„Dieser Hagebaumarkt war mein Baby“ Eigentümer im Entscheidungs-Interview nach dem Großbrand

Jörg Langenhorst zur Hagebaumarkt-Entscheidung: „Das war mein Baby“
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Der Hagebaumarkt wird nicht neu aufgebaut. Nach dem Großbrand am 26.3.2024 kurz nach Geschäftsschluss um 19 Uhr läuft in diesen Tagen der Abriss der Brandruine. Die Beschäftigten, die bisher von der Ausfall-Versicherung die vollen Bezüge weiter ausbezahlt bekommen haben, ohne dafür zu arbeiten, erhielten jetzt die schlechte Nachricht zuerst: Anfang der Woche informierte sie der Eigentümer Jörg Langenhorst, dass ein Neubau nicht geplant ist. Für die knapp 20 Beschäftigten kommt das der betriebsbedingten Kündigung gleich.

Nachdem wir erst aus Mitarbeiterkreisen vom Aus erfahren hatten, erreichten wir am Mittwochvormittag den Unternehmer. Im Interview sprachen wir mit Langenhorst, der gerade auf dem Weg war zur Gesellschafterkonferenz der Hagebau-Gruppe, über die Gründe für seine Entscheidung und den Abwägungsprozess, über Castrop-Rauxel als Baumarkt-Diaspora und sein Mitleid für die Beschäftigten.

Herr Langenhorst, was hat zur Entscheidung geführt, den Hagebaumarkt nicht wieder aufzubauen?

Wir hätten den Markt nie geschlossen. Unter normalen Umständen, ohne dieses dramatische Brandereignis, hätten wir sogar bald investiert. Er lief gut. Es wären Investitionen in Store-Management und im Bereich EDV angefallen. Der Markt war stabil. Durch den Brand hat sich die Ausgangsposition aber erheblich geändert.

Das ist klar. Aber schildern Sie mal, inwiefern.

Wir hätten zunächst eine zweijährige Phase bis zur Wiedereröffnung gehabt. Mit all den Dingen der Bauplanung, Bauantragsverfahren, dem Bauens selbst, dem Einrichten und Eröffnen, wäre die Zeitspanne in etwa so lang gewesen. In diesen zwei Jahren hätten wir alle Kunden logischerweise an Marktbegleiter verloren. Man fängt also danach wie bei einer Neueröffnung vollkommen neu an, die Kundenwege wieder zu verändern. Man hätte wohl noch eine zweijährige Anlaufphase gehabt, bis man wieder dahingekommen wäre, wo man vor dem Brand war.

Das alles hätte in Zeiten schwieriger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen geschehen müssen: Wir haben einen Kaufkraftschwund und einen Arbeitskräftemangel, um zwei Beispiele zu nennen. Wir hatten sogar Schwierigkeiten, Arbeitskräfte zum Beispiel für die Kasse zu bekommen. Das hat in manchen Fällen sechs bis zwölf Monate gedauert, bis wir jemanden gefunden haben.

Wir haben auch erhebliche Tarifsteigerungen im Einzelhandel von um die 12 Prozent. Ich halte sie natürlich für Mitarbeiter für angemessen aufgrund der Inflation, aber das Problem ist: Sie sind schwer zu verdienen. Genau das ist das gesamtwirtschaftliche Problem: Kaufkraftverlust und Inflation.

Wenn man dann zwei Jahre unter diesen Voraussetzungen anschieben muss… Es ist also wie eine Neuinvestitionsentscheidung.

Was bedeutet das konkret?

Ich musste ganz neu und von Null entscheiden. Und ich bin zu dem Ergebnis gekommen: Aufwand und Ertrag steht in diesem Fall nicht in einem richtigen Verhältnis.

Nennen Sie mal Aspekte, die zu diesem Schluss führten.

Ich bin kein regionaler Unternehmer, auch das ist ein Aspekt, na klar. Also das Thema Herzblut, das Sie schon mal in einem Meinungsbeitrag erwähnten. Ich komme ja aus Recklinghausen, also schon aus der Region, und habe mit dem Hagebaumarkt in Castrop-Rauxel damals als junger Mann meinen ersten Baumarkt aufgebaut. Das war mein Baby. Aber inzwischen lebe ich in München. Das ist nun ganz was anderes, als wenn das Ihr Geschäft ist, wo Sie jeden Tag ein und aus gehen. Natürlich bauen Sie dann wieder auf. Dass ich kein nativer Castrop-Rauxeler bin, spielt also auch mit rein.

Wie haben Sie die Entscheidung bekannt gemacht?

Sinngemäß habe ich den Beschäftigten das Gleiche am Montag persönlich in einem Brief mitgeteilt, den ich digital an sie verschickt habe. Sie haben eine betriebsbedingte Kündigung aufgrund einer Betriebsschließung erhalten. Sie sind ab sofort freigestellt, können sich also direkt auf neue Arbeitsplätze bewerben.

Was geschieht auf dem Grundstück, auf dem der Baumarkt gerade abgerissen wird?

Wir reißen ab, machen das Gelände also eben. Es gibt schon Interessenten, die sich bei mir gemeldet haben. Wenn bekannt wird, dass nicht neu gebaut wird, wird es weitere Interessenten geben, da bin ich sicher. Ich versuche, wirtschaftlich eine Vermarktung des Grundstücks hinzubekommen.

Verkaufen?

Nein, ein Verkauf ist nicht die Idee. Ich werde schauen, dass wir einen Nutzer finden, der eine entsprechende Pacht bezahlt, die mir Rendite bringt. Das ist ein wirtschaftliches Objekt. Wir wollen es solide angehen.

Wie bewerten Sie denn den Standort?

Wir haben hier ein funktionierendes Gewerbegebiet, in das die Fläche eingebettet ist. Wir haben das Wohn- und Geschäftshaus mit Geiping, den Wachsmann-Imbiss. Die Fläche wollen wir vernünftig verpachten, es wird nicht zwei oder drei Jahre dauern, bis da was Neues entstanden ist. Und es wird keine Industriebrache. Das zeigt mir die Zahl der Interessenten schon jetzt.

Nach dem Feuer am Hagebaumarkt Ende März sind die Abrissarbeiten Ende Juni im vollen Gange.
Nach dem Feuer am Hagebaumarkt sind die Aufräumarbeiten im vollen Gange. © Jan Weffers

Damit ist Castrop-Rauxel aber ohne Baumarkt.

Das stimmt. Und die Stadt braucht einen. Ich verstehe auch, dass es schade ist, was uns da passiert ist. Aber es würde ja dauern, bis ein neuer da wäre. Die Hagebaumarkt-Kette, so viel kann ich sagen, wird sich bemühen, in Castrop-Rauxel einen neuen Standort zu finden. Aber das geschieht dann ohne mich. Letztlich entscheidet das aber auch nicht die Kette, das entscheidet der Unternehmer vor Ort. Da fällt mir noch ein Grund ein, der zur Entscheidung beigetragen hat.

Welcher?

Wenn ich vier Baumärkte hätte, was nicht unüblich ist in diesem Geschäft, und einer brennt ab, dann baue ich den natürlich wieder auf. Damit schließe ich ja mein Filialnetz wieder. Aber ich bin hier ja allein. Es war ein Single-Standort, ohne Vernetzung mit anderen Baumärkten. Das gehört in der Betrachtung auch dazu. Und wenn man einen Baumarkt heute neu baut, dann sollte man ihn größer bauen – da gab es hier aber Flächenbeschränkungen. Mit der Hagebaumarkt-Kette bin ich im Dialog. Sie werden sich bemühen, die baumarktfrei werdende Stadt mit einem Baumarkt zu besetzen. Dazu muss man aber erst einen guten Standort finden, kennen und kaufen, und einen Betreiber aus dem Hagebaumarktbereich finden. Das ist hier aber ein rein strategischer Gedanke. Klar ist: Die Versorgungslage ist unterrepräsentiert.

Noch mal zurück zu den Menschen, die das betrifft: die Mitarbeiter. Haben Sie Gewissensbisse ihnen gegenüber?

Ich war früher jahrzehntelang Baustoffhändler in Recklinghausen mit mehreren Geschäften und Märkten. Ich habe das Geschäft aber vor grob 20 Jahren aufgegeben. Der Hagebaumarkt Castrop-Rauxel war nun einfach noch da. Er war mein erster, ich hab ihn als junger Mann aufgebaut, kann mich an alle Entscheider vom Bürgermeister bis zu den Bauamts-Mitarbeitern erinnern. Ich kenne auch meine Mitarbeiter, die 25 oder 30 Jahre bei mir waren, natürlich gut. Und ja: Da habe ich auch ein Gewissen, auch Mitleid. Sie sind gefangen in dieser Entscheidung. Was es mir aber leichter macht: Im Normalfall stehen die Leute nicht auf der Straße. Es ist de facto sogar das Gegenteil der Fall: Sie sind hoch nachgefragt. Das beruhigt mich ein bisschen. Aber natürlich fühle ich da mit. Klar ist da jetzt eine gewisse Unruhe; da wird auch böse über den Unternehmer gesprochen. Das ist so, das ist am Ende auch mit eingepreist.

Aber Kollegen von anderen Hagebaumärkten haben tatsächlich ganz konkret schon angefragt, ob sie Mitarbeiter aus unserem Markt haben können. Am Dienstag habe ich schon einen Gesellschafter-Kollegen angerufen und ihm mitgeteilt, dass da was möglich ist. Und die Mitarbeiter können auch mich gern kontaktieren. Ich helfe ihnen gern.

Sie sind gerade unterwegs zur Gesellschafterversammlung, war zu hören.

Ja, das stimmt. Über 100 Gesellschafter von Hagebau treffen sich einmal im Jahr. Sonst findet das immer in Hamburg, München oder Berlin statt. Dieses Jahr feiern wir aber 60 Jahren Hagebaumarkt, da geht es nach Kopenhagen.

Da werden Sie und Ihre Entscheidung Gesprächsthema sein, oder?

Wir Gesellschafter sind freundschaftlich untereinander verbunden, wie Kollegen. Wenn Sie Journalisten treffen, dann geht Ihnen das ja auch so. Da wird es sicher auch Gespräche über Castrop-Rauxel geben. Und Samstag schauen wir dann in Dänemark das Achtelfinale gegen Deutschland...

Der Abriss in Bildern auf rn.de/castrop