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Vorwarnstufe beim Gas und Energiepreis-Schock: So könnten Sie reagieren
Energieversorgung
Benzin-Preise sind explodiert, Gas- und Strompreise für Neukunden ziehen nach. Nun gibt es Notfallplan und Vorwarnstufe der Bundesregierung: Was, wenn Gas aus Russland fehlt? Das können Sie tun.
Der Ukraine-Krieg hat die Energiepreise deutlich steigen lassen. Nun droht ein Stopp der Gaslieferungen aus Russland: Putin hatte angekündigt, nur noch in der eigenen Währung Rubel zu verkaufen. Bundesminister Robert Habeck richtet sich nun offenbar auf eine Sperrung der Pipelines* ein.
Hohe Preise von Benzin, Diesel, Strom und Erdgas: Was können Castrop-Rauxeler konkret tun, damit die Preis-Explosionen nicht so hart werden? Um diese Fragen zu beantworten, haben wir mit drei Castrop-Rauxeler Energie-Experten gesprochen, die täglich mit der Energie-Problematik konfrontiert sind: Elisabeth Wigger-Düsing, Energierechtsberaterin, und Petra Kerstan, Energieberaterin der Verbraucherzentrale Castrop-Rauxel, und der Geschäftsführer der Stadtwerke Castrop-Rauxel, Jens Langensiepen.
? Warum sind die Energiepreise so hoch?
Das hat verschiedene Gründe: der weltweite Anstieg der Industrieproduktion seit Herbst 2021, die Diskussion um die Gas-Pipeline Nordstream 2, die höhere CO2-Bepreisung von Benzin, Gas oder Heizöl - und seit einigen Wochen der Ukraine-Krieg. Der ließ die Preise endgültig in den Himmel steigen: „Die Einkaufspreise für das kommende Jahr sind derzeit etwa viermal so hoch wie vor einem Jahr“, sagt Jens Langensiepen.

Jens Langensiepen von den Stadtwerken Castrop-Rauxel und Petra Kerstan von der Verbraucherzentrale Castrop-Rauxel haben Energie-Spartipps für alle Castrop-Rauxelerinnen und Castrop-Rauxeler. © Thomas Schroeter
? Dürfen die Energieversorger kurzfristig die höheren Preise an ihre Kunden weitergeben?
Ja, das dürfen sie, sagt Elisabeth Wigger-Düsing. Und das schon mit einer relativ kurzen Frist von vier Wochen - zumindest dann, wenn keine Preisgarantie vereinbart wurde.
Kunden, die mit einer solchen Preiserhöhung konfrontiert sind, haben zwar ein Sonderkündigungsrecht - aber es dürfte für sie aktuell auf dem freien Markt kaum Alternativen geben. In diesen Fällen bleiben nur zwei Möglichkeiten: die Preiserhöhung mitzugehen - oder in die Grundversorgung zu wechseln. Bestandskunden der Stadtwerke Castrop-Rauxel haben bis Ende 2022 eine uneingeschränkte Preisgarantie.
? Und wozu raten die Experten?
Im Moment raten sie: „Gehen Sie in die Grundversorgung!“. Dieser Weg ist schon deshalb der beste, weil es aktuell keinen günstigeren Vertrag gibt. Elisabeth Wigger-Düsing kennt die Preise, die Grundversorger E.ON in Castrop-Rauxel aufruft, auswendig: „8,66 Cent pro Kilowattstunde Gas, bei einem Jahresgrundpreis von 220,44 Euro. Und 31,22 Cent pro Kilowattstunde Strom, bei einem Jahresgrundpreis von 138,74 Euro.“ Selbst Stadtwerke-Chef Jens Langensiepen, der in Konkurrenz zu E.ON steht, sagt: „Momentan empfehlen auch wir jedem Interessierten, kurzfristig in die Grundversorgung zu gehen, bis wir wieder in der Lage sind, marktfähige Angebote zu unterbreiten.“
? Was sagen die Vergleichsportale?
Gibt man etwa bei dem Vergleichsportal Verivox einen Jahresverbrauch von 12.000 kWh an, würde man bei E.ON im Grundversorger-Tarif monatlich 104,99 Euro zahlen (Stand 21.3.).
