital e.V., Kinderhaus Rasselbande... allein auf der Website der Caritas, Träger dreier Einrichtungen in Castrop-Rauxel, findet man gleich eine offene Ausschreibung für mehrere Stellen. Hallo Fachkräftemangel!
Es klingt vor dem Hintergrund kurios, aber die Caritas mit ihren zurzeit rund 100 Beschäftigten baut bald eine neue Kita mit einem Investor. In Merklinde entsteht eine große Einrichtung, dafür allein werden vielleicht ab 2025 15 neue Fachkräfte gebraucht. Und dabei ist gerade erst eine zweigruppige Einrichtung am Stadtmittelpunkt an den Start gegangen, wo man vier Gruppen eröffnen wollte, aber wofür das Personal fehlt.
„Ihre Frage danach“, sagt Caritas-Chefin Veronika Borghorst im Gespräch mit unserer Redaktion über die neue Kita in Merklinde, „ist berechtigt. Aber das Problem haben ja alle Träger. Wir versuchen dem mit einem neuen Konzept zu begegnen, aber es ist auch eine Frage für die Landesregierung.“
Neues Konzept? Ja, man wolle ein noch attraktiverer Arbeitgeber werden, wolle beim Recruiting besser werden. Leistungsgerechte Vergütung nach dem Caritas-Tarif (AVR), zusätzliche Altersversorgung, regelmäßiger Austausch im Team und Supervision, Weiterbildungsmöglichkeiten, Jahressonderzahlungen und vermögenswirksame Leistung, drei Tage im Jahr für die Teilnahme an Exerzitien, Betriebsfeste, Jubiläumsfeiern, Gesundheitsmanagement, Möglichkeit des Fahrradleasings: Das sind die Dinge, die unter „wir bieten“ in der Stellenausschreibung der Caritas angeführt werden. Aber reicht das wirklich?
Geburtenstarke Jahrgänge gehen in Rente
Beschäftigungsverbote für Schwangere direkt in der 6. oder 8. Woche der Schwangerschaft: Das ist so ein Problem für die Planungsebene, sagt Veronika Borghorst. „Früher, vor Corona, haben wir erst nach dem ersten Drittel überhaupt von der Schwangerschaft erfahren haben.“ Heute seien die Frauen direkt weg.
„Bei uns gehen bald auch noch die geburtenstarken Jahrgänge raus, viele können gesundheitlich gar nicht bis zum Renten-Eintritt in einer Kita arbeiten. Einige wollen dann nur noch in Teilzeit arbeiten. Work-Life-Balance ist heute für sie ein gewichtiges Stichwort. Aber trotzdem brauchen wir die 45-Stunden-Betreuungszeiten für Kinder, deren Eltern berufstätig sind. Das ist ja rechnerisch gleich mehr als eine volle Stelle.“

„Wir müssen eine Offensive starten“, sagt Veronika Borghorst. Es sei nicht damit getan, mehr Geld für Erzieherinnen zu zahlen. „Die Rahmenbedingungen sind entscheidend. Und das potenziert sich dann noch mit dem Rechtsanspruch auf einen OGS-Platz, der bald kommt.“ Denn in den Ganztagsschulen wird dann auch mehr Personal gebraucht. Für die Arbeit mit Kindern. Fischen im selben Teich...
In Castrop-Rauxel gibt es kirchliche und freie Träger der rund 40 Kitas. Auch die Stadt betreibt sechs Einrichtungen selbst, die zurzeit häufiger von Warnstreiks beeinträchtigt werden. Es geht ihnen auch, aber gar nicht nur um mehr Lohn, sagen die Beschäftigten, die beim Ausstand mitmachen. Hinter vorgehaltener Hand sagen einige: Es geht um die Bedingungen. Personalmangel wirkt sich nämlich zuerst auf die Kollegen und dann auch auf die Kinder aus. „Ich will gar nicht mehr Geld, ich will mehr Kollegen, damit ich meine Arbeit richtig und gut machen kann“, erklärt eine Erzieherin.
Modewort „Employer Branding“
Die katholischen Kitas in Castrop-Rauxel, das sind insgesamt elf Einrichtungen unter Trägerschaft der „Katholischen Kitas Ruhr“ in Dortmund, arbeiten mit sieben Personaldienstleistern zusammen, hieß es im Winter, als wegen krankheitsbedingter Ausfälle reihenweise Notbetreuung herrschte. In fast allen Kitas Personalmangel. „Die Beschäftigten sind sehr belastet“, hieß es. Ein Phasen-Problem des Winters, aber auch ein langfristiges.
Der Trägerverbund mit seinen insgesamt 86 Einrichtungen in und rund um Dortmund begegne dem Fachkräftemangel mit „verschiedenen Maßnahmen“: mehr Ausbildungsplätze, intensive Begleitung, Bindung der Auszubildenden und „Employer Branding“, ein Modewort. Eine bessere Außendarstellung und höhere Attraktivität der Arbeitsplätze soll das bringen. Aber am Ende auch hier: Fischen im selben Teich.
Die Stadt muss die Kita-Planung vorantreiben. Sie schreibt, sie stehe vor der Herausforderung steigender Geburtenzahlen, positivem Wanderungssaldo, noch in Planung befindlicher Neubaugebiete, Zuwanderung von geflüchteten Familien mit Kindern im Kita-Alter. „Bei allen drei Faktoren ist nicht sicher vorherzusagen, wie sie sich weiter entwickeln werden“, sagt Sozialdezernentin Regina Kleff. „Trotzdem ist es erforderlich, zusätzliche Betreuungsplätze zu schaffen.“
In Castrop-Rauxel stehen im kommenden Kita-Jahr 2023/24 1845 Betreuungsplätze in Kitas und 80 Plätze in Brückenprojekten für 2100 Kinder im Alter von 3 Jahren bis zum Einschulungsalter zur Verfügung. Im U3-Bereich gibt es zusammen mit den 224 Plätzen in der Kindertagespflege, also bei Tagesmüttern, 900 Plätze. Für diese 3000 Kinder braucht es Menschen, die sich liebevoll um sie kümmern und die frühkindliche Bildung vorantreiben. Einfacher wird das nicht.
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