Viele Mieter haben Angst vor dem Rauswurf
Mieterärger
Sie haben Angst, aus der Wohnung geworfen zu werden und keine neue zu finden. Das eint die Mieter in vielen Castrop-Rauxeler Stadtteilen – nicht nur jene am Sonnenschein in Habinghorst.

Die BGP-Gruppe betreut am Sonnenschein insgesamt 42 Wohneinheiten. Mieter fühlen sich bedroht. © Matthias Stachelhaus
Am Sonnenschein brennt es. Und nicht nur dort. Viele Mieter, sagen die beiden Vorsitzenden der SPD Ickern-Mitte, Ortsvereinsvorsitzende Gaby Schulte und ihre Stellvertreterin Petra Lückel, hätten massive Probleme mit Wohnungsgesellschaften oder besser: den Firmen, die den Bestand verwalten. Grund für eine Infoveranstaltung am Mittwochabend in der Gaststätte Haus Übersohn, zu der gut 20 Betroffene kamen. Und sich von Rechtsanwalt Christian Vester vom Deutschen Mieterbund ins kleine Einmaleins der Mieterrechte einführen ließen. „Es ist der psychische Druck, dem zum Beispiel die Mieter am Sonnenschein ausgesetzt sind“, erklärt Petra Lückel.
Der Verwalter, das Unternehmen BGP aus Berlin, drohe mit Zwangsräumung, wenn vermeintliche Mietschulden nicht ausgeglichen würden. Die Rede ist von einem vollkommenen Durcheinander bei den Nebenkosten etwa, von Mahnungen in Höhe von bis zu über 5000 Euro.
Keine Kraft mehr zur Gegenwehr
Viele zahlten aus purer Angst, womöglich auf der Straße zu sitzen, obwohl die Forderungen nicht berechtigt seien. Auch das Jobcenter zahle offenbar für jene Leute, die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch zwei beziehen, weil die Kosten für einen Rechtsstreit höher lägen, als den Weg übers Gericht zu gehen. Und insbesondere ältere Bürger hätten nicht mehr die Kraft zur Gegenwehr, fühlten sich hilflos dem Gebaren von Verwalterunternehmen ausgesetzt.
„Bei uns stellen die sich tot“, sagt Petra Lückel, die in dem Wohnhaus zu Hause ist, das 2014 beim Pfingststurm Ela für Schlagzeilen sorgte, nachdem das Dach halb abgedeckt worden war. Es sei zwar viel Geld in die Renovierung der Häuser am Sonnenschein gesteckt worden, die Kommunikation mit der Verwaltungsfirma sei aber alles andere als nur befriedigend. Die Botschaft von Christian Vester: „Rechtsbeistand suchen, über uns als gemeinnütziger Verein oder auch über die Verbraucherzentrale oder andere Anwälte“, sagt er. „Und nicht ins Bockshorn jagen lassen“, fügt er hinzu.
Mieter muss laut Urteilsspruch in Vorleistung treten
Eins der Grundprobleme bei uns in Castrop-Rauxel: Es gibt keinen qualifizierten Mietspiegel. Einen, der vor Gericht Bestand hätte. Sondern nur Mittelwerte für die Berechnung von angemessener Miete. Und es gibt einen Urteilsspruch vom Bundesgerichtshof, der einfach mal so festgestellt habe, dass Geld bei Betroffenen vorhanden sein müsse, wenn denn eine Haustür etwa kaputt sei, müsste der Mieter in der Lage sein, in Vorleistung zu treten, um die notwendige Reparatur vorfinanzieren zu können. Was tun? In der politischen Gemengelage schwierig.
SPD-MdB Frank Schwabe verwies auf die Bemühungen der Stadt, eine GeWo zwei zu gründen. Klar, vor mehreren Jahrzehnten, als es hier viele Werkswohnungen und Zechensiedlungen gab, hatten wir solche Probleme nicht. Der Wohnungsmarkt war nicht privatisiert, die Stadt hat mit der GeWo vor über 15 Jahren ihr Tafelsilber verkauft an die LEG. Und ein qualifizierter Mietspiegel, der vielleicht helfen könnte, um unberechtigten Mieterhöhungen vorzubeugen, kostet. Die Rede ist von Plusminus 12.000 Euro für die Erstellung. SPD-Ratsherr Jürgen Schulte: „Das wäre eine freiwillige Leistung der Stadt, das kriegen wir von der Bezirksregierung nicht genehmigt.“
Es bleibt spannend, wie unsere Stadt das hinkriegen will, um ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Wohnen ist halt nicht weniger als ein Menschenrecht.