Der günstigste (!) Alternativanbieter, den Verivox zeigt, würde 206,51 Euro verlangen - also praktisch das Doppelte. Einziger Vorteil dort: eine eingeschränkte Preisgarantie für die nächsten zwölf Monate. Zwar sind nicht alle Energieanbieter bei Verivox gelistet, zum Beispiel die Stadtwerke Castrop-Rauxel nicht - aber die Tendenz ist eindeutig.
Hinzu kommt, darauf weist die Verbraucherzentrale hin: Die Preise in Vergleichsportalen seien momentan oft nicht aktuell. Man solle sie auf jeden Fall mit den Angaben auf den Websites der Unternehmen vergleichen. Und auf gar keinen Fall sollten Kunden angeblich günstige Angebote annehmen, die am Telefon oder an der Haustür unterbreitet werden.
? Ist absehbar mit einer Entspannung der Situation zu rechnen?
Eine Entspannung sei die „große Hoffnung“, sagt Jens Langensiepen. Aber niemand wisse, ob Russland den Gas-Hahn zudrehe oder umgekehrt die europäischen Staaten die Einfuhr russischen Gases stoppten. Deshalb sagt Langensiepen: „Die Versorgung ist bis zum Winter erstmal gesichert. Darüber hinaus gibt es derzeit keine seriöse Prognose.“ Seit Mittwoch gilt nach Spiegel-Informationen eine Vorwarnstufe der Bundesregierung in einem Notfallplan. Mit der soll die Versorgung mit Erdgas auch nach einem Lieferstopp aus Russland gewährleistet werden. Aktuell gebe es keine Versorgungsengpässe, heißt es dazu laut Spiegel online aus dem Ministerium. Die Versorgungssicherheit sei gewährleistet.
? Wer heizt mit welcher Energiequelle?
Es gibt eine Erhebung von IT.NRW aus dem Jahr 2018. Demnach ist im Vergleich mit anderen Kreisen und Städten in der Region die direkte Abhängigkeit der Haushalte im Kreis Recklinghausen nicht so groß wie anderswo. Aber: 62 Prozent der Wohnungen werden mit Gas beheizt, 48 Prozent des Warmwassers mit Erdgas erhitzt.
? Lohnt es sich, vorzeitig in die Grundversorgung zu wechseln?
„Nein, Bestandstarife sind meist günstiger als die Grundversorgung“, sagen die Expertinnen der Verbraucherzentrale und Stadtwerke-Chef Langensiepen. Und im Grundversorger-Tarif gibt es keine Preisgarantie.
? Kann man gar nichts tun, um weniger zu zahlen?
Doch, durchaus. Petra Kerstan rät, sich erst einmal klar zu machen, was eigentlich genau für hohe Energiekosten sorgt. „Checken Sie regelmäßig Ihre Zählerstände“, sagt sie. „Und machen Sie sich dabei klar, dass beim Gas der Verbrauch von 1 Kubikmeter auf dem Zähler 10 Kilowattstunden entspricht.
Zudem gibt es ein paar grundlegende Hinweise:
- Nach wie vor ist es viel billiger, mit Gas zu heizen als mit Strom: „Der Strompreis hängt vom Gaspreis ab“, sagen die Experten. Wie teuer es etwa werden kann zu duschen, wenn das Warmwasser aus dem Durchlauferhitzer kommt, lässt sich einfach ausrechnen: Wenn der Durchlauferhitzer eine Leistung von 20 Kilowatt hat, dann kosten 15 Minuten Duschen am Tag 1,50 Euro, wenn man einen Preis von 30 Cent pro Kilowattstunde zugrunde legt.
- Dementsprechend ist es auch nicht zu empfehlen, mit Strom zu heizen. Sei allerdings eine alte Nachtspeicherheizung eingebaut, könne sich durchaus der Tausch gegen neue Geräte und eine moderne Aufladesteuerung lohnen.
- Sparen lässt sich aber auch mit einer Gasheizung: Das Thermostat sollte auf die gewünschte Endtemperatur eingestellt werden (Stufe 3 entspricht ca. 20 Grad Celsius). Im Schlafzimmer darf es ruhig kälter sein als im Wohnzimmer.
- Zudem lohnt sich ein elektronisches Thermostatventil mit Zeiteinstellung, damit deutlich weniger geheizt wird, wenn niemand in der Wohnung ist. Auch spart es Energie, Fenster mehrmals täglich für fünf Minuten fürs sogenannte Stoßlüften zu öffnen, anstatt Fenster dauerhaft auf Kipp stehen zu lassen.
