Heftige Diskussion über den Todesstoß für die alte Eiche an der Heerstraße

Umweltausschuss

Der Umweltausschuss hat entschieden, dass der Baum für das Neubauprojekt „Wohnen an der Emscher“ weichen soll. Empörte Bürger verstehen das nicht. Was bringt die Debatte im Bauausschuss?

von Abi Schlehenkamp

Castrop-Rauxel

, 27.03.2019, 15:20 Uhr / Lesedauer: 3 min
Die alte Eiche (mittig in der Skizze) wurde vor fast zehn Jahren im städtebaulichen Entwurf von der Stadt berücksichtigt. Jetzt ist sie wohl fällig.

Die alte Eiche (mittig in der Skizze) wurde vor fast zehn Jahren im städtebaulichen Entwurf von der Stadt berücksichtigt. Jetzt ist sie wohl fällig. © Stadt

War das der Todesstoß für die alte Eiche im Neubaugebiet „Wohnen an der Emscher“ an der Heerstraße in Habinghorst? Das Abstimmungsergebnis Dienstagabend im Umweltausschuss nach einem offenen Schlagabtausch und einer teils sehr emotional geführten Diskussion ist eindeutig: SPD, CDU und FDP stimmten für den Plan, nach dem der 250 Jahre alte Baum für die vorgesehene Wohnbebauung weichen muss. Grüne, Linke und FWI konnten sich mit ihrem Antrag auf einen neuen Bebauungsplanentwurf, der die Eiche als erhaltenswert einstuft, nicht durchsetzen.

Soviel Publikum wie Dienstagabend hatte der Umweltausschuss bislang noch nie. Deutlich über 40 Bürger, darunter auch zwei Protagonisten aus der Fridays-for-future-Bewegung, hatten den Weg ins Rathaus angetreten – von der Galerie hingen mehrere Spruchbänder und Plakate mit dem Appell, die Eiche zu erhalten. Und schon in der Einwohnerfragestunde zu Beginn der Sitzung brach sich das Unverständnis Bahn.

Bebauungsplan von 2009 schützt die alte Eiche

„Man kann auch anders planen“, sagte ein Bürger und machte das fest an einem Bebauungsplan für das Gebiet von 2009, als die Eiche sehr wohl Berücksichtigung erfahren hatte. Ausgegraben haben diesen Plan, der politisch längst Makulatur ist, die Grünen. Wissen muss man dazu, dass die Wohnbebauung nördlich der Heerstraße schon seit über 15 Jahren mal mehr, mal weniger auf der politischen Agenda steht.

Und die ursprünglichen Pläne deshalb verworfen wurden, weil sich die Wirtschaftlichkeit für Investoren nicht gerechnet hätte. So jedenfalls die Lesart bei der Stadt. Tacheles wurde Dienstagabend reichlich geredet. Konsens herrschte höchstens, dass die Entscheidung fürs Prozedere eine politische ist.

Planungen ohne Eiche sind nicht alernativlos

Für die Anwohner der Heerstraße hoben Holger Steiner und Astrid Stoye noch einmal – wie seit Herbst 2018 in allen Sitzungen von Umwelt- wie auch Bauausschuss – die Einmaligkeit der Eiche hervor. Auch BUND-Mann Thomas Krämerkämper hieb unter großem Beifall aus dem Publikum in die Kerbe. „Es gibt keinen Grund, sich hinter technischen Unmöglichkeiten zu verstecken“, sagte Krämerkämper.

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Die Planung ohne den Erhalt der Eiche sei nicht alternativlos. Nach seinen Berechnungen reichte der Verzicht auf zwei Baugrundstücke aus – zwei von 67. Auch die Zeitachse sei kein Hinderungsgrund für eine neue Planung. Bis Oktober reiche die Zeit allemal, davor dürfe wegen des Bundesnaturschutzgesetzes ohnehin keine Hand an die Eiche und an die rund 300 in Rede stehenden anderen Bäume, die wohl weichen müssen, gelegt werden. „Überlegt euch das noch mal“, sagte Krämerkämper vor allem in Richtung SPD.

Die Stadt braucht jedes Grundstück

Deren Fraktionschef Daniel Molloisch versicherte: „Ich kann die Emotionen verstehen.“ Natürlich sei die Eiche ein wunderschöner Baum, aber es gehe hier um Abwägung. Darum zu überlegen, dass man in der sogenannten Innenverdichtung jedes Grundstück brauche, um nicht im Außenbereich Flächenfraß Vorschub zu leisten. Eben jenen Vorgaben, die die Stadt mit dem 2012 beschlossenen Flächennutzungsplan gesetzt habe.

Molloisch: „Ich möchte nicht, dass die Menschen ins Münsterland ziehen, sondern hier bauen.“ Wenn sie als Pendler etwa zurückkämen, sei der Kohlendioxid-Ausstoß ungleich höher. Eine Rechnung, die auf der Tribüne für lautstarken Unmut sorgte. Ebenso der Umstand, dass der Ausgleich fürs wegbrechende Grün woanders und nicht hier geschaffen werden soll. Molloisch sprach von 78.000 Punkten an Biotop-Katasterausgleichsfläche, die der Investor finanzieren müsse, ein Punkt bedeute ungefähr 2,50 Euro.

Sitzungsfoto aus dem Ratssaal, wo Spruchbänder von der Empore hingen.

Sitzungsfoto aus dem Ratssaal, wo Spruchbänder von der Empore hingen. © Abi Schlehenkamp

Hilde Krusch (FWI) gab zu bedenken, dass der Verzicht auf zwei oder drei Baugrundstücke an der Heerstraße ein Klacks sei angesichts von 180 neuen Wohneinheiten, wie sie an der Recklinghauser Straße (ehemals Drabig-City) auf der Agenda stünden. Stephan Bevc, Chef des Bezirksverbands der Kleingärtner, sagte: „Ihr seid unsere Volksvertreter. Dann hört, was die Menschen sagen.“ Und Klaus-Dieter Tesch von den Menschen an der Emscher betonte: „Gehen Sie noch mal in sich.“

Tut die Politik das? Das Thema Wohnen an der Emscher wird am Donnerstag dieser Woche erneut im Bauausschuss beraten, bevor der Stadtrat in einer Woche das endgültige Sagen hat. Die Grünen hatten bemängelt, dass sie nicht über die erforderlichen Unterlagen für den Abstimmungsprozess verfügen. Da geht es um bereits geschlossene Verträge mit dem Investoren, der in Herne ansässigen Firma Baugrund.

Wirtschaftlich schwierig, mit der Eiche zu planen

Deren Geschäftsführer Torsten Velhorst hatte unlängst in einem Gespräch mit unserer Zeitung betont, es sei ein enormes Wagnis, die Eiche in die Pläne zu integrieren. Auch aus wirtschaftlicher Sicht. Und es sei schwierig, weil das ganze Gelände nivelliert und um 1,5 Meter angehoben werde. Dass nördlich der Heerstraße gebaut werden soll, dem widersprechen im Übrigen auch die Protagonisten für den Erhalt der Eiche nicht. Ob der Bebauungsplan einer rechtlichen Überprüfung Stand hält, ist eine weitere Frage, die in diesem Verfahren noch eine Rolle spielen könnte. Aufgeworfen hat die Frage Thomas Krämerkämper.

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