Ein Ort, Fotos aus drei Zeiten Bilder zeigen, wie krass Castrop-Rauxel sich verändert hat

XXX
Lesezeit

Im Jahr 1973 gab es eine Serie mit dem Titel „Castrop-Rauxel – einst und heute“. Leserinnen und Leser haben der Redaktion alte Fotos zur Verfügung gestellt und meistens war es der Fotograf Helmut Orwat, der dann losgefahren ist und diesen Ort noch mal fotografiert hat. Jeden Tag erschienen dann diese zwei Bilder zusammen, manchmal waren die Unterschiede gigantisch, manchmal hatte sich kaum etwas getan. Wir haben uns diese Serie noch mal vorgenommen, denn was 1973 „heute“ gewesen ist, ist für uns schon längst Vergangenheit. Wir setzen also die Serie fort und haben die Orte 50 Jahre später wieder besucht. Hier gibt es den ersten Teil der Serie mit Fotos aus Castrop und der Altstadt.

Ein Teich mitten in Castrop

Das erste Bild muss mehr als 100 Jahre alt sein, denn auf dem Foto existiert der Mühlenteich in Castrop noch. Der Leser, der es damals zur Redaktion brachte, wusste selbst nicht mehr, wie alt das Bild ist. Den Mühlenteich gibt es heute nicht mehr und auch die Skyline der Altstadt würde man kaum wiedererkennen. Nur noch die Mühlenstraße und die Mühlengasse erinnern noch an das kleine Gewässer. Die hat sich seit 1973 allerdings vor allem in einer Hinsicht verändert. Heute stehen in der engen Gasse keine Autos mehr, hier sind nur noch Fußgänger unterwegs.

Der Mühlenteich in Castrop-Rauxel.
Von wann genau dieses Bild ist wusste der Leser, der es 1973 in die Redaktion brachte, auch nicht mehr. © Ruhr Nachrichten Archiv
Schon 1973 erinnerten nur noch die Mühlenstraße und Mühlengasse an den Teich.
Schon 1973 erinnerten nur noch die Mühlenstraße und Mühlengasse an den Teich. © Ruhr Nachrichten
Heute dürfen in der engen Straße keine Autos mehr parken, die kleine Stichstraße mit Blick auf die Lambertuskirche gehört zur Fußgängerzone.
Heute dürfen in der engen Straße keine Autos mehr parken, die kleine Stichstraße mit Blick auf die Lambertuskirche gehört zur Fußgängerzone. © Nora Varga

Die alte Synagoge von Castrop-Rauxel

Es ist ein trauriges Zeugnis der nationalsozialistischen Vergangenheit von Castrop-Rauxel. Auf dem ältesten der drei Bilder erkennt man im Hintergrund die Synagoge von Castrop-Rauxel. Sie wurde 1845 erbaut und verfügte über einen ebenerdigen Betsaal und einen Schulraum. Zur Einweihung waren alle Ortsbewohner eingeladen. Bei den Novemberpogromen 1938 wird die Synagoge angezündet, einen Tag später niedergerissen.

Sie ist nicht im Vordergrund des Bildes, aber zwischen den Bäumen und den beiden Fachwerkhäusern erkennt man die alte Synagoge von Castrop-Rauxel.
Sie ist nicht im Vordergrund des Bildes, aber zwischen den Bäumen und den beiden Fachwerkhäusern erkennt man die alte Synagoge von Castrop-Rauxel. © Ruhr Nachrichten Archiv

In dem Buch „Die bekennende Gemeinde Castrop zur Zeit der Hitlerdiktatur von 1933 bis 1945“ schildert ein Augenzeuge: „Die kleine Synagoge in der Straße ‚Im Ort‘ war nur noch ein rauchender Trümmerhaufen, schrecklich anzusehen. Die großen Geschäftshäuser am Markt, in der Münster- und Widumerstraße waren – soweit sie sich in jüdischen Händen befanden – entsetzlich zugerichtet.“ Im „Stadtanzeiger für Castrop-Rauxel und Umgebung“ vom 11. November 1938 wurde das Verbrechen an den Castrop-Rauxeler Juden verdreht: „Auch in Castrop-Rauxel machte sich am Spätabend die Empörung über die feige jüdische Mordtat in Demonstrationen Luft. [...] Vor Tagesanbruch wurde die Altstadt-Feuerwehr alarmiert, die sich mit der Motorspritze zur Straße Im Ort begab, wo die Synagoge brannte.“

Die Gedenkstätte in der Altstadt wurde 1969 eröffnet, nur vier Jahre bevor dieses Foto gemacht wurde. Nicht erinnert mehr an die Fachwerkhäuser, aus der Gasse ist eine Einkaufsstraße geworden.
Die Gedenkstätte in der Altstadt wurde 1969 eröffnet, nur vier Jahre, bevor dieses Foto gemacht wurde. Nichts erinnert mehr an die Fachwerkhäuser, aus der Gasse ist eine Einkaufsstraße geworden. © Ruhr Nachrichten Archiv

Wo früher die Synagoge stand, gibt es heute eine kleine Gedenkstätte. Außerdem ist der Umriss der Synagoge auf dem Boden zu sehen. Von den Fachwerkhäusern ist keine Spur mehr. Der Platz, der heute zur Fußgängerzone gehört, wurde nach dem Kommunalpolitiker und Zentrumsabgeordneten Simon Cohen benannt, der zum Beispiel Mitbegründer der Freiwilligen Feuerwehr war.

Heute ist die Straße „Im Ort“ kein besonders florierendes Einkaufszentrum.
Die Einkaufsstraße „Im Ort“ auf einem Foto aus 2023. © Nora Varga

Heute ist die Straße „Im Ort“ kein besonders florierendes Einkaufszentrum. Es gibt mehrere Leerstände an der Straße, zuletzt hat das Kleidungslabel „Gerry Weber“ seine Filiale geschlossen. Noch heute wird jedes Jahr am 9. November an die Synagoge und das jüdische Leben in Castrop-Rauxel erinnert.

Vom Fachwerk zur Einkaufsstraße

Auf dem ältesten Bild ist die Castroper Münsterstraße zu sehen. Allerdings erkennt man sie kaum noch wieder, denn von Fachwerkhäusern und Eisenbahngleisen ist 20 Jahre später keine Spur mehr. Von Anfang der 50er-Jahre soll das erste Bild auf genommen worden sein. Das Bild von 1973 erinnert dann schon viel mehr an die Straße von 2023, noch heute gibt es an der Stelle kleine Lokale und eine der letzten Kneipen der Stadt, die „Kulisse“.

Dieses Bild von der Münsterstraße soll Anfang der 1950er Jahre aufgenommen worden sein.
Dieses Bild von der Münsterstraße soll Anfang der 1950er Jahre aufgenommen worden sein. © Ruhr Nachrichten
1973 sieht die Münsterstraße völlig anders aus als noch 20 Jahre zuvor.
1973 sieht die Münsterstraße völlig anders aus als noch 20 Jahre zuvor. © Ruhr Nachrichten Archiv
Die Häuser sind gleich geblieben, die Geschäfte haben sich in den vergangenen 50 Jahren aber natürlich verändert.
Die Häuser sind gleich geblieben, die Geschäfte haben sich in den vergangenen 50 Jahren aber natürlich verändert. © Nora Varga

Alles grüner am Gondelteich

Auf eine frühe Abbildung des Gondelteichs im Stadtgarten kann man genau die Siedlungen am anderen Ufer erkennen. Die Büsche sind klein, es gibt keine Bäume. Von wann genau diese Darstellung ist, ist leider nicht klar. Das Bild stammt aber wahrscheinlich aus der Anfangszeit des Stadtgartens. 1925 kaufte die Stadt Castrop die Schlingermannschen Wiesen, ein Jahr später wurde dort dann das Parkbad Süd eröffnet.

Gleichzeitig wurde der Gondelteich eröffnet. 15.000 Kubikmeter Erde wurden dafür ausgehoben und zum Teil zu einer kleinen, kreisrunden Insel aufgeschüttet, auf der später Schwäne und Enten leben sollten. Bepflanzt wurde der Stadtgarten erst im Frühjahr 1933. Die Insel gibt es heute noch, allerdings wird sie eher von Kanadagänsen bewohnt. Obwohl das kleine Gewässer „Gondelteich“ heißt, ist dort nie jemand umhergepaddelt oder in einer Gondel darüber gefahren.

Eine frühe Aufnahme des Stadtgartens in Castrop-Rauxel.
Eine frühe Aufnahme des Stadtgartens in Castrop-Rauxel. © Ruhr Nachrichten Archiv

Im Zweiten Weltkrieg wurde der Stadtgarten fast vollständig durch Bombeneinschläge zerstört. Auf dem Foto aus dem Jahr 1973 ist der Stadtgarten nach seinem Wiederaufbau zu sehen. Man entschied sich dazu, den Stadtgarten so herzurichten, wie er früher war.

Der Stadtgarten auf einer Aufnahme aus dem Jahr 1973.
Der Stadtgarten auf einer Aufnahme aus dem Jahr 1973. © Ruhr Nachrichten Archiv
Der Gondelteich in Richtung Castroper Altstadt fotografiert.
Der Gondelteich in Richtung Castroper Altstadt fotografiert. © Nora Varga

Wer heute versucht, vom Stadtgarten in Richtung Altstadt zu schauen, der sieht vor allem eines: Grün. Der komplette Stadtgarten ist deutlich stärker bewachsen und große Bäume versperren die Sicht.

https://tools.pinpoll.com/embed/249549

Dies war der erste Teil unserer neuen Serie. Weitere Orte und ihre Geschichten werden wir in den kommenden Tagen und Wochen vergleichen und vorstellen.

Götz George, Helmut Kohl und Fördertürme: Helmut Orwats Fotos sind eine Chronik des Reviers

Gedenken an die Pogromnacht: Rund 100 Teilnehmende ziehen schweigend durch die Castroper Altstadt

Wer planschte da im Castroper Gondelteich?: Das sagt die Stadt zum Video aus dem Internet

Mode-Geschäft schließt nach 13 Jahren in Castrop-Rauxel: Mitarbeiter entlassen – Räumungsverkauf läu

Jüdisches Leben in Castrop-Rauxel: Seltene Aufnahme zeigt, wie die Synagoge aussah

Gedenken an die Pogromnacht: Rund 100 Teilnehmende ziehen schweigend durch die Castroper Altstadt