- Falls möglich, lohnt es sich, auf einen Wäschetrockner zu verzichten und Wäsche draußen, auf dem Dachboden oder im Keller zu trocknen.
? Was ist mit Photovoltaik?
Grundsätzlich lasse sich heute sagen: Wenn ein Haus nicht ganz ungünstig steht, lohnt sich Photovoltaik, sagt Jens Langensiepen.
Aber er fügt einschränkend hinzu: Vor einer Installation sollte man sichergehen, dass das Dach noch lange hält. „Die Module sind auf 20 Jahre ausgelegt“, sagt er. Müsse ein Dach erneuert werden, wenn die Module erst einmal liegen, erhöhe das den Aufwand beträchtlich.
Die zweite Frage: Soll man die Photovoltaik-Anlage mit einem Speicher kombinieren? Einerseits verteuert er die Anschaffung, andererseits gilt: Die Sonnenenergie selbst zu verbrauchen lohnt sich heute deutlich mehr, als den Solarstrom einzuspeisen. Und nur mit einem Speicher kann man Solarstrom auch abends fürs Kochen oder Wäschewaschen einsetzen oder nachts für das Laden des E-Autos. Nicht aber langfristig: Im Sommer gespeicherte Solarenergie lässt sich nicht erst im Winter nutzen, sagt Petra Kerstan.
? Wie sieht es mit der Dämmung von Häusern aus?
Sie lohnt sich nach Auffassung der Experten. Aber: „Das Thema Dämmung ist ein bisschen eingeschlafen“, sagt Petra Kerstan. Das liegt ihrer Meinung nach daran, dass Dämmungen oft fehlerhaft ausgeführt wurden.
So könne es bei fehlender „Leibungs- und Sockeldämmung“ zu Schimmelbildung rund um diese Wärmebrücken kommen. Haus-Eigentümer hätten das oft auf die Dämmung selbst geschoben, obwohl sie gar nicht verantwortlich sei.
? Wie empfehlenswert ist ein E-Auto?
Dazu hat Jens Langensiepen eine klare Meinung: „Das ist fast jedem zu empfehlen, der es zu Hause laden kann.“ Auch wenn die Anschaffungskosten meist noch höher sind, so sind die laufenden Kosten deutlich günstiger als bei Benzin- oder Diesel-Autos.
Umgekehrt ist für ihn aber genauso klar: Wenn es keine Lademöglichkeit zu Hause oder etwa in der Firma gibt, dann stellt sich die Frage der Anschaffung oft gar nicht. Genau deshalb sollen noch in diesem Jahr etwa 100 öffentliche Ladesäulen im Stadtgebiet entstehen.
? Können Mieter überhaupt etwas tun?
Die Tipps zum Heizen oder zum Wäschetrocknen gelten auch für Mieter. Ansonsten ist es für sie schwieriger als für Eigentümer, Energie zu sparen, aber auch sie können etwas tun, sagt Petra Kerstan. So gebe es Solar-Stecker-Module, die man auf dem Balkon nutzen kann.
? Wo können sich Castrop-Rauxelerinnen und Castrop-Rauxeler genauer beraten lassen?
- In der Verbraucherzentrale Castrop-Rauxel, Mühlengasse 4, kann man sich beraten lassen oder unter 02305 6987901 anrufen. Und es gibt zahlreiche Info-Flyer, teilweise auch in mehreren Sprachen – Englisch, Arabisch, Kurdisch oder Afghanisch. Im Internet finden sich ebenfalls viele Hinweise unter www.verbraucherzentrale.nrw.
- Auch die Stadtwerke Castrop-Rauxel halten in ihrem Büro an der Lönsstraße 12 und auf ihrer Internetseite viele Informationen bereit: www.swcas.de
* Anmerkung der Redaktion: Unseren Ursprungstext vom 23.3.2022 haben wir am 30.3.2022 aktualisiert.
Als Journalist arbeite ich seit mehr als 25 Jahren. Im Kreis Unna bin ich dagegen noch recht neu, aber voller Neugier auf Menschen, Städte und Gemeinden. Schreiben habe ich gelernt, komme aber viel zu selten dazu. Dafür stehe ich gerne mal vor der Kamera.
