
© Bastian Becker
Arzt und Patient in der Pandemie: Informations-Zwang und Abstumpfung
Coronavirus
Dr. Holger Knapp ist Hausarzt in Castrop-Rauxel. Er berichtet über die Pandemie, Impfungen und die Beziehung zu den Patienten. Dieter Klein würde auf den Besuch bei seinem Arzt ungern verzichten.
Die beiden kennen und schätzen sich. „Man sieht sich regelmäßig“, beschreibt Dieter Klein die Beziehung zu seinem Hausarzt Dr. Holger Knapp. Der Allgemeinmediziner, der in einer Gemeinschaftspraxis in Ickern seine Patienten behandelt, und der 64-jährige Architekt kennen sich rund 20 Jahre.
Dieter Klein hat sich für das Hausarztmodell entschieden. Dabei ist der Hausarzt der erste Ansprechpartner. Er koordiniert die gesamte Behandlung und ist eng mit allen an der Behandlung Beteiligten wie Fachärzten und Therapeuten verzahnt. „Ich brauche ein Vertrauensverhältnis. Wenn ich jemanden brauche, gehe ich zu meinem Hausarzt und der wird sagen, welche Schritte wir weiter ergreifen können“, berichtet der Patient.
Corona ändert im Praxisalltag seit zwei Jahren vieles
Sein Arzt setzt sich mittlerweile seit zwei Jahren regelmäßig mit dem Coronavirus auseinander. „Der Alltag hat sich natürlich ganz erheblich verändert. Schon bevor die ersten Fälle in Castrop-Rauxel aufgetreten sind, haben wir als Hausärzte versucht, einen Plan aufzustellen, wie das Ganze ablaufen kann“, erinnert sich Holger Knapp.
Als ersten Schritt habe er deshalb mit seinen Kollegen vor der Praxis eine Funkklingel eingerichtet und Patienten mit Symptomen über die Dachterrasse in die Praxis geholt. „Das hätten wir nie geahnt“, gibt der Arzt zu. Welchen Raum Corona auch zwei Jahre später im Praxisalltag einnimmt, war damals ebenfalls nicht vorauszusehen. „In unserer Praxis ist einer von fünf Ärzten jeden Tag nur mit Corona beschäftigt. Die anderen müssen sich um den Rest kümmern“, schildert der 59-Jährige den Alltag.

Dr. Holger Knapp, Hausarzt in Ickern, muss sich tagtäglich mit den Auswirkungen der Pandemie auseinandersetzen. © Tobias Weckenbrock
Im späteren Verlauf kamen Schnelltests und Impfungen in der Arztpraxis dazu. „Beide Aktionen verlaufen zum Glück wellenförmig versetzt. Während starker Impfkampagnen wird nicht so viel getestet“, sagt Holger Knapp. Er hat unter anderem auch in der Impfkirche St. Antonius geimpft und erzählt: „Beim Impfen herrschte immer super Stimmung.“
Tests und Impfungen: Regelmäßiger Besuch beim Hausarzt
Auch Dieter Klein kam regelmäßig zum Testen und auch zur Booster-Impfung in die Ickerner Praxis. „Mein Vater und die Schwiegereltern sind im Pflegeheim. Das konnten wir auf kurzem Weg besprechen und uns dann testen lassen“, berichtet er. Man habe das vor Ort sehr positiv erlebt und keine Bedenken gehabt.
Für Holger Knapp war das Jahr 2021 eines mit vielen Höhen und Tiefen. „Zunächst hatten wir die Hoffnung, die Pandemie bald überwunden zu haben. Wir haben viel Zeit und Aufwand ins Impfen gesteckt. Deshalb waren es natürlich extreme Rückschläge, als die Impfstoffe nicht wirkten und es viele Impfdurchbrüche gab“, gibt er zu.
Schwierige Zeiten für Dr. Holger Knapp
Die Patienten hätten teilweise bis auf den Markt gestanden. „Durch das permanent besetzte Telefon haben einige Kranke keine Chance mehr, den Arzt zu erreichen. Dafür gab es zu Recht natürlich auch allerhand Kritik“, sagt der Mediziner. Gerade im Frühjahr 2021 sei die Nachfrage extrem groß gewesen. Da habe man in der Praxis einige Patienten enttäuschen müssen.
Als Hausarzt lebe er auch vom nonverbalen Ausdruck, deshalb sei Beratung per Telefon grundsätzlich schwierig. Auch die Maske im Gesicht der Patienten sei bei der Behandlung zunächst schwierig gewesen. „Die Mimik ist ganz entscheidend für die Beurteilung. Manche meiner Patienten würde ich auf der Straße gar nicht erkennen“, verdeutlicht Holger Knapp.
Neue Informationen sehr wichtig
Jeden Tag müssten sich Ärzte über neue Erkenntnisse und Regeln zu Corona informieren. „Wir haben unter den Castroper Hausärzten eine Whatsapp-Gruppe, in der wir uns intensiv austauschen“, erklärt Holger Knapp. Dazu schaut er täglich auf die Homepage des RKI, aber auch der Kassenärztlichen Vereinigung oder des Gesundheitsministeriums. „Die Quarantäne-Regeln fotografiere ich mir auch schon mal aus der Tageszeitung ab. Da kann man sich nicht jeden Fall merken“, meint der Hausarzt.
Dieter Klein gibt zu, dass er angesichts der Fülle von Informationen „etwas abgestumpft“ sei: „Ich habe mir abgewöhnt, mich täglich zu informieren. Wenn man einen Termin hat, ist das schon nicht mehr aktuell.“ Deswegen informiere er sich, wenn er Fragen hat, auch regelmäßig bei Dr. Holger Knapp.

Dieter Klein informiert sich nicht mehr jeden Tag über neue Corona-Regeln. © Tobias Weckenbrock
Dieser unterstreicht: „Im Moment sind unser Hauptgeschäft PCR-Tests und Krankschreibungen. Wir haben viele Patienten in der Praxis, die ohne Corona nicht da wären.“ Er würde sich wünschen, dass Kontaktpersonen oder Menschen, die sich freitesten lassen, die Praxis nicht aufsuchen. Die Menge der PCR-Tests habe seit der Ausbreitung der Omikron-Variante erheblich zugenommen.
Einige Wünsche für die Zukunft
Arzt wie Patient haben Wünsche für die nahe Zukunft. „Ich würde mir wünschen, dass der Höhepunkt erreicht wird und wir mit Corona im Alltag leben können“, meint Dieter Klein. Vor allem hofft er, dass regelmäßige Tests nicht mehr notwendig sind.
Holger Knapp würde sich vor allem weniger Bürokratie wünschen. „Das ist eine unheimliche Belastung on top. Jetzt kommen der elektronische Krankenschein und elektronische Rezepte, das erfordert viel Umstrukturierung. Es wäre schön, wenn man uns diese Kröte erst später schlucken lassen würde“, erklärt der Allgemeinmediziner.
Berichtet gerne von Menschen, die etwas zu erzählen haben und über Entwicklungen, über die viele Menschen sprechen.
