Geschäftsfrau Vera Kopitetzki (55) musste sich während der Corona-Pandemie neue Verkaufsstrategien einfallen lassen.

© Inka Hermanski

Schuhverkauf vor der Tür: Die Idee rettet ein Geschäft in der Coronakrise

rnCoronavirus

Die erste harte Phase der Coronakrise hat Vera Kopitetzki mit ihrem Kinderschuhladen überstanden. Doch sie weiß nicht, wie es im Herbst weitergeht, wenn eigentlich ihre Hochsaison beginnt.

Castrop

, 25.08.2020, 14:55 Uhr / Lesedauer: 3 min

Gerade erst ist Vera Kopitetzki von der Schuhmesse zurückgekehrt. Sie hat Schuhe für ihren Laden „Bääähm – die Kinderschuhprofis“ am Biesenkamp geordert. Ware, die sie erst im Sommer 2021 verkaufen wird. Ein mulmiges Gefühl bleibt angesichts der unklaren Corona-Lage, so die Castrop-Rauxelerin.

Doch sie ist optimistisch. Im März noch sah die Geschäftsfrau ihre Existenz bedroht. In einem Facebook-Beitrag, der auf große Resonanz stieß, hatte sie ihren Gefühlen freien Lauf gelassen, von ihren Ängsten, ja auch von ihren Tränen geschrieben. Ihre Hoffnung hatte sie damals in ihre Kunden gesetzt. Und sie hat Recht behalten.

„Ich bin zufrieden“, sagt sie heute. Später wird sie dann doch von ihrer Sorge vor dem Winter erzählen. Aber sie habe es durch den Lockdown geschafft, habe danach sogar neue Kunden gefunden. Sie weiß, andere im Einzelhandel stünden nicht so gut da. „Ich habe eine gewisse Sonderstellung“, sagt sie. Auch wenn viele Menschen derzeit keine Lust auf Einkaufsbummel hätten: Kinder wachsen und brauchen einfach in regelmäßigen Abständen neue Schuhe oder Kleidung.

Coronakrise begann mit dem Beginn der Hochsaison

Zurück zum März, zurück zu dem Moment, in dem sie ihre Ladentüren schließen musste. Die Angst war da, die Existenz zu verlieren, die sie sich über zehn Jahre aufgebaut hatte. Der März, das ist der Monat, in dem normalerweise die erste Hochsaison des Jahres für sie beginnt. Wenn das Wetter sich ändert, brauchen Kinder neue Schuhe. Und die lagen in Mengen in den Regalen bereit.

Jetzt lesen

Viel hat sie versucht in der Zeit. Sie hat telefonische Bestellungen sogar selbst ausgeliefert oder vom Laden abholen lassen. Oder sie hat sich Fotos schicken lassen, um die richtigen Schuhe auszuwählen. Das alles war ein „tierischer Aufwand“, funktionierte aber nicht sehr gut. „Bei Kindern muss man die Schuhe am Fuß sehen“, sagt Vera Kopitetzki. „Da sind Millimeter entscheidend.“

Also kamen die Mütter dann mit ihren Kindern zum Geschäft in die Altstadt, vor das sie einen Stuhl gestellt hatte, probierten draußen mit ihren Kindern die Schuhe an und ließen sie probelaufen – beobachtet von der Fachfrau. Bezahlt wurde bar oder per Paypal. „Die Schlange reichte manchmal bis zur Kirche“, erzählt Vera Kopitetzki und lacht. „Das war eine sehr aufregende Zeit.“

Vera Kopitetzki durfte früher wieder öffnen als andere

Später wurde es ihr Vorteil, dass sie ihr Geschäft früher öffnen durfte als beispielsweise die großen Einkaufzentren in Dortmund und anderen Städten. „Ich habe viele Neukunden bekommen“, sagt die Geschäftsfrau, nennt als Beispiel Menschen, die im Dortmunder Süden wohnen, sonst in die Dortmunder Innenstadt gefahren seien und jetzt zu ihr kämen. Auch in diesen Tagen stellt sie fest, dass viele Menschen noch immer nicht gern in der Großstadt einkaufen.

Jetzt in der Nebensaison hat sich alles gut eingespielt. Wenn sie alleine in ihrem Laden bedient, kommt meist nur eine Familie in das 85 Quadratmeter große Ladenlokal. Ist eine Kollegin dabei, sind es maximal zwei Familien. „Vor allem der erste Schuhkauf ist etwas Besonderes. Da kommen oft Mutter und Vater, Opa und Oma alle mit. Die Leute filmen und fotografieren.“

Kommen weitere Kunden, müssen diese draußen warten. Das gehe jetzt bei den Temperaturen noch gut. „Die Kunden sind sehr verständnisvoll“, sagt Vera Kopitetzki. Doch der Winter mache ihre große Sorgen. September bis November ist für sie wieder Hochsaison. Wenn dann Kunden draußen warten müssten, könnte es schwierig werden – auch wenn sie vorhabe, zwei, drei Stühle vor den Laden zu stellen.

Viele Menschen sind wegen der Corona-Situation verunsichert

Es ist noch mehr, was sie beschäftigt. Zum Beispiel der eigene Schutz vor dem Coronavirus angesichts vieler kleiner Kunden, die oft Schnupfen haben, der natürlich nicht unbedingt eine Corona-Erkrankung bedeuten müsse. Aber sie belastet auch die allgemeine Verunsicherung der Menschen, wie sie berichtet.

Vera Kopitetzki erzählt von teilweise hysterischen Kunden. „Als ich eine Familie aus dem Laden ließ und die nächste Kundin herein bat, wurde ich erstmal angeherrscht, ob ich nicht erst mal durchlüften wolle.“ Andererseits stellt sie fest, dass viele Kunden ihre Kinder ohne Strümpfe zum Schuhkauf mit brächten.

Jetzt lesen

Was sie jetzt im Herbst verkaufen wird, hat sie im Januar, also noch vor der Coronakrise, geordert. Alles normal also? Nein, sagt die Castrop-Rauxelerin. Denn es wurde gerade zu Beginn der Corona-Pandemie nicht normal produziert. Zulieferer haben ihr bereits angekündigt, dass teilweise nur 80 Prozent der Ware geliefert werden könne.

Und so mischen sich Zuversicht und Sorge bei Vera Kopitetzki. Bei der Schuhmesse hat sie für den Sommer genauso viel geordert wie sonst auch. Die Schuhproduzenten hätten im übrigen auf die Coronakrise reagiert, und bei den Modellen weitestgehend die Mode dieses Jahres übernommen. So könnten Altbestände, die in den Läden liegen geblieben seien, doch noch verkauft werden.

„Ich habe versucht, auf der Messe aber auch das eine andere andere neue Modell zu bekommen“, sagt Vera Kopitetzki. Denn Ladenhüter hat sie nicht gelagert. Einen Kredit, den sie sich zu Beginn der Coronakrise in diesen harten Lockdown-Tagen vorsorglich besorgt hat, habe sie nicht gebraucht. Aber, so sagt sie: „Ich habe ihn nicht zurückgegeben. Wer weiß, was noch passiert.“