Hausbau in Castrop-Rauxel wird teurer Albtraum Familien fühlen sich von Bau-Unternehmen abgezockt

Pfusch am Bau, Geld weg und alleingelassen auf der Baustelle
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Ein Sonntag im Juli am Bärenplatz in Castrop-Rauxel. Drei Familien, darunter Malte Rosengart (36) und Sarah Kühn (30), sitzen um einen provisorischen Wohnzimmertisch, das Sofa ist noch mit einer Plastikfolie überzogen, aus kleinen Pappbechern gibt es Instant-Kaffee. Im „Garten“ vor der Terrassentür stapeln sich der Schutt, Baumaterial und Werkzeug. Eigentlich sollten in den Gärten längst Kindern spielen und die ersten Grillpartys steigen. Doch für die drei Familien ist aus dem Traum vom Eigenheim ein teurer Albtraum geworden. Die Stimmung am Tisch ist resigniert und gedrückt.

Schon der Start für das Bauprojekt in Deininghausen sei kompliziert gewesen, wie Nadine Grünberg* erzählt, auch sie und ihr Mann Benjamin haben eines der Häuser gekauft. Ursprünglich wollten sie schon Ende 2020 einziehen. Das erste Bauunternehmen habe sich übernommen und die Häuser am Ende doch nicht gebaut: „Wir sind auf die Nase gefallen.“ Alles sei von vorne losgegangen, ein neues Bauunternehmen musste gesucht werden, dieses Mal sollte alles klappen. Malte Rosengart: „Wir haben dann alles von einem Anwalt durchschauen lassen, dieses Mal wollten wir keine Fehler machen.“

Ein charismatischer Geschäftsführer

Sie entscheiden sich für IGM BauPlan, ein Unternehmen aus Oer-Erkenschwick. Mehrfach treffen sie sich nach eigenen Angaben mit dem Geschäftsführer Mohammed Gündogdu, der auf sie einen guten Eindruck gemacht hat, erinnert sich Nadine Grünberg: „Der ist total charismatisch und kann richtig gut erzählen. Er hat uns versichert, dass wir uns keine Sorgen machen müssen, und wir haben ihm geglaubt.“

Im Sommer 2022 startet der Bau am Bärenplatz. „Das fing auch super an. Das ging ruckzuck für drei bis vier Monate. Wir haben uns richtig gefreut“, sagt Nadine Grünberg. Die Häuser sollten am 31.12.2022 fertig sein, doch Ende des Jahres stockte der Bau. „Es kamen immer seltener Handwerker, wir haben uns schon gefreut, wenn überhaupt mal jemand kam. Seit Januar 2023 war dann gar keiner mehr hier.“

Handwerker wurden nicht bezahlt

Sie sprechen ihren Bauunternehmer Mohammed Gündogdu an, doch der habe ihnen versichert, dass alles gut wird, berichten die Hauseigentümer. Malte Rosengart und der dritte Käufer im Bunde – Ömer Adil* – treffen sich mit ihm. Ömer Adil: „Ich habe ihm öfter angeboten, dass wir auch helfen können, aber er hat immer nur gesagt: Mach dir keinen Kopf, Ömer. Ich brauche nichts.“

Doch die wenigen Handwerker hätten den Hausbesitzern etwas anderes erzählt. „Der Statiker hat offenbar keinen Cent für all das hier gesehen und auch der Fassadenbauer soll noch auf 40.000 Euro warten“, sagt Nadine Grünberg. Wenn kein Geld fließt, bleiben auch die Handwerker weg, glaubt sie. Andere unterstreichen das. Malte Rosenberg: „Der Dachdecker soll kein Geld mehr bekommen haben.“ Auch die Miete für den Bauzaun um den Bärenplatz soll nach Angaben der Hausbesitzer nicht bezahlt worden sein.

Ein Handwerker bestätigt die Schilderung im Gespräch mit der Redaktion: „Wir wurden schlichtweg nicht bezahlt, bis zum heutigen Tage nicht. Wir mussten die Arbeiten dann natürlich abbrechen, die Leidtragenden sind am Ende die Leute, die da leben.“

Wasser im Keller

Und nicht nur das: Bei einigen Handwerken – nicht bei allen – seien die Arbeiten schlecht gewesen. An den Häusern seien viele Dinge nicht so wie verabredet oder einfach schlecht gebaut worden. Besonders übel habe es das Haus von Malte Rosengart und Sarah Kühn erwischt. Es ist das einzige Haus mit Keller: „Der Keller ist undicht, bei Regen stand alles unter Wasser.“ Mittlerweile hat Rosengart – auf eigene Kosten – dauerhaft eine Pumpe im Keller laufen, aber es rieche immer noch moderig und feucht.

