
Bei der klassischen Sonntagsfrage werden der FDP im Bund gerade rund 4 Prozent der Stimmen prognostiziert, für eine Landtagswahl in NRW gar nur 3 Prozent. Bei den letzten Wahlen im Osten der Republik landete die Partei nur noch in der Kategorie Sonstige. Die FDP marginalisiert sich derzeit mit ihrer Politik also selber.
Längst vorbei die Zeiten, als unter Guido Westerwelle bei der Bundestagswahl im Jahr 2009 14,6 Prozent geholt wurden, als Christoph Grabowski in Castrop-Rauxel als Bürgermeister-Kandidat ebenfalls 2009 satte 13,7 Prozent der Stimmen bekommen hatte. Mit Nils Bettinger waren es 2020 gerade noch 4,37 Prozent und sogar weniger als der freie Kandidat Mario Rommel damals einfuhr. Und für seine Partei gar noch nicht mal 4 Prozent.
Dass die FDP in dieser Situation in Castrop-Rauxel lieber darauf verzichtet, einen eigenen Bürgermeister-Kandidaten für die nächste Wahl ins Rennen zu schicken, kann man da verstehen. Dass man den von der CDU nominierten Thomas Thiel unterstützen will, scheint sinnvoll. Dass sich Nils Bettinger aber nun hinstellt und bei der Kommunalwahl mit einer vielleicht siegriechen CDU auf Augenhöhe koalieren will, lässt sich nur mit dem Begriff „Chuzpe“ kommentieren.
Chuzpe wird gemeinhin mit den Begriffen „Frechheit, Anmaßung, Dreistigkeit, Unverschämtheit“ gleichgesetzt und genau so würde ich die Idee Bettingers einordnen. Wer froh sein kann, in Castrop-Rauxel überhaupt 1000 Stimmen holen zu können, sollte sich dadurch vielleicht nicht gerade dazu animiert fühlen, auch noch Ansprüche stellen zu können.
Angesichts dieses Realitätsverlustes kommt einem zwangsläufig der alte Begriff „Große Klappe, nichts dahinter“ in den Sinn. Aber dieses Denken passt andererseits ja perfekt zu der Rolle, die die FDP gerade schon in der Berliner Ampel-Koalition spielt. Blockieren, wo es nur geht, torpedieren, wo man nur kann, und selbst nicht davor zurückschrecken, eindeutige AfD-Forderungen als eigene Politik ins Spiel zu bringen (Bett-Seife-Brot-Minimum für abgelehnte Asylbewerber).
Mein Kollege Fabian Hollenhorst hat eine andere Meinung zu Nils Bettingers Plan, eine 50:50-Koalition zwischen FDP und CDU zu bilden. Seinen Kommentar finden sie hier.