Im Jahr 1973 gab es eine Serie mit dem Titel „Castrop-Rauxel – einst und heute“. Leserinnen und Leser haben der Redaktion alte Fotos zur Verfügung gestellt und meistens war es der Fotograf Helmut Orwat, der dann losgefahren ist und diesen Ort noch mal fotografiert hat. Jeden Tag erschienen dann diese zwei Bilder zusammen, manchmal waren die Unterschiede gigantisch, manchmal hatte sich kaum etwas getan. Wir haben uns diese Serie noch mal vorgenommen, denn was 1973 „heute“ gewesen ist, ist für uns schon längst Vergangenheit. Wir setzen also die Serie fort und haben die Orte 50 Jahre später wieder besucht. Hier gibt es den ersten Teil der Serie mit Fotos aus Castrop und der Altstadt.
Ein Teich mitten in Castrop
Das erste Bild muss mehr als 100 Jahre alt sein, denn auf dem Foto existiert der Mühlenteich in Castrop noch. Der Leser, der es damals zur Redaktion brachte, wusste selbst nicht mehr, wie alt das Bild ist. Den Mühlenteich gibt es heute nicht mehr und auch die Skyline der Altstadt würde man kaum wiedererkennen. Nur noch die Mühlenstraße und die Mühlengasse erinnern noch an das kleine Gewässer. Die hat sich seit 1973 allerdings vor allem in einer Hinsicht verändert. Heute stehen in der engen Gasse keine Autos mehr, hier sind nur noch Fußgänger unterwegs.



Die alte Synagoge von Castrop-Rauxel
Es ist ein trauriges Zeugnis der nationalsozialistischen Vergangenheit von Castrop-Rauxel. Auf dem ältesten der drei Bilder erkennt man im Hintergrund die Synagoge von Castrop-Rauxel. Sie wurde 1845 erbaut und verfügte über einen ebenerdigen Betsaal und einen Schulraum. Zur Einweihung waren alle Ortsbewohner eingeladen. Bei den Novemberpogromen 1938 wird die Synagoge angezündet, einen Tag später niedergerissen.

In dem Buch „Die bekennende Gemeinde Castrop zur Zeit der Hitlerdiktatur von 1933 bis 1945“ schildert ein Augenzeuge: „Die kleine Synagoge in der Straße ‚Im Ort‘ war nur noch ein rauchender Trümmerhaufen, schrecklich anzusehen. Die großen Geschäftshäuser am Markt, in der Münster- und Widumerstraße waren – soweit sie sich in jüdischen Händen befanden – entsetzlich zugerichtet.“ Im „Stadtanzeiger für Castrop-Rauxel und Umgebung“ vom 11. November 1938 wurde das Verbrechen an den Castrop-Rauxeler Juden verdreht: „Auch in Castrop-Rauxel machte sich am Spätabend die Empörung über die feige jüdische Mordtat in Demonstrationen Luft. [...] Vor Tagesanbruch wurde die Altstadt-Feuerwehr alarmiert, die sich mit der Motorspritze zur Straße Im Ort begab, wo die Synagoge brannte.“

Wo früher die Synagoge stand, gibt es heute eine kleine Gedenkstätte. Außerdem ist der Umriss der Synagoge auf dem Boden zu sehen. Von den Fachwerkhäusern ist keine Spur mehr. Der Platz, der heute zur Fußgängerzone gehört, wurde nach dem Kommunalpolitiker und Zentrumsabgeordneten Simon Cohen benannt, der zum Beispiel Mitbegründer der Freiwilligen Feuerwehr war.

Heute ist die Straße „Im Ort“ kein besonders florierendes Einkaufszentrum. Es gibt mehrere Leerstände an der Straße, zuletzt hat das Kleidungslabel „Gerry Weber“ seine Filiale geschlossen. Noch heute wird jedes Jahr am 9. November an die Synagoge und das jüdische Leben in Castrop-Rauxel erinnert.
Vom Fachwerk zur Einkaufsstraße
Auf dem ältesten Bild ist die Castroper Münsterstraße zu sehen. Allerdings erkennt man sie kaum noch wieder, denn von Fachwerkhäusern und Eisenbahngleisen ist 20 Jahre später keine Spur mehr. Von Anfang der 50er-Jahre soll das erste Bild auf genommen worden sein. Das Bild von 1973 erinnert dann schon viel mehr an die Straße von 2023, noch heute gibt es an der Stelle kleine Lokale und eine der letzten Kneipen der Stadt, die „Kulisse“.



Alles grüner am Gondelteich
Auf eine frühe Abbildung des Gondelteichs im Stadtgarten kann man genau die Siedlungen am anderen Ufer erkennen. Die Büsche sind klein, es gibt keine Bäume. Von wann genau diese Darstellung ist, ist leider nicht klar. Das Bild stammt aber wahrscheinlich aus der Anfangszeit des Stadtgartens. 1925 kaufte die Stadt Castrop die Schlingermannschen Wiesen, ein Jahr später wurde dort dann das Parkbad Süd eröffnet.
Gleichzeitig wurde der Gondelteich eröffnet. 15.000 Kubikmeter Erde wurden dafür ausgehoben und zum Teil zu einer kleinen, kreisrunden Insel aufgeschüttet, auf der später Schwäne und Enten leben sollten. Bepflanzt wurde der Stadtgarten erst im Frühjahr 1933. Die Insel gibt es heute noch, allerdings wird sie eher von Kanadagänsen bewohnt. Obwohl das kleine Gewässer „Gondelteich“ heißt, ist dort nie jemand umhergepaddelt oder in einer Gondel darüber gefahren.

Im Zweiten Weltkrieg wurde der Stadtgarten fast vollständig durch Bombeneinschläge zerstört. Auf dem Foto aus dem Jahr 1973 ist der Stadtgarten nach seinem Wiederaufbau zu sehen. Man entschied sich dazu, den Stadtgarten so herzurichten, wie er früher war.


Wer heute versucht, vom Stadtgarten in Richtung Altstadt zu schauen, der sieht vor allem eines: Grün. Der komplette Stadtgarten ist deutlich stärker bewachsen und große Bäume versperren die Sicht.
Dies war der erste Teil unserer neuen Serie. Weitere Orte und ihre Geschichten werden wir in den kommenden Tagen und Wochen vergleichen und vorstellen.
Götz George, Helmut Kohl und Fördertürme: Helmut Orwats Fotos sind eine Chronik des Reviers
Gedenken an die Pogromnacht: Rund 100 Teilnehmende ziehen schweigend durch die Castroper Altstadt
Wer planschte da im Castroper Gondelteich?: Das sagt die Stadt zum Video aus dem Internet
Mode-Geschäft schließt nach 13 Jahren in Castrop-Rauxel: Mitarbeiter entlassen – Räumungsverkauf läu
Jüdisches Leben in Castrop-Rauxel: Seltene Aufnahme zeigt, wie die Synagoge aussah
Gedenken an die Pogromnacht: Rund 100 Teilnehmende ziehen schweigend durch die Castroper Altstadt