Der Keller muss laut einer Fachfirma, die Rosengart befragt hat, komplett neu gemacht werden, mehrere Tausend Euro werden dafür fällig. Auch Leitungen seien falsch gelegt worden, in allen drei Häusern hätten die Familien den Putz von den Wänden reißen und die Kabel neu verlegen müssen. Malte Rosengart: „Ich konnte das Licht im Flur zum Beispiel nur im Keller wieder ausmachen und das waren noch unsere kleinsten Probleme.“

Eine Pumpe in einem feuchten Keller in Castrop-Rauxel am Bärenplatz in Deininghausen.
Diese Pumpe hält Wasser aus dem Keller von Malte Rosengart. Im April habe Mohammed Gündogdu die Pumpe, die er ihm dagelassen habe, mitgenommen, mit den Worten: „Ich bringe dir später eine neue.“ Eine neue habe er jedoch nie bekommen, er hat sich selbst eine besorgt. © Nora Varga

Trotz Verzögerung und Mängeln an den Häusern habe die IGM BauPlan den Käufern weiter Rechnungen geschickt, zum Beispiel für Fenster und Türen. Rosengart: „Wir haben ihm 5000 Euro für Dachfenster und 4500 Euro für eine Tür gezahlt, aber die wurden nie bestellt und sind bis heute nicht da.“ Rosenberg zeigt auf zwei Pressspanplatten, die da liegen, wo seine modernen und Automatik-Dachfenster verbaut sein sollten. Zynisch grinst er: „Hier sind sie unsere Luxusfenster.“ Er hatte sich alles anders vorgestellt: „Ursprünglich sollte mein Sohn von hier dann an der Wilhelmschule eingeschult werden, jetzt kommt er bald in die dritte Klasse.“

Die provisorischen Dachfenster im Haus von Malte Rosengart und Sarah Kühn, die eigentlichen Fenster seien vom Bauunternehmer nie bestellt worden. Auch der Putz musste wieder aufgerissen werden, weil wichtige Leitungen vergessen wurden.
Die provisorischen Dachfenster im Haus von Malte Rosengart und Sarah Kühn, die eigentlichen Fenster seien vom Bauunternehmer nie bestellt worden. Auch der Putz musste wieder aufgerissen werden, weil wichtige Leitungen vergessen wurden. © Nora Varga

Plötzliche Preissteigerung

Im April hätten die Hauskäufer dann wieder von IGM BauPlan gehört. Es werde alles teurer, man brauche mehr Geld. 70.000 Euro habe Gündogdu zum Beispiel von einer der Familien verlangt: „Es wurden so viele Leistungen nicht erbracht und es war vorher schon alles teurer geworden. Das wollten wir nicht zahlen“, sagen sie im Gespräch. Mohammed Gündogdu habe dem Paar im Anschluss sogar gedroht. Die Stimme von Nadine Grünberg überschlägt sich, wenn sie davon erzählt: „Er hat gesagt, er schmeißt uns die Fenster ein, er hat uns mit Anzeigen gedroht. Wir waren alle zwei Tage hier, um zu gucken, ob die Fenster noch da sind.“ Für die Familie ist die Belastung hoch: „Das macht einen alles fertig, die Nerven liegen blank.“ Als sich auch Malte Rosengart und Sarah Kühn weigern zu zahlen, seien auch sie mit Anzeigen bedroht worden.

Ungefähr zur selben Zeit lud Mohammed Gündogdu unsere Redaktion auf die Baustelle ein, um die neuen Häuser zu zeigen. Er führte unseren Kameramann im Video durch das Haus von Ömer Adil. Wir erfahren viel später, dass der nichts davon wusste und dem Dreh nicht zugestimmt habe. Das Video haben wir offline genommen. Er versprach damals im Interview: „[Wir] haben drei Kunden, die in den nächsten kommenden Wochen einziehen werden.“ Im Juli, Monate später, sind die drei Familien von einem Einzug noch weit weg.

Wer ist Mohammed Gündogdu?

IGM BauPlan wurde Anfang 2020 gegründet – allerdings nicht in Oer-Erkenschwick, sondern in Osnabrück. Geschäftsführer ist der Wuppertaler Mohammed Gündogdu. Auf der Internetseite von IGM BauPlan heißt es über Gündogdu: „Er verfügt über langjährige Erfahrung als zertifizierter Handwerksmeister im Bauwesen.“ Im Handelsregister stand anfangs noch nichts zum Bau von Wohnhäusern, das wird erst später hinzugefügt. Im März 2022 hat das Unternehmen seinen Sitz nach Remscheid verlegt, im Februar 2023 dann nach Oer-Erkenschwick. Das Unternehmen wurde kurz danach sogar Sponsor des Fußballvereins „Spielvereinigung Erkenschwick 1916“. Auf der Internetseite von IGM BauPlan sind mehrere Projekte aus der Umgebung aufgelistet, unter anderem in Recklinghausen und Herne.

IGM BauPlan ist aber nicht das erste Unternehmen von Mohammed Gündogdu. Nach Informationen von „North Data“, einer Informationsplattform über Wirtschafts- und Unternehmensdaten, hat Mohammed Gündogdu 2016 die Geschäftsführung der Dea-Bau GmbH übernommen. Das Unternehmen führt laut Handelsregister Rohbau-, Maurer- und Betonarbeiten durch. Seit Februar 2017 ist er nicht mehr Geschäftsführer, es wurde aber auch kein neuer mehr bestimmt. Im Sommer 2017 meldete das Unternehmen Insolvenz an.

Hausbau mit Freunden und Familie

Die drei Familien am Bärenplatz in Deininghausen haben den Hausbau mittlerweile selbst in die Hand genommen. Ömer Adil zeigt auf einen großen Schuttcontainer: „Den haben wir gekauft und dahingestellt und räumen jetzt hier auf.“ Auch das Dixi-Klo habe er hier aufgestellt. Geld für Handwerker haben die drei Familien nicht mehr, also müssen sie selbst ran und „nur“ das Material zahlen.

„Wir machen wirklich alles selbst. Ich habe Wände verputzt, mittlerweile sind wir richtig gut darin. Mein Onkel ist Elektriker, der hat uns geholfen, ein Freund von Ömer hat einen Sanitärbetrieb, nur so geht es“, sagt die Frau, in deren „Garten“ das Treffen stattfindet. 310.000 bis 350.000 Euro haben die Familien eigentlich für die Reihenhäuser eingeplant, jetzt kratzen sie alle drei nach eigenen Angaben an der 500.000er-Marke und hätten teils neue Kredite aufnehmen müssen. Ömer Adil: „Für Preissteigerungen wegen der Inflation und so hätten wir ja auch Verständnis gehabt, aber wir haben nichts bekommen.“

Mittlerweile haben alle drei Familien einen Anwalt eingeschaltet und gehen gegen IGM BauPlan vor. Malte Rosengart: „Der Anwalt sagt, es ist eine klare Sache, aber er kriegt auf Schreiben an Herrn Gündogdu keine Antwort und kann seit Wochen niemanden erreichen.“ Hoffnung, ihr Geld wiederzusehen, macht sich keiner der drei. Rosengart: „Wenn der am Ende Insolvenz anmelden sollten, wird für uns nichts übrig bleiben.“ Den Schritt in die Öffentlichkeit gehen sie, um andere zu warnen. Für Ömer Adil muss auch die Politik nachbessern: „Es kann nicht sein, dass es solche Firmen gibt und die damit durchkommen.“

Die neuste Hiobsbotschaft: Wieder eine Rechnung für die Hausbesitzer am Bärenplatz – eine Rechnung, die sie eigentlich schon bezahlt hatten. Das Geld für die Erschließung der Straße wurde aber anscheinend nicht gezahlt. Mehrere Tausend Euro, die jetzt die Familien zahlen müssen. „Als die Nachricht kam, dachte ich nur: ‚Das kann doch gar nicht wahr sein‘. Der hat einfach unser Geld genommen und macht damit, was er will“, sagt die betroffene Frau. Auch für die anderen Familien ist das ein Schock. Malte Rosengart: „Schlimmer kann es nicht mehr werden.“ Der EUV bestätigt auf Anfrage die Probleme mit der Erschließung am Bärenplatz, das Geld sei nicht angekommen.

Der aufgerissene Bärenplatz in Castrop-Rauxel Deininghausen
Vom Bärenplatz aus sollen die Häuser irgendwann mal erreichbar sein. Es fehlt noch die Erschließung, die müssen die Familien jetzt noch mal bezahlen. © Nora Varga

Hilfsbereitschaft in Deininghausen

Ein Gutes habe der Bau-Horror trotzdem, erzählt Nadine Grünberg mit einem Lächeln im Gesicht: „Wir haben die besten Nachbarn der Welt, ohne die anderen wäre ich bestimmt schon mehrmals durchgedreht.“ Man unterstütze einander, schippe Wasser aus dem Keller, bestelle Material und kenne sogar die Familien der anderen. Auch die Menschen in Deininghausen seien sehr hilfsbereit. „Wir haben Nachbarn, die auf die Baustelle aufpassen, mithelfen und Verständnis haben, dass hier alles viel länger Baustelle ist als gedacht. Deininghausen ist super“, sagt Nadine Grünberg.

Wir haben IGM BauPlan und Mohammed Gündogdu mit den Vorwürfen der Hauskäufer konfrontiert und ihn auch zu seiner Vergangenheit bei der Dea-Bau GmbH angefragt. Weder telefonisch noch schriftlich wollten Mohammed Gündogdu oder IGM BauPlan sich inhaltlich äußern.

*Name auf Wunsch der Betroffenen von der Redaktion geändert